Grafik4Italienische Opernkultur des Fin de siécle
am Musikwissenschaftlichen Seminar

Das Puccini Research Center


Im Wintersemester 1989/1990 begann am Puccini Research Center die Arbeit an einer Gesamtbibliographie der autographen Partituren Puccinis, seiner Skizzen für Libretto und Komposition, seiner publizierten und unpublizierten Korrespondenz sowie der Puccini-Sekundärliteratur. Nicht allein das OEuvre Puccinis bildet jedoch das Forschungsobjekt des Puccini Research Center, das 1989 am Musikwissenschaftlichen Seminar der Freien Universität gegründet wurde, sondern die italienische Opernkultur des Fin de siécle in ihrer gesamten Vielfalt.

Eine enge Partnerschaft besteht dazu mit dem Fondo Leoncavallo an der Biblioteca Cantonale di Locarno (Tessin/Schweiz), einem 1990 gegründeten Leoncavallo-Studienzentrum unter der Leitung des Verfassers. Neben dem Puccini Research Center die einzige öffentlich finanzierte Institution zur Erforschung der italienischen Operngeschichte der Jahrhundertwende, dient der Fondo Leoncavallo nicht nur als Dokumentations- und Studienzentrum, sondern auch als Ort internationaler Kongresse. Seit 1991 finden in der Biblioteca Cantonale di Locarno Kongresse in zweijährigem Rhythmus statt, deren Ergebnisse in Buchform vorliegen. Für die Zukunft zeichnet sich eine enge Zusammenarbeit mit dem 1996 gegründeten Centro Studi Giacomo Puccini in Lucca ab, das als Partnerorganisation des Puccini Research Center gegründet wurde.

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Kardinal Pietro Ottoboni "Il Colombo ovvero l'India scoperta", Libretto, Roma (Buagni) 1690, S. 12 Illustration von Giovanni Battista Gaulli

Neben seiner Forschungstätigkeit spielt das Puccini Research Center eine wesentliche Rolle als Dienstleistungsorganisation für die Opernhäuser in Europa und Übersee. Die allmähliche Verbreitung der vom Verfasser 1979 entdeckten Urfassung des Schlusses von Puccinis Turandot bedingte eine kontinuierliche Beratungstätigkeit für Opernhäuser in aller Welt. Nach ersten Inszenierungen in New York (New York City Opera, 1983), am Teatro dell'Opera di Roma (1985) und am Opernhaus Bonn (1985) folgten vom Puccini Research Center betreute Aufführungen beim Holland Festival (1992), am Staatstheater Saarbrücken (1993), am Landestheater Salzburg (Großes Festspielhaus, 1994), am Hawai'i Opera Theatre in Honolulu (1996), am Opernhaus Rostock (1996), am Opernhaus Aachen (1997), an der Oper der Stadt Basel (1997) und am Württembergischen Staatstheater Stuttgart (Premiere: 25. 5. 1997).

Unter den Forschungsprojekten der letzten Jahre befanden sich auch die musikalischen Editionen von vier Opern über das Sujet der Entdeckung Amerikas und der Conquista Mèxicos, die gemäß einer Übereinkunft mit der "Sociedad Estatalpara la Ejecuciòn de Programas del Quinto Centenario" (Madrid) von 1990 bis 1992 am Puccini Research Center erstellt wurden. In textkritischer Notenedition wurden die folgenden Opern vorgelegt:

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Giuseppe Verdi, Rigoletto, Akt I, 1, Hawai'i Opera Theatre, Honululu 1996, Regie: Jürgen Maehder

Zur Herstellung von Partitur und Aufführungsmaterial wurde am Musikwissenschaftlichen Seminar der FU erstmals Computernotensatz eingeführt; in Kursen, die im Computerraum des Fachbereichs Altertumswissenschaften stattfanden, konnten sich auch die Studenten mit den Techniken des professionellen Computernotensatzes vertraut machen. Als Nachklang zu der Erforschung der Stoffgeschichte von Entdeckung und Conquista veranstaltete das Puccini Research Center im Mai 1993 den Kongreß "Columbus, Montezuma und Cortès als Bühnengestalten - Zur Rezeptionsgeschichte der Entdeckung Amerikas" in der Villa Vigoni (Loveno di Menaggio/CO); der Kongreßbericht wird in der Publikationsreihe des Instituts, den "Perspektiven der Opernforschung", im Laufe des Jahres 1997 erscheinen.

Nach der Ernennung von Frau Dr. Lucinde Lauer zur wissenschaftlichen Assistentin (1995) erfuhren die Forschungsschwerpunkte eine weitere Ausdehnung auf die slawische Opernkultur des Fin de siécle. Bereits 1994 wurde in Zusammenarbeit mit dem Russian Institute for the History of the Arts (St. Petersburg) der I. Internationale Kongreß "Methodologie der Opernforschung" veranstaltet. Der Kongreß diente dem Gedankenaustausch zwischen russischen und westlichen Musik- und Theaterwissenschaftlern im gemeinsamen Bemühen um eine interdisziplinäre Erforschung des Musiktheaters.

Aus der Erkenntnis heraus, daß die Regie im zeitgenössischen Musiktheater einen wesentlichen, mit der knapp vierhundertjährigen Geschichte der Gattung inkommensurablen Stellenwert einnimmt, wurden in den letzten Jahren vermehrt Lehrveranstaltungen zu Regie und Inszenierungsgeschichte des Musiktheaters angeboten. Die Integration von Theaterpraxis und musikwissenschaftlicher Lehrtätigkeit fand einen vorläufigen Höhepunkt in meiner Inszenierung von Giuseppe Verdis Rigoletto am Hawai'i Opera Theatre in Honolulu (Premiere 9. Februar 1996), die als direkte Konsequenz eines an der FU abgehaltenen Regieseminars entstand.

Zu den Plänen für die unmittelbare Zukunft zählen das Kolloquium "Neuerscheinungen zur italienischen Operngeschichte", das in Zusammenarbeit mit der Arbeitsstelle Italienzentrum der FU Berlin am 29. April 1997 im Henry-Ford-Bau stattgefunden hat; die Organisation des IV. Internationalen Leoncavallo-Kongresses in Locarno für Herbst 1997; die Ausweitung der internationalen Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen in Übersee, sowie der Beginn eines Forschungsprojekts zur Rezeption der italienischen Oper im Pazifik und in Ostasien.

Jürgen Maehder

Jürgen Maehder ist Professor am Musikwissenschaftlichen Seminar der FU und Leiter des Puccini Research Centers

Buchpublikationen des Puccini Research Center und seiner Mitarbeiter


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