3. Belegschafts-Buy-Out (BBO) und Mitarbeiterkapitalbeteiligung (MKB)

Im Zuge der MBO-Politik sah die Treuhandanstalt auch im Verkauf der Betriebe an die jeweili-gen Belegschaften prinzipiell eine Privatisierungsmöglichkeit unter der Voraussetzung eines schlüssigen Finanzierungs- und Unternehmenskonzepts. Im März 1992 gab die Treuhand be-kannt, daß es sich von den damals 1.1OO MBO-Betrieben in 110 Fällen um Beleg-schafts-Buy-Outs handeln würde (Berliner Zeitung, 23.3.1992: 30). Diese Angabe entsprach exakt der Untersuchung von Gloede, der für Sachsen auf den Prozent-satz genau ebenfalls feststellte, daß jedes zehnte MBO als Belegschaftsbetrieb weitergeführt wird (vgl. Gloede 1991: 19).

Die Treuhand mußte ihre Angabe jedoch korrigieren. Nach einer Untersuchung des Instituts für Wirtschafts- forschung in Halle gibt es schätzungsweise 138 Betriebe, die eine Mitarbeiterkapi-talbeteiligung (MKB) praktizieren (Institut für Wirtschaftsforschung Halle 1992: 1). Die For-mulierung MKB läßt bewußt offen, wie hoch diese Beteiligung am Gesamtkapital ist und ob die Beschäftigten mehrheitlich beteiligt sind. Ebenso wie MBOs finden auch Belegschafts-Buy-Outs und Mitarbeiterkapitalbeteiligung eine Entsprechung in den USA in den dort seit vielen Jahren praktizierten Employee Stock Ownership Plans (ESOPs). Mittlerweile existieren dort über 10.000 solcher ESOP-Betriebe, in denen über 11 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt sind.

Bei einem ESOP werden den Arbeitnehmern und Managern in einem vielfältig vernetzten Sy-stem durch Steuererleichterungen, zusätzliche Sozialleistungen und günstige Kredite Kapitalan-teile an ihrem Unternehmen übertragen. Über 1.500 ESOPs sind mittlerweile mehrheitlich im Besitz der Mitarbeiter. Da ESOPs zumindest in der Anfangszeit stark verschuldet sind, ist der Einfluß der Gläubiger, und Banken jedoch in aller Regel übermächtig und verhindert dadurch einen direkten Einfluß der Arbeitnehmer auf die Geschäftsführung (Levin 1984: 251). In ca. 50 - 100 ESOP-Betrieben jedoch wird unabhängig von den Anteilsrechten nach dem demokrati-schen Prinzip 'one-person/ one-vote' entschieden (Ellermann 1990: 115).

Der National Center for Employee Ownership (NCEO) in Oakland/ Californien stellte in einer Studie von 37 ESOP-Betrieben ein geringfügig höheres betriebwirtschaftliches Gesamtergebnis in Höhe von zwischen 3 - 4 % pro Jahr im Vergleich zu Nicht-ESOP-Betrieben fest. Deutlich höher fiel der Unterschied zwischen den Vergleichsbetrieben jedoch bei einer Kombination von einer reinen Kapitalbeteiligung in Form eines ESOPs und einer partizipativen Entscheidungsstruktur aus. Wurde ein ESOP mit erweiterten Mitbestimmungsregelungen verbunden, steigerte sich das jährliche Betriebsergebnis auf 11 - 17 % im Vergleich zu herkömmlichen Betrieben ohne ESOP-Beteiligung und ohne Mitbestimmungsrechte (Rosen 1991: 30). Der Grundgedanke eines BBO oder einer MKB besteht darin, daß nicht wie bei einem MBO sehr wenige Manager sehr viel Kapital aufbringen (und sich hoch verschulden), sondern viele Beschäftige jeweils nur einen relativ geringen Betrag aufwenden und dann in der Summe aber ebensoviel Kapital aufbringen können. Grundsätzlich lassen sich BBO- und MKB-Betriebe in verschiedene Hauptformen differenzieren:

- Betriebe mit einer reinen, unterparitätischen MKB; bei dieser auch in den alten Bundeslän-dern praktizierten Form können die Beschäftigten in geringfügigem Maß Anteilsscheine an ihren Unternehmen erwerben, ohne dadurch gleichzeitig zusätzliche Entscheidungsrechte oder Mitbestimmungsmöglichkeiten zu erlangen.

- Kombination von MKB und MBO; hier beteiligen die MBO-Manager ihre Beschäftigten am Betrieb, um die Kapitalbasis zu verbessern; auch in diesem Fall sind die Beteiligten meist nur stille Gesellschafter ohne entsprechende Mitbestimmungsrechte.

- BBO-Betriebe bzw. Mitarbeitergesellschaften; in diesen zahlenmäßig geringen Fällen übernehmen Belegschaften kollektiv und mehrheitlich ihren Betrieb; die Führungskräfte sind den Beschäftigten verantwortlich.

- Sonderformen: z.B. Industriemontagen (IMO) Leipzig; da sich für dieses Unternehmen kein Käufer fand, beschlossen die Beschäftigen, den Betrieb zu übernehmen. Um die erforderliche Kaufsumme aufbringen zu können, wurde eine externe Kapitalgesellschaft mit einem Minderheitsanteil von 49,9 % beteiligt. Die Beschäftigten halten mit den Geschäftsführern eine Mehrheit von 50,1%, wobei das Bundesland Sachsen für die Einlagen der Belegschaft im Konkursfall bürgt.

