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"Wissenstradierung in arabischen Biographien des 13. Jahrhunderts. Computergestützte Analyse und Dokumentation der Lebenswege von Ibn Khallikân und seinen Zeitgenossen"

English version

(DFG-Projekt)

Schlagwort: "Wissen und arabische Biographie"

Leitung: Prof. Dr. Renate Jacobi

wissenschaftliche Bearbeitung: Dr. Gerhard Wedel (gwedel@zedat.fu-berlin.de)
(Seminar für Semitistik und Arabistik Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin, Altensteinstr. 34, 14195 Berlin; Tel. 8385-2698, -3567)

Laufzeit: Februar 2000 - Januar 2002



Zusammenfassung
In diesem Projekt soll die Beziehung zwischen individuellem Lebensweg, Wissen und Wissensvermittlung anhand der Lebensläufe einer Gruppe von etwa 90 Männern und Frauen im islamischen Kulturkreis des 13. Jahrhunderts untersucht werden.

Diese Gruppe ist eine Auswahl von Zeitgenossen aus den insgesamt etwa 900 Personen, die Ibn Khallikân (lebte 608-681 AH / 1211-1282 AD) in seinem biographischen Lexikon: "Wafayât al-a`yân wa-anbâ' abnâ' az-zamân" (Biographien verstorbener Persönlichkeiten und Nachrichten über die Zeitgenossen) beschrieben hat. Zusätzlich soll das Leben Ibn Khallikâns aus seinen autobiographischen Bemerkungen, die er in die Artikel zu seinen Zeitgenossen einfügte, rekonstruiert werden.

"Wissen" bleibt bei dieser Analyse nicht auf traditionelles religiöses Wissen wie Koran, Hadith und Fiqh beschränkt, sondern umfaßt jegliches von den beteiligten Personen als "kulturelles Kapital" verwendete Wissen.

Als Untersuchungsmethode ist eine interdisziplinäre Kombination von linguistischen, historisch-philologischen und von sozialwissenschaftlichen Methoden mit Computerunterstützung vorgesehen.

Als erster Komplex wird Ibn Khallikâns Sprachgebrauch systematisch analysiert und dokumentiert. In einem zweiten Komplex soll die genannte Gruppe von Personen unter einer biographischen Perspektive, das heißt von individuellen Lebensläufen ausgehend, in ihrer sozialen Verflechtung analysiert und dokumentiert werden.

Zielstellungen
  • die Gelehrtensprache Ibn Khallikâns in seinen Biographien verstehen
  • die sozialen Strategien der Gelehrten im 13. Jahrhundert erforschen, wie sie die Weitergabe von Wissen mit der Bewahrung von ökonomischem und sozialem Status verbanden
  • einen Beitrag zur Geschichte islamischer Gesellschaften mit den Forschungsschwerpunkten Wissenstradierung und arabische Biographik liefern
  • die systematische Erschliessung arabischer Biographien und ihre Dokumentation als Textkorpus auf digitalen Datenträgern im universell kompatiblen Datenformat UniCode vorbereiten
Methoden
Die leitende Fragestellung des Projekts - "Welche Faktoren einer individuellen Biographie sind für spezifische Formen von Wissen und Wissenstradierung in einer islamischen Gesellschaft verantwortlich?" - spricht zwar den grossen Rahmen der Gesellschaftsgeschichte an, soll aber im Bewußtsein der Beschränkungen durch Quellengattung, Forschungsgegenstand und Zeitrahmen zu historisch nachvollziehbaren Aussagen führen. Insbesondere der Bereich Gesellschaft und Kultur ist hier angesprochen, da es darum geht, zu untersuchen, wie die Gelehrten ihre Gesellschaft mittels der arabischen Biographik darstellen. Aber auch Aspekte von Herrschaft und Wirtschaft in Bezug auf die einzelnen Personen sollen berücksichtigt werden, soweit sie aus der Quelle ersichtlich sind.

Einerseits ergibt sich daraus eine bestimmte Reichweite der möglichen Aussagen, anderseits soll durch Methodenvielfalt die Quelle optimal ausgeschöpft werden:

