Urlaubssemester

Praxis kann teuer werden


"Neben dem Studium verdrängen die Studierenden bisweilen die Frage ihrer beruflichen Zukunft. Soweit sie nicht das Lehrerexamen anstreben, sollten sie sich früh mit den Berufsmöglichkeiten vertraut machen, die Archive, Bibliotheken und Museen, Rundfunk und Presse, Verlage [...] eröffnen" (Alexander Demandt, Vorwort des Kommentierten Vorlesungsverzeichnisses Geschichtswissenschaften, WS 96/97). So brachte Prof. Demandt auf den Punkt, was vielerorts beschworen wird: Nur wer schon während des Studiums Praxisluft schnuppert un d Beziehungen knüpft, verbessert seine Chancen auf dem gerade für Geisteswissenschaftler engen Arbeitsmarkt. Und weil inzwischen viele nach einem Praktikumsplatz anstehen, kann man sich die Zeit nicht aussuchen. Fällt der Termin in die Vorlesungszeit, erscheint es sinnvoll, ein Urlaubssemester einzulegen, um keine (Regelstudien)- Zeit zu verlieren.

Im Studienhandbuch der FU von 1997 steht dazu: "Gründe für eine Beurlaubung sind z. B. Auslandsstudium, vorgeschriebene oder empfohlene Praktika, Krankheit, Mutterschutz [...]." So weit, so harmlos. Der entscheidende Hinweis ist leicht zu überlesen: "Auch die Auswirkungen auf [...] Versicherungsbeiträge, Steuerfreibeträge/ Kindergeld etc. sollte man vorher prüfen. Bafög-Zahlungen werden während eines Urlaubssemesters nicht geleistet." Den wenigsten ist bekannt, daß gen erell kein Anspruch auf Kindergeld be steht, wenn man ein in der Studienordnung nicht zwingend vorgeschriebenes Praktikum absolviert. Das gleiche gilt für die Steuerfreibeträge. Legt man wegen Engagements in Hochschulgremien, freiwilligen Praktika oder eines Auslandsaufenthaltes ein Urlaubss emester ein, entfallen die Steuervergünstigungen (Steuerfreibeträge). In diesen Fällen gehen die Finanzämter von einer Ausbildungsunterbrechung aus. Die Eltern der Studierenden merken´s am Geldbeutel .

Die AOK und die private Berlin - Kölnische Versicherung betonen, daß ein Urlaubssemester keine Auswirkungen auf die Familienversicherung hat, es sei denn, ein Praktikum wird über die Geringfügigkeitsgrenze entlohnt. Die Grenze liegt b ei 520 DM im Ostteil u nd bei 610 DM im Westteil. Hier heißt es "Lehrers Kinder" aufgepaßt! Das Landesversorgungsamt zahlt Beamten Beihilfe für private Arzt- und Krankenhausrechnungen, die sich nach der Höhe des Kindergeldes richtet. Und hier sch ließt sich der Kreis: Wenn aufgru nd eines Urlaubssemesters das Kindergeld gestrichen ist, fällt der Beihilfesatz entsprechend geringer aus. Und wehe dem, der in einem solchen Fall ins Krankenhaus muß: Mit gekürztem Beihilfesatz merkt man, wie teuer der Aufenthalt in deut schen Krankenhäus ern sein kann.

Auch wer meint, mit Hilfe eines "durchgejobbten" Urlaubssemesters die chronische Ebbe auf dem Studentenkonto beseitigen zu können, hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Beurlaubte Studierende haben arbeitsrechtlich keinen Studierenden status und sind voll versicherungspflichtig. Dies gilt übrigens auch für Teilzeitstudierende und Doktoranden. Deswegen werden sie auch nicht von den Heinzelmännchen vermittelt, die aber immerhin die Abrechnung für Jobs anbieten, die sich die Betroffen en selbst gesucht hab en. Die Regelung bestand schon immer, doch wurde es früher "nicht so eng gesehen", wie ein Mitarbeiter der Heinzelmännchen mitteilte. In Zeiten, in denen über hohe Versicherungsbeiträge debattiert wird, greifen die Arbeitgebe r eben lieber auf nicht versic herungspflichtige Studierenden zurück. Unbedingt sollte sich jeder mit dem Finanzamt auseinandersetzen und vor Entscheidungen lieber einmal mehr nachfragen, bevor sie/er ein Urlaubssemester einlegt. Nur so ist man vor bösen Überraschungen sicher.

Sonja Nuñez


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