Archäologen präsentieren Schätze im Schloß Charlottenburg

Weihgaben an die Götter


Der Countdown im Charlottenburger Museum für Vor- und Frühgeschichte läuft. Noch drei Monate sind es bis zur Eröffnung der Ausstellung "Gaben an die Götter - Schätze der Bronzezeit Europas" am 17. März. Bis dahin haben Professor Bernhard Hänsel vom Seminar für Ur- und Frühgeschichte und seine Mannschaft-14 angehende Ur- und Frühgeschichtler sowie Mitarbeiter des Museums-alle Hände voll zu tun. Rund 2000 Fundstücke aus der B ronzezeit (2.200 bis 800 v. Chr) gilt es in 32 Vitrinen optimal zu präsentieren: darunter kostbare Schwerter und Lanzenspitzen, prunkvolle Gefäße, Tassen, Becher und Kannen, reich verzierte Gürtelschnallen, Ringe und breite Armreifen . Alles aus Bronze, dem neuen Metall, aus dem damals die Träume der Mächtigen, Reichen und Schönen waren.
Das neue Metall, eine Kupfer-Zinn Leg ierung, hatte gegenüber dem reinen Kupfer viele Vorteile. Bronze war viel härter, ließ sich besser schmieden und vor allem viel leichter gießen. Dadurch war es möglich, kunstvolle Gegenstände herzustellen. Von Beginn an kündete der Besitz von Bronzegegenständen von Rang, Status und Wohlstand des Besitzers. Männer zeigten sich mit Prunkwaffen, Frauen zierten sich und ihre Kleidung mit dekorativem Schmuck.
Bis auf einige Leihgaben stammen alle Bronzeschätze aus den eigenen Museumsbeständen. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg werden sie zu einem guten Teil ans Licht der ·ffentlichkeit geholt. 50 Jahre schlummerten sie auseinandergerissen in den Magazinen der frühgeschichtlichen Museen in Ost- und Westberlin. Erst der Mauerfall ermöglichte deren Zusammenführung und damit diese Schau.
Zur Zeit ist der Ausstellungsraum noch eine einzige große Werkstatt. Handwerker bauen Podeste und Sockel, prüfen die Beleuchtung in den Vitrinen. Nur Eingeweihte finden sich hier zwischen den Exponaten zurecht. Viele liegen in Holzkisten a uf dem Boden. Andere haben bereits ihren künftigen Platz in der Vitrine, wenn auch erst provisorisch. An ihrer Präsentation wird eifrig gearbeitet. Gefeilt wird auch an Formulierungen. Die Aufgabe, wissenschaftlich sehr komplexe Sachverhalte in nur 15 bis 20 Zeilen langen Texte anschaulich darzustellen, ist eine harte Nuß, die die Studierenden zu knacken haben. Statt in der Altensteinstraße Nr. 15 Vorlesungen und Referate zu hören und immer nur von Dias zu lernen, gibt es für sie jetzt Originale zum Anfassen. Zwei Semester lang sind sie selbst Ausstellungsmacher. Jeder ist für eine Vitrine zuständig. Das umfaßt nicht nur die optische und inhaltliche Gestaltung eines Fundkomplexes, sondern auch die wissenscha ftliche Aufarbeitung für den Katalog. Die Artikel dazu sind bereits im Druck.
Eins haben die Bronzeexponate alle gemeinsam: Sie sind sogenannte Depotfunde. Besonders wertvolle Besitztümer wurden damals zusammengetragen und dann zum Beispiel in Tongefäßen vergraben. In der Bronzezeit gab es solche Depots üb erall in Europa.
Professor Hänsel interpretiert diese Depotfunde als Weihgaben für eine oder mehrere Gottheiten. Damit faßt er ein heißes Eisen an. Denn seit langem rätseln die Bronzezeitforscher darüber, warum solche Depots angelegt w urden. Manche sehen darin Verstecke in Notzeiten, als bei drohender Gefahr der wertvollste Besitz schnell noch verborgen wurde und später nicht mehr geborgen werden konnte. Für Hänsel zeigt dagegen die Versenkung von zum Teil äuß erst kostbaren Gegenständen im Moor, im See, mitten in einem Fluß, aber auch im flachen Land -die Fundplätze der meisten Depots-, daß diese Besitztümer absichtlich im Verborgenen bleiben sollten - und zwar als unwiederbringlich dargebrachte Opfergaben. "Durch solche Opfer ließ sich der eigene Reichtum zur Schau stellen und das gesellschaftliche Ansehen erhöhen", erläutert Hänsel. Die genauen Begleitumstände von Opferhandlungen sind unbekannt. Gesang, Tanz und ein Festmahl mit anschließendem Tieropfer gehörten wahrscheinlich dazu.
In der Ausstellung kann der Besucher ganz unterschiedliche Weihgaben sehen. Sie reichen von einzelnen Geräten, wie dem Mischkessel aus Brandenburg, der ursprünglich zu einem Trinkgeschirr gehörte, bis zu den rund 100 kleinen Keramikkan nen, die beim Bau des Steglitzer Klinikums in einem hohlen Eichenstamm entdeckt wurden, oder die 168 Beile aus der Gegend von Halle. Neben typisch 'männlichen' und typisch 'weiblichen' Gaben, einerseits Schwerter, Dolchklingen und Pfeilspitzen, ander erseits Frauenschmuck, gehören dazu auch Trinkschalen und Becher, die bei Gelagen benutzt und dann geopfert wurden. Einmalig ist die Kombination von Schmuckutensilien wie Armstulpen mit Trinkgefäßen aus Sachsen-Anhalt.
Mit der Ausstellung will Hänsel auch die Forschungsdiskussion zur Bronze als Prestigegut im Opfer weiterführen. Dazu gibt's reichlich Gelegenheit, wenn anläßlich der Tagung "Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas", die den Rahmen für die Ausstellung bildet, Experten aus 30 Ländern nach Berlin kommen werden. Auch die Studierenden stehen dann als Ausstellungsmacher im Blickfeld. Mit diesen beiden Veranstaltungen, gefördert von der Stiftung Deutsche Kla ssenlotterie und unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters, findet die Kampagne "Archäologisches Erbe: Die Bronzezeit-Das erste goldene Zeitalter Europas" ihren Abschluß, die der Europarat vor zwei Jahren ins Lebe n gerufen hat.
Die Ausstellung "Gaben an die Götter" ist ein Jahr lang in Berlin zu sehen, danach in Dresden und dann? Die Resonanz bei Besuchern und Wissenschaftlern wird zeigen, wohin die Reise noch geht.
Claudia Bohm


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