  1. Sprachanalyse: historischen Sprachgebrauch der Gelehrtenfachsprache in arabischen Biographien zur Untersuchung der expliziten Textebene mittels Sprachstudien von Wortfeldern zu: Wissen, Tradierung, Lebenslauf, Lehrstätten verstehen
  2. qualitative Inhaltsanalyse: historische Begriffsbildung zur Analyse der impliziten Textebene der biographischen Artikel, um die sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen zu rekonstruieren
  3. Netzwerkanalyse: persönliche Verknüpfungen über verschieden charakterisierbare Parameter wie Verwandtschaft und Ethnie (biologische Genealogie), Wissenstradition ("Wissensgenealogie" = Isnad der Lehrer - Schüler-Verhältnisse), Affiliation zu religiösen Gruppen (Rechtsschulen, Sufikonventen etc.), Abhängigkeit von bestimmten Dynastien nachweisen
Vorgehen
Diese Untersuchungen werden - nicht zuletzt wegen des Umfangs der Texte von etwa 3000 arabischen Textseiten - erst durch den konsequenten Computereinsatz im Projekt möglich, da es in diesem Projekt auf
  1. alle Texte des biographischen Lexikons "Wafayat al-A'yan" scannen = qualitative Datenbasis (Volltext-Korpus)
  2. biographische Datenbank = quantitative Datenbasis
  3. Textanalyse = KWIC-Indices, Kollaktionslisten, etc.
  4. Inhaltsanalyse der Biographien der Zeitgenossen von Ibn Khallikân = Bildung historischer Kategorien
  5. Synthese: Darstellung der Forschungsmethoden und -ergebnisse
  6. Dokumentation der Quellen und Ergebnisse auf CD-ROM
Vorarbeiten zum Projekt von Gerhard Wedel
  • Linking Arabic Biographical Data to Reconstruct Arabic History. Proposals to Design a Biographical Information System. In: Proceedings of the 5th International Conference and Exhibtion on Multi-lingual Computing ICEMCO. Cambridge 11-13 April 1996. Convenor: Dr. Ahmad Ubaydli, 7.4.1 - 7.4.14.
  • Content Analysis Versus Text Retrieval or Hypertext Linking. Qualitative Analysis of Arabic Biographical Texts from the 13th Century A.D. In: Proceedings of the 6th International Conference and Exhibition on Multi-lingual Computing. University of Cambridge ICEMCO, 17-18 April 1998. Convenor: Dr. Ahmad Ubaydli, 4.4.1 - 4.4.18.
  • Zur Terminologie der islamischen Wissenstradierung. Probleme bei der computergestützten Inhaltsanalyse arabischer Biographik. In: Akten des 27. Deutschen Orientalistentages (Bonn - 28. September bis 2. Oktober 1998). Norm und Abweichung. Hg. Stefan Wild und Hartmut Schild. Ergon Verlag Würzburg 2001, pp. 257-268
Weitere Arbeiten zum Projekt von Gerhard Wedel
  • Lebensweg, Wissen und Wissensvermittlung. Arabische Biographik im 13. Jahrhundert. (Vortrag in der Sektion: Selbstzeugnisse in transkultureller Perspektive. 43. Deutscher Historikertag in Aachen 2000)
  • Turning Arabic Texts into Active Documents. (Vortrag: Workshop 'ARABIC Language Processing: Status and Prospects' Juli 2001 in Toulouse (http://www.elsnet.org/acl2001-arabic.html; Text online: http://www.elsnet.org/arabic2001/stede.pdf )
  • Die Selbstdarstellung Ibn Khallikans in seinem biographischen Lexikon Wafayat al-A'yan. (Vortrag auf dem 28. Deutschen Orientalistentag in Bamberg 2001, Sektion Arabistik)
  • Interkulturalität in arabischen Biographien in Ibn Khallikans Wafayat al- A'yan (13. Jahrhundert). (Vortrag auf dem 28. Deutschen Orientalistentag in Bamberg 2001: Panel Interkulturalität und Intertextualität: Die Entstehung von Genres durch transkulturlle Interaktion)
  • Ibn Khallikan als Literaturkritiker? Zur Rezeption von Dichtung in der Biographik. (Vortrag: im Internationalen Symposium: Rezeptionsprozesse im Kontext der arabischen Literatur. Seminar für Semitistik und Arabistik der Freien Universität Berlin 2001)
  • Medicine as an integrative factor in Medieval Islamic societies. Physicians as mediators in multi-religious, multi-ethnical and multi-cultural social environments? In: Alain Touwaide: "Science at the Frontiers - Medicine and Cultures in the Ancient World". Mexico: XXI International Congress of History of Science. (Science and Cultural Diversity) 2001 (im Druck)
Zusammenarbeit
Prof. Manfred Stede (Professor für Angewandte Computerlinguistik, Universität Potsdam: http://www.ling.uni-potsdam.de/~stede/
http://www.ling.uni-potsdam.de/people/index.html)

Gemeinsames Projekt: "Retrieval of ancient-arabic texts"
Weitere Informationen: http://www.ling.uni-potsdam.de/cl/cl/res/forsch_arabic.html/SiCoPS/id_fa/SiCoPS.html

Veröffentlichung:
Turning Arabic Texts into Active Documents. (Vortrag: Workshop 'ARABIC Language Processing: Status and Prospects' Juli 2001 in Toulouse (http://www.elsnet.org/acl2001-arabic.html;
Text on-line: http://www.elsnet.org/arabic2001/stede.pdf)