1. Einleitung


Die Technologische Revolution" bildet das Leitthema der Gegenwart, dem sich Wissenschaft, Wirtschaft und nicht zuletzt die Politik immer intensiver widmen muß. Die stetige Weiterentwicklung des Computers, seiner Verbreitung als Personal-Computer und die Verwendung in fast allen Bereichen des menschlichen Daseins veränderte und verändert weiterhin die normativen Grundstrukturen der Gesamtgesellschaft, vor allem in den klassischen Industrieländern. Der Prozeß des sozialen Wandels hat einen revolutionären Charakter: Er vollzieht sich schnell, radikal und umfassend. Eine Analogie zu der Industriellen Revolution" bietet sich zu Recht.

Von der Erfindung (1690) bis zur ausgereiften Entwicklung der Dampfmaschine vergingen 100 Jahre. Das Ergebnis dieser Erfindung war gewaltig: Die Verwendung der Dampfmaschine als industrielle Antriebskraft und die Konstruktion des Webstuhl Jenny" wurden historisch gesehen die zwei wichtigsten technologischen Auslöser der Industriellen Revolution". Der Begriff bezieht sich auf den wirtschaftlichen Aufstieg seit Ende des 18. Jahrhunderts. In den meisten Industrieländern war der Eisenbahnbau der wichtigste Faktor der raschen wirtschaftlichen Entwicklung. Durch den Bau von Eisenbahnnetzen wurden die Transportkosten gesenkt, die Märkte erweitert und die Entstehung neuer Wirtschaftssektoren ermöglicht. Änderungen von bestehenden Produktionsmethoden und ihre tiefgreifenden Wirkungen in ungewöhnlich kurzer Zeit waren die Folgen. Diese Periode verlangte eine Menge umfangreicher Vorraussetzungen, die die wirtschaftliche Organisation einer Gesellschaft, ihre Politik und ihre Wertvorstellungen bis ins innerste berühren." 1 Die Sozialwissenschaft bezeichnet die neue Wirtschafts- und Gesellschaftsform u.a. als Industriegesellschaft" - eine Gesellschaft, deren Subsistenzmittel im wesentlichen industriell erwirtschaftet werden.

Wenn nun auch die Technologische Revolution" an einer Erfindung festgemacht werden soll, ist es zweifellos die Erfindung des Computers. Auch hier vergingen zwischen der Konstruktion der ersten Maschine, analytical engine", des englischen Mathematikers Charles Babbage im Jahre 1834 und der Benutzung des Computers als elektronischer Rechner nicht weniger als hundert Jahre. 2 Nur mit einem relevanten Unterschied, daß die Wirkung sich viel schneller zeigt und der daraus resultierende Strukturwandel ähnlich radikal, aber diesmal mit atemberaubendem Tempo die Gesellschaft verändert. Es sind wiederum Bahnen, aber diesmal die elektronischen Datenbahnen, auch Datenautobahnen" genannt, über die die neue Technologische Revolution" sich global in unser Bewußtsein einprägt. Zehn Jahre nach Babbage entwickelte sein Landsmann George Boole ein auf der formalen Logik basierendes System, nach dem heute alle Computer arbeiten. Danach werden Aussagen und deren Verknüpfungen mit wahr und unwahr bewertet und diese Bewertung mit plus oder minus, Eins oder Null bezeichnet. Die Entscheidung für einen dieser beiden Werte gilt als Information; in der Computersprache wird diese Information bit genannt. 3

Die Erfindung der als Chip bezeichneten Silizium-Leiterplatte und der Bau von Mikroprozessoren Anfang der 70er Jahre ermöglichten die Herstellung immer kleinerer, preiswerterer und einfacher zu bedienende Computer. Bald waren Stephen Wozniak und Steven Jobs nicht die einzigen Studenten in Silicon Valley, die in ihren Garagen Computerteile zusammensteckten, um ihren Apple" zu bauen. Einfach konzipierte Programmiersprachen begleiteten diese Entwicklung. Harvard-Student Bill Gates und Paul Allen konnten über ihre Firma Microsoft die seit 1965 bekannte und Ende der 70er Jahre von beiden neu konzipierte Programmiersprache BASIC (Beginners All-Purpose Symbolic Instruction Code) weltweit millionenfach vermarkten. Microsoft wurde innerhalb weniger Jahre das größte Software-Unternehmen der Welt. Ähnlich schnell durchdringen Computer unser tägliches Leben: 35% aller amerikanischen Familien und 50% der amerikanischen Teenager besitzen bereits Mitte der 90er Jahre einen Personal-Computer und 65% aller 1994 weltweit verkauften Computer gingen an Privathaushalte. 4 Diese Entwicklung ermöglicht vor allem in den Informations- und Kommunikationssystemen einen noch vor einigen Jahren unvorstellbaren technologischen Fortschritt. Plötzlich können Bits über Datenautobahnen weltweit hin und her geschickt werden. Ein Bit hat keine Farbe, Größe oder Gewicht, und es reist mit Lichtgeschwindigkeit. Es ist der kleinste Bestandteil der Informations-DNS." 5

