Der Folterer fürchtet die Öffentlichkeit


Menschenrechte


Von einem Studium der Skandinavistik an der FU zum Pressesprecher der deutschen Sektion von amnesty international führen nicht so viele Umwege wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Zum landeskundlichen Schwerpunkt des FU Fachbereichs gehören die Geschichte der aufgeklärten Gesellschaften Nordeuropas und das Wesen der modernen Verfassungen, die sich diese lange vor den meisten anderen selbst gaben. Der verwurzelte Glaube an "Gleichheit" betrifft in Schweden, Norwegen und Dänemark nicht allein die möglichst gerechte Verteilung von Chancen und Ressourcen, sondern auch das niedergeschriebene gleiche Recht für alle. In Norwegen gab es schon ein Anti-Diskriminierungsgesetz, als in der Bundesrepublik noch von "Gastarbeitern" die Rede war.


Eleanor Roosevelt mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Sie war Vorsitzende der Menschenrechtskommission, die den Entwurf erarbeitete.


Ihren Willen zur Gerechtigkeit brachten die nordischen Staaten nach dem 2. Weltkrieg auch in die internationale Staatengemeinschaft ein. Es war kein Zufall, daß der erste Generalsekretär der Vereinten Nationen ein Norweger war. Unter Trygve Lie wurde am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Erstmals wurden Menschenrechte wie Religions- und Meinungsfreiheit oder das Verbot der Folter international festgeschrieben. Sie gelten seitdem als unteilbar, unveräußerlich und sollen nicht länger von der freundlichen Gewährung durch nationale Regierungen abhängig sein.

Der 10. Dezember ist seitdem nicht nur der internationale Tag der Menschenrechte, sondern auch der Tag, an dem der Friedensnobelpreis verliehen wird - in Oslo.

Auf der Grundlage dieser Erklärung und nachfolgender UN-Menschenrechtskonventionen - z.B. dem Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte - arbeitet amnesty international weltweit in 53 nationalen Sektionen und mit über 1,1 Millionen Mitgliedern und Förderern. Weil leider traurige Realität ist, daß Regierungen über 150 Staaten ihren Bürgern viele dieser verbrieften Rechte vorenthalten, versuchen wir mit zahlreichen Aktionsformen Druck auf die für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen auszuüben. Trotz aller Rückschläge mit ermutigendem Erfolg: Mit unserem Eilaktionsnetz ("urgent action"), bei dem weltweit über 50.000 Menschen aufgefordert werden, per Telegramm oder Fax binnen Stunden zugunsten von Haft, Folter oder Mord bedrohten Menschen zu intervenieren, gibt es in einem Drittel der Fälle positive Ergebnisse zu melden: Bedrohte werden in Sicherheit gebracht, Inhaftierte erhalten Besuch von Anwälten oder werden ganz freigelassen.

Es gilt: Nichts fürchtet ein Folterer so sehr wie das Licht der Öffentlichkeit.

Gunnar Köhne


Gunnar Köhne, Pressesprecher von amnesty international Deutschland, hat an der FU Skandinavistik studiert und war 1987/88 DAAD-Stipendiat in Norwegen.


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