Das Konzept Politikanalyse

(Volker von Prittwitz/September 2010)

 

 

Politikanalyse wird häufig als politikwissenschaftlicher Ansatz betrachtet, in dem die Begriffe policy, politics und polity zentral gestellt sind (Wikipedia). Auch wenn diese Auffassung nicht falsch ist, werden mit ihr nicht die leitenden Überlegungen und Potentiale des Projekts deutlich.

Ausgangspunkt für die eigenständige Thematisierung von Politikanalyse waren zwei Überlegungen: 1) Die in der Policyanalyse entwickelte analytische Vorgehensweise, die Verbindung von Modellüberlegungen, methodisch strukturiertem Vorgehen und Praxisnähe, ist fruchtbar. 2) Der Policybegriff und die sich mit ihm verbindende traditionelle Forschungsorientierung auf verwaltungsnahes Handeln und regulative Steuerung decken nur einen Teil relevanter Politikanalyse ab. Der Begriff der Politik Politik, der zwar nicht am Angloamerikanischen, aber in vielen anderen Sprachen enthalten ist (Les Politiques, La Politica, ....), eröffnet demgegenüber ein angemessen weites Spektrum politikbezogener Analyse. Wie bereits in der ersten Präsentation des Konzepts 1994 formuliert, geht es also um die Frage: Wie lässt sich Politik sinnvoll analysieren?

 

 

 

Analysieren bedeutet wörtlich Auflösen (aus dem Altgriechischen analyomai)  Werden Stoffe in der analytischen Chemie materiell aufgelöst, so richtet sich Analyse üblicherweise darauf, einen Gegenstand nach einem Modell gedanklich aufzulösen, um ihn besser verstehen und handhaben zu können. Analyse ist also modellgestützte, erkenntnisorientierte Untersuchung. Dabei werden Modellgrundlagen (Theorie) und empirische Untersuchungsmethoden bestmöglich miteinander verknüpft, um letztlich praxisrelevante Erkenntnis zu gewinnen.

Mit der Politikanalyse wird dieser Analysebegriff auf Politik bezogen - keine Selbstverständlichkeit angesichts dessen, dass viele Menschen Politik als undurchschaubar oder als nicht rational nachvollziehbare  Kunst interpretieren. Politik soll demnach theoriegestützt empirisch untersucht und so besser verstanden werden. Dabei werden Theoriekenntnisse der Politik und empirische Untersuchungsmethoden bestmöglich kombiniert. Wissenschaftliche Politikanalyse forciert damit die Theorieentwicklung wie die empirische Methodendiskussion der Politikwissenschaft.

Ein häufig verwendetes Basismodell der Politikanalyse gründet sich auf den mehrdimensionalen Politikbegriff aus öffentlichem, allgemeinwohlorientiertem Handeln (public policy), politischem Prozess zwischen Akteuren (politics) und dem institutionell-politischem System (polity). In Rahmen dieses übergreifenden Modells ergeben sich zahlreiche Submodelle. Außerdem kann Politik auch nach anderen Basismodellen analysiert werden.

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Genaueres zur wissenschaftlichen Politikanalyse siehe in:

Prittwitz, Volker von (2007): Vergleichende Politikanalyse, Stuttgart (UTB 2871)

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Wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Formen der Politikanalyse

Da sich der Analysebegriff historisch im wissenschaftsnahen Bereich entwickelte, wird er traditionell auf wissenschaftliche Erkenntnis bezogen. Politik kann jedoch auch in anderen Medien modellgestützt aufgelöst werden, so im Journalismus (Journalistische Politikanalyse)  und in Kunst und Unterhaltung (Beispiel Politisches Kabarett). Auch in nichtwissenschaftlichen Medien werden bestimmte Modellannahmen mit bestimmten Methoden der Auflösung kombiniert. Anders als im wissenschaftlichen Bereich geht es dabei aber nicht primär um allgemeine Erkenntnisse, sondern um tagesaktuelles Verständnis, formale Umgestaltung oder Unterhaltung.

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Prittwitz, Volker von (1994): Politikanalyse, Opladen (UTB 1707), Teil C)

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Die Begriffe Analyse und Politikanalyse (nach: Prittwitz 2007, S. 1-2)

analyse_und_politikanalyse_170910.htm