Der Computer arbeitet an dem Strukturwandel der Industriegesellschaft intensiv weiter. Diese ist in vielen Ländern schon weitgehend informatisiert, digitalisiert, eine andere, postindustrielle, postmoderne Gesellschaft geworden - eine Informationsgesellschaft: Eine Gesellschaft, in der Informationsdienstleistungen das Funktionieren der Prozesse sichern und demzufolge die Informationsdienstleistungsunternehmen die Schlüsselpositionen übernehmen und damit dann diese Strukturen weiter verstärken können." 6

Waren die 80er Jahre der Computergeschichte gekennzeichnet vom personal computing, so werden die 90er Jahre als die Dekade des inter-personal computing in die Geschichte eingehen. Die raschen Veränderungen der Kommunikationsinfrastrukturen in den Industrieländern führten im März 1995 zu einem Weltwirtschaftsgipfel der G7-Staaten zur Informationsgesellschaft.

Die Revolution der Digitalisierung der Medien war von Anbeginn durch Komplexität und Innovationsfreudigkeit gekennzeichnet. Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Telefon-, Radio-/Fernseh- und Datenübertragungsnetzwerke wachsen diese bislang differenzierten Dienste immer mehr zusammen. Zukünftige Kommunikationsschnittstellen werden das Verschmelzen verschiedener Technologien ergonomisch umsetzen. Diesen Verschmelzungsprozeß bezeichnet man in den USA als digital convergence. Inzwischen sind Computer erhältlich, die mit Telefon-, Datenübertragungs-, Sound-, Video- und Fernsehfunktionalität ausgestattet sind. Die Geräte der Zukunft werden wesentlich kleiner gestaltet sein, ähnlich dem Trend, wie man ihn bei den Handy-Funktelefonen bemerken konnte. Ihre Vorläufer sind die heutigen PDAs (Personal Digital Assistants).

Von der US-Regierung unter Präsident Clinton geprägt und in das Regierungsprogramm aufgenommen wurde der Begriff des Information Superhighway". Das politisch flankierte Schlagwort Information Superhighway widerspiegelt das Potential, welches sich hinter den neuen Medien verbirgt und ist zugleich eine Vision für zukünftige Märkte ganzer Industriezweige. Zu den gegenwärtig vieldiskutierten Anwendungen, die sich hinter dem Begriff Information Superhighway verbergen, zählen unter anderem:

Es läßt sich heute noch nicht exakt das komplette Spektrum von Anwendungen voraussehen, die im Zuge von Neuentwicklungen digitaler Kommunikationstechnologien evolvieren werden. In Japan, den USA und auch in Europa laufen zahlreiche Pilot-Projekte zu den oben aufgeführten Punkten.

Als Vorläufer des Information Superhighway kann ohne Zweifel das heutige Internet betrachtet werden. Als globales, digitales Netzwerk dient es mit Hypermedia-Anwendungen wie dem World Wide Web als Basis für ein Zukunfts-Szenario, in dem virtuelle Welten unseren Alltag ergänzen werden.

Angesichts der zu erwartenden gewaltigen Veränderungen, die die gesamte Medienbranche vielleicht schon bald auf den Kopf stellen werden (oder bereits haben?), entsteht das Bedürfnis, sich mit den neuen digitalen Medien zu befassen und zu klären, was und für wen sie sind und wie sie funktionieren.


1.1 Problemstellung


Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung der Einsatzbedingungen und Funktionsweise von audio-visuellen Informations- und Kommunikationstechnologien, wie sie in Computer-Netzwerken seit Mitte der 90er Jahre erforscht, weiterentwickelt und angewendet werden. Das soll speziell mit Multimedia-Anwendungen im Internet verdeutlicht werden.

