Bergungsarbeiten vor unseren Küsten

Bei den vielen Wracks im deutschen Nordseegebiet stellt sich der Laie sicherlich unwillkürlich die Frage, warum werden sie nicht - vielleicht noch mit Gewinn - beseitigt? Ein Außenstehender kann jedoch kaum die Schwierigkeiten und die Höhe der Geldaufwendungen abschätzen, mit denen Unterwasserarbeiten in unseren Bereichen verbunden sind. In erster Linie sind sie sehr wetterabhängig. Auf hoher See kann, je nach Objekt, nur bis zu Windstärken von drei bis vier noch gearbeitet werden. Tauchen zum Sondieren der Wracklage, zum Anbringen von Trossen oder Legen von Sprengladungen ist dazu nur zur Stauwasserzeit zwischen Ebbe und Flut möglich, tagsüber alle sechs Stunden für 30 bis 40 Minuten. Zumeist sind diese Arbeiten tastend auszuführen, da es an Sicht unter Wasser mangelt. Ein weiteres Problem ist, daß ein in der Elb-, Weser- oder Emsmündung gesunkenes Schiff sehr schnell versandet. Es muß bei einer Beseitigung schon nach kurzer Zeit regelrecht ausgebaggert werden. Dabei darf die Schiffahrt von derartigen Arbeiten, wenn sie im Fahrwasserbereich auszuführen sind, keine Behinderung erfahren. Das heißt, daß bei Nebel oder des Nachts die Bergungsfahrzeuge aus Sicherheitsgründen ihre Arbeitspositionen räumen müssen. Um das Risikomaß der Bergungsfirmen voll zu machen, auch heute noch gilt bei Bergungs- bzw. Räumungsverträgen der berühmt- berüchtigte Passus "Kein Erfolg Keine Zahlung". Alle diese Fakten ergeben, daß Unterwasserarbeiten an Wracks sehr teuer sind. Ein hartes Geschäft, unromantisch und nur vom ökonomischen Kalkül bestimmt. Für den Laien zur Erläuterung: "Bergen" beutet, ein gesunkenes Schiff in einem Stück zu heben, von "Räumen" reden die Fachleute, wenn es beispielsweise durch Sprengungen in Einzelteile zerlegt durch einen Greifer an die Wasseroberfläche zurückgeholt wird. Hochkonjunktur in der Wrackbeseitigung gab es in der Zeit unmittelbar nach dem 8. Mai 1945. Damals waren als Hinterlassenschaft des Krieges Hunderte von Wracks aus den lebenswichtigen Verkehrsadern Elbe, Weser, Ems und der Deutschen Bucht zu entfernen. Gute Bezahlung neben hohen Schrotterlösen ließen eine Unmenge von Bergungsunternehmen wie Pilze aus dem Boden schießen. Inzwischen ist der Boom vorbei, die Schrottpreise sind im Keller und die Konjunkturritter wieder von der Bildfläche verschwunden. Nur noch einige Firmen sind im Geschäft und lauern auf die wenigen, zumeist vom Staat vergebenen Aufträge. Technisch, so kann man ohne Übertreibung sagen, ist heute fast jede Bergung oder Räumung möglich. Stehen die Kosten dem erhofften Erlös aus den Wrack- und Ladungsresten in einem gesunden Verhältnis gegenüber, wird es daher an den technischen Möglichkeiten kaum scheitern. Sicht es anders aus, verbleibt das gesunkene Schiff in seinem nassen Grab. Es sei denn, daß es im Bereich einer Schiffahrtsstraße stört. In diesem Fall spielt der Kostenfaktor eine untergeordnete Rolle. Die Sicherheit der Schiffahrt hat Vorrang. Noch ein paar Worte zu dem weitverbreiteten Irrglauben, ein von der Besatzung verlassenes oder auch ein gesunkenes Schiff könnte sich jeder, sofern er die Möglichkeit hat, aneignen, weil besitz- oder herrenlos. Dem ist nicht so. Eigentumsrechte eines Reeders, einer Versicherung oder eines Staates werden durch die "Besitznahme" eines Bergers nicht angerührt, allenfalls hat dieser Anspruch auf einen Bergelohn.