Im Auftrag der Deutschen Bank:

Holtfrerich hilft, neue Standards zu setzen


Carl-Ludwig Holtfrerich hat Geschichte geschrieben. Bank-Geschichte. Als 1988 die Deutsche Bank mit Blick auf ihr 125jähriges Bestehen in diesem Jahr daran ging, das Jubiläum zu planen, da wurde auch entschieden, die Geschichte des Hauses nicht etwa von der hauseigenen PR-Abteilung schreiben zu lassen, sondern von fünf unabhängigen Wissenschaftlern, denen Zugang zu den Archiven gewährt werden sollte. Alfred Herrhausen, der damalige Bankchef, wollte es so.

Und so ist ein mehr als 1000seitiges Werk entstanden, das in fünf Kapiteln die Geschichte des Geldhauses nachzeichnet. Holtfrerich widmet sich den Jahren 45 bis 57, jener Zeit also, in der das Finanzimperium von den Alliierten zunächst aufgebrochen und in mehrere kleinere Teile zerlegt wurde, in der die Deutsche Bank schließlich aber wieder unter altem Namen zu neuem Leben fand.

Carl-Ludwig Holtfrerich

1989 hatte der Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte den Auftrag der Bank erhalten, 1990 begannen die Recherchen, die ihn auch nach Washington und London führten. In den National Archives der USA lagern die sogenannten OMGUS-Akten, in denen das Untersuchungsmaterial der US-Militärregierung in Deutschland über die Deutsche Bank enthalten ist. Ins Archiv der Bank of England zu gehen lohnte, weil sie während der Besatzungszeit die Bankenpolitik in Deutschland wesentlich geprägt hat.

Und dann die Nachkriegsakten der Deutschen Bank selbst: Nicht ganz komplett, war das Unternehmen doch zunächst in zehn, dann in drei Banken aufgeteilt, aber dennoch äußerst ergiebig. Da fanden sich die offiziellen Entnazifizierungsakten für die Spitzenbänker der Nachkriegsjahre ebenso wie die Handakten von Hermann-Josef Abs, den Holtfrerich auch noch hatte interviewen können.

"Abs", sagt Holtfrerich über den großen alten - 1994 gestorbenen - und wegen seiner Rolle in der Nazizeit höchst umstrittenen Mann der Deutschen Bank, "hat ein gutes Gedächtnis, aber es ist nicht im Detail verläßlich." Die Akten zeichnen oft ein anderes Bild vom Geschehen als es sich im Gedächtnis dieses - wie auch anderer Zeitzeugen - festgesetzt hat. Und "Akten sind verläßlicher als Personen", meint der Forscher, der damit auch eine aktuelle Fragestellung zum Umgang mit Akten und Geschichte beantwortet. Die Bewertung der Akten mag dann wieder etwas anderes sein, verwahrt er sich gegen absolute Aktengläubigkeit.

Mit den Historikern Lothar Gall (Frankfurt), Gerald A. Feldman (Berkeley) und Harold James (Princeton) sowie dem Kölner Ökonom Hans E. Büschgen ist es Holtfrerich offenbar gelungen, ein Werk zu erarbeiten, das neue Standards setzt für die historische Selbstdarstellung von Unternehmen. Statt wohlfeiler Schminke fürs Firmenimage ein aufwendig recherchiertes Stück Geschichte, das auch "die schwere moralische Schuld" der Bank im Nationalsozialismus beschreibt.

Deutsche Bank-Chef Hilmar Kopper, der nach der Ermordung von Herrhausen das Buchprojekt weiter gefördert hat, nahm an dessen Vorstellung nur auf den Zuschauerbänken teil. Er soll auch angeordnet haben, daß niemand aus der Bank Einfluß auf den Inhalt nimmt - vielleicht steht er da ja selbst unter dem Einfluß eines Sohnes, der sich als Historiker mit der Rolle der Banken in der NS-Zeit auseinandergesetzt hat.

Für Holtfrerich (53) war die Erfahrung jedenfalls positiv genug, um gleich den nächsten Bankenauftrag anzunehmen: Aus Anlaß von 50 Jahren D-Mark (1998) recherchiert er für einen Buchbeitrag über die Geld- und Kreditpoltik in der Zeit der festen Wechselkurse von 1948 bis 1970. Diesmal öffnet die Bundesbank ihre Archive. Holtfrerich hat schon mal reingeschaut. In den Weihnachtsferien.

Christian Walther


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