Ausgehend von einer Recherche nach neuen interaktiven Multimedia-Programmen und -Basistechnologien, die sich für den Einsatz vernetzter Computer eignen könnten, wurden diese hinsichtlich ihrer technologischen Gegebenheiten als Kommunikationsmittel und -prozesse empirisch untersucht und die Ergebnisse komplexitätsreduzierend beschrieben. Folglich finden sich in der Arbeit Ansätze aus der Kommunikations-, der Kognitions- und der Anwendungsforschung für Informations- und Kommunikationstechnologien wieder. In seiner Eigenschaft als Apple Developer standen dem Autor themenspezifische Informationsquellen, Besuche von Entwicklerkonferenzen und Dialoge mit Experten für die Ausarbeitung des Themas hilfreich zur Seite. Die Bereitstellung eines Internet-Anschlusses durch die Universität begünstigte die Durchführung zahlreicher Experimente mit neuen Kommunikationsmitteln und -prozessen. Für die empirische Ausarbeitung kamen viele Hilfsmittel in Form von Soft- und Hardware zum Einsatz, u.a.:


1.2 Aufbau der Arbeit


Im Rahmen einer Hausarbeit ist ein Fokussieren auf bestimmte Teilaspekte unerläßlich. Im Kontext zum quantitativ üblichen Umfang muß ein geeigneter Filter gefunden werden, der eine sinnvolle Beschränkung auf bestimmte Teilaspekte der neuen Medien bietet. In diesem Sinne sollen in dieser Arbeit Medien bzw. Technologien beschrieben werden, die folgende Kriterien erfüllen:

  1. digitale Technologie
  2. audio-visuelle (multimediale), globale Kommunikation
  3. Interaktivität
  4. Nutzung des Internet als weltweit verfügbare Netzwerk-Infrastruktur und probabler Information Superhighway Vorläufer.

Durch die Forderung nach Einhaltung dieser Kriterien ist es legitim, Aspekte wie z.B. den digitalen Hörfunk, klassische" TV-Programme oder klassische" Internet-Dienste (e-mail, ftp, telnet, archie, gopher, lynx, etc.) von einer Betrachtung auszuschließen. Ebenso sollen lokale Multimedia-Anwendungen, die z.B auf CD-ROM oder DVD (Digital Versatile Disk) basieren, ausgeklammert werden. 7 In den Mittelpunkt der Betrachtungen rücken somit Internet-Anwendungen und Technologien, die eine Person hören, sehen und handeln lassen. Sie werden i.d.R. unter dem Begriff distributed multimedia - verteiltes Multimedia - zusammengefaßt, da die Informationsübertragung über ein Netzwerk erfolgt. Das Internet bildet als globales Netzwerk die für verteiltes Multimedia benötigte Infrastruktur und ist von daher grundlegend für die in sechs Arbeitsschritten erfolgte Vorgehensweise:


1. ROSTOW, Walt W.: Die Phase des Take-off. In: ZAPF, Wolfgang (Hrsg.): Theorien des sozialen Wandels. 4. Auflage. Königstein/Ts. 1979, S. 307

2. WEIDENFELD, Christian S. (Hrsg.): Computer Lexikon von A bis Z. Niederhausen/Ts. 1993, S. 29

3. WEIZENBAUM, Joseph; Klaus HAEFNER: Sind Computer die besseren Menschen? Ein Streitgespräch. Hrsg. von Michael HALLER. München - Zürich 1992, S. 16

4. NEGROPONTE, Nicholas: Total Digital. Die Welt zwischen 0 und 1 oder Die Zukunft der Kommunikation. München 1997, S. 11

5. NEGROPONTE, Nicholas: Total Digital. Die Welt zwischen 0 und 1 oder Die Zukunft der Kommunikation. München 1997, S. 22

6. WERSIG, Gernot: Fokus Mensch: Bezugspunkte postmoderner Wissenschaft: Wissen, Kommunikation, Kultur. Frankfurt am Main; Berlin etc. 1993, S. 20

7. Ein neuer Trend könnte von CD-ROMs ausgehen, die eine Online-Verbindung als Teil der Anwendung vorsehen. Man denke z.B. an ein Spiel, bei dem die Video-Clips von der CD-ROM geladen werden und darüber hinaus die Möglichkeit besteht, über einen Online-Zugang mit mehreren Spielern zusammen spielen zu können.



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