Liebesgaben für FU-Studenten

Hungrig und ohne Bargeld - Der Mensagang zur Nachkriegszeit


"Lindern Sie die Not der Studenten durch ihre Hilfe !", heißt es in einem offenen Brief des Sozialreferats der Freien Universität im September 1948 an die Akademiker der Berliner Westsektoren. Und weiter: "Wer in der Lage ist, einen bedürftigen jungen Menschen bei sich in Pension aufzunehmen oder vielleicht einem solchen einen Freitisch zu gewähren, möge sich an uns wenden."

Im Spätherbst 1948 hatte an der FU der Vorlesungsbetrieb begonnen. Es war die Zeit der Blockade und der Rosinenbomber. Lebensmittel waren knapp. Fast alles mußte eingeflogen werden. Fleisch, Fett, Mehl, Zucker - alles nur auf Lebensmittelkarten. Für die Studierenden an der FU hieß das oftmals nichts anderes, als daß Hunger ihr täglicher Begleiter war. Im Hochschularchiv der FU sind eine Reihe von Texten zu finden, die diese Zeit illustrieren.

Als im Oktober '48 die erste Mensa eröffnet wurde, fehlte es an allem. 2.000 Studenten, aber weder Küchenanlage noch Kessel. Dennoch nahm sie in einer 320 qm großen Doppelbaracke den Betrieb auf. Im nahegelegenen ernährungswissenschaftlichen Institut zubereitet, wurde das Essen in sogenannten Thermophoren in die Mensa gebracht. Eine eigene Küche, 30qm groß, wurde erst ab Februar 1949 eingerichtet. "Damit ist", wie ein Arbeitsbericht des Sozialreferats vom 9. Februar 1949 feststellt , "endlich die Möglichkeit gegeben, auch die Speisung für 600 gesundheitsgefährdete Studenten aus einer 4 1/2 t Spende des Hilfswerk āRettet Berlinā zu beginnen".

Für die entsprechenden Studenten der medizinischen, zahnmedizinischen und pharmazeutischen Fakultät erfolgte eine Sonderregelung. Zu diesen Fakultäten wurde die Speisung täglich mit Kraftwagen transportiert. "Der Kraftstoff konnte durch die Befürwortung von Mr. Johnston", dem damaligen amerikanischen Hochschuloffizier, "beschafft werden", so der Arbeitsbericht. Verschiedene Spenden wurden der FU vom "Berliner Zentralausschuß für die Verteilung von Liebesgaben" zur Verfügung gestellt. Darunter waren 2.765 kg Butter, die an Sozial- und Währungsstipendiaten verteilt wurden. Für eine viermonatige Betreuung von Tbc- Kranken und -Gefährdeten wurden der FU 2.196 kg Milchpulver, 1.098 kg Eipulver, 549 kg Puddingpulver und weitere, große Mengen Reis, Zucker, Nudeln und Konserven übergeben. Die amerikanische Hohe Kommission stellte 14 CARE- Pakete für besonders bedürftige Kommilitonen zur Verfügung, z.B. gesundheitsgefährdete oder kinderreiche Studierende.

Werner-Günter Grimkes, Gründungsstudent und erster Sozialreferent der FU, war Motor der Sammel- wie der Versorgungsarbeiten: "Wir mußten improvisieren - das heißt, wir mußten nicht nur am Tage, sondern auch in der Nacht arbeiten", beschrieb der spätere Geschäftsführer des Berliner Studentenwerkes die Anfangszeiten, die offenbar keineswegs so romantisch waren, wie manches Foto aus jener Zeit vielleicht vermuten läßt.

Anja Riebell/-ther


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