Die am häufigsten vorkommende Form ist das MBO mit MKB. Das Institut für Wirtschaftsfor-schung Halle (IFW) hat 138 Betriebe über ihre Art der MKB befragt (Institut für Wirtschafts-forschung). Allerdings ist davon auszugehen, daß erheblich mehr Betriebe eine MKB praktizie-ren, diese aber nicht bekannt sind. Von den 138 Betrieben konnten 58 in die Analy-se einbezogen werden, da viele Antworten unvollständig oder lückenhaft waren. Nach der vorliegenden Untersuchung stammen die Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligung zu 50% aus dem Dienstleistungsbereich. Weitere 20% gehören zur ebenfalls wenig kapitalintensiven Bau-branche oder zu 10% zur Handelsbranche. Die Unternehmensgröße liegt meist unter 100 Be-schäftigen. Nur jeder achte Betrieb hat mehr als 250 Mitarbeiter. Diese Angaben legen nahe, daß die Einstiegshürde für eine finanzielle Beteiligung in weniger kapital- und investitionsinten-siven Wirtschaftsbereichen am geringsten ist. Allerdings haben ein Drittel aller MKB-Betriebe mehr als 100 Mitarbeiter und 12% sind dem investitions- oder produktionsgüterproduzierenden Gewerbe mit entsprechend hoher Kapitalintensität zuzuordnen, woraus zu schließen ist, daß für eine MKB oder ein BBO im Prinzip alle Branchen und Unternehmensgrößen geeignet sind.

Die Mitarbeiterbeteiligung besteht in 78% der Fälle in der Übertragung von GmbH-Anteilen, wobei nur bei 5% die Form einer stillen Beteiligung gewählt wurde. Die Ziele der Einführung einer MKB lagen zu fast 80% in dem Bestreben, dadurch die Fortführung des Unternehmens zu gewährleisten. 74% der befragten Firmen gaben an, die Motivation der Belegschaft erhöhen zu wollen und über 30% strebten eine Partizipation der Beschäftigten am Produktivvermögen an (Institut für Wirtschaftsforschung 1992: 3). Die Initiative zur MKB ging in 35% der Unternehmen von der Belegschaft aus, was auf ein star-kes Interesse der Beteiligten schließen läßt. Eine Sicherung des Arbeitnehmerrisikos ist meist nur über die Wahl der Rechtsform erfolgt. Aber auch bei der beschränkten Haftungsform einer GmbH wären die Einlagen im Konkursfall für den Arbeitnehmer verloren. Insgesamt ist die Re-sonanz auf MKB jedoch positiv: 93% der Geschäftsleitungen und 81% der Beschäftigen wür-den sich wieder an einer MKB betei1igen (Wegner 1992: 31). Nach Bundesländern aufgeteilt fallen starke regionale Unterschiede bezüglich der Verteilung der MKB auf. In Sachsen bestehen bei 61,6 % der ca. 800 MBOs zugleich auch MKBs. Dabei sind in 32,9 % der Fälle die leitenden Angestellten beteiligt, bei 23,5% ist eine Beteiligung der leitenden Angestellten mit einer Belegschaftsbeteiligung kombiniert und in 5,2% aller MBOs besteht eine reine Belegschaftsbeteiligung (DNU 4/93:1-2). In Mecklenburg-Vorpommern sind dagegen nur in 8,7% aller Betriebe nichtleitende Belegschaftsangehörige an ihrem Betrieb, in dem sie beschäftigt sind, mit Kapitaltanteilen am Produktivvermögen beteiligt (DNU 1/94: 2).

Die entscheidende Frage nach der jeweiligen Höhe der MKB und nach der Anzahl der beteilig-ten Beschäftigten blieb in den Untersuchungen unbeantwortet und konnte auch nach mehrfachen Rückfragen beim Institut für Wirtschaftsforschung und bei der Treuhandanstalt nicht beantwor-tet werden. Wenn man von den in der Studie der Universität Potsdam bis Ende 1991 nachge-wiesenen mindestens fünf Belegschafts-Buy-Outs in Sachsen ausgeht und diese Anzahl analog dem MBO-Anteil in Sachsen von 27% auf die anderen fünf neuen Länder hochrechnet, kann man schätzungsweise von ca. 20 reinen Mitarbeiterbetrieben auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ausgehen. Auch wenn es aufgrund der z.T. mangelnden Kenntnisse der Treuhand, aber auch deren Weigerung, entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen, keine exakten Untersuchungen gibt, ist stark anzunehmen, daß BBOs ebenso wie MBO- und MKB-Betriebe vor allem in Branchen wie dem Baugewerbe oder der Dienstleistungen (z.B. Software) erfolgten. Beispielhafte Betriebe sind hier sicherlich die Baufirma ´Bau Königs-Wusterhausen´ mit 230 Be-schäftigten (Luft 1992: 192) und ein Betrieb der Bauplanung in Plauen mit 130 Mitarbeitern, die ihren Betrieb jeweils als Belegschaft von der Treuhand abkauften und sich nun selbst als Mitarbeiterbetrieb weiterführen.

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