Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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4.3. Finanzierung des Grundeinkommens (Übersicht III)

In einem dritten Schritt muß die Finanzierung der in Übersicht II als Endsumme verbleibenden Mehrbelastung des Sozialbudgets aus dem allgemeinen Budget geprüft werden. Die gesamte Finanzierung des sozialen Netzes wie auch des gesamten übrigen Staatsapparates ruht auf drei Säulen: Umlagenfinanzierung (durch Beiträge zur Pensions-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, zum Familienlastenausgleichsfonds, diversen sonstigen Fonds), direkte Steuern (Lohn- und Einkommensteuern, Vermögensteuer, Gewerbesteuern, Erbschaftssteuern und ähnliches) und den großen Bereich der indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Zölle, Verbrauchssteuern, wie Mineralöl- oder Tabaksteuer, Kraftfahrzeugsteuer usw.), deren Lasten in verschiedenen Ländern ungleich verteilt sind (vgl. Graphik).

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Bei einem Bruttoinlandsprodukt der österreichischen Volkswirtschaft in der Größenordnung von tausend Milliarden Schilling beträgt das Sozialbudget allein rund zweihundertfünfzig Milliarden, wovon der größte Teil als "Einkommen der Privathaushalte" in Form von Pensionen und Arbeitslosengeldern in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung aufscheint. An direkten Steuern flossen 1983 128 Milliarden Schilling in die Staatskasse, an indirekten Steuern 154 Milliarden. Tatsächlich wird bereits heute in Österreich (und in unseren Nachbarstaaten dürfte dies kaum anders sein) weit mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes über die öffentliche Hand (Bund, Länder, Sozialversicherungsträger und Fonds) "ausgegeben", oft mit gigantischem Verwaltungsaufwand Die Frage, um die es eigentlich geht, ist nicht, wie hoch ist die Gesamtbelastung an Sozialversicherungsbeträgen und Steuern (derzeit in Österreich rund 42%), sondern die Frage: was geschieht damit? Kommen diese Beiträge in Form von Investitionen, Gemeinschaftseinrichtungen, Unterstützungen für Familien, Alte und Kranke zurück, oder werden sie verwendet für aufgeblähte Verwaltungsapparate überflüssige Kontrollorgane und lebensfeindliche Investitionen wie Mammutkrankenhäuser oder überdimensionierte Straßen?

Die Art der Finanzierung eines Grundeinkommens hängt ganz wesentlich von seiner Form, der Höhe und der Zahl der Bezieher ab. Zwar könnte ein allgemeines Grundeinkommen die meisten heute bestehenden Absetzbeträge und Freibeträge ersetzen und so bei der weit überwiegenden Zahl der Bezieher von Grundeinkommen und sonstigen Einkommen zur Einkommensneutralität führen (eventuell mit einer Umverteilung zugunsten der Familien). Wenn jedoch das Arbeitsvolumen im offiziellen Sektor abnimmt, und wenn die verbleibende Arbeit nicht auf möglichst viele Personen verteilt wird, wird es immer weniger möglich sein, Steuer- und Sozialversicherungssysteme direkt an die Arbeit zu binden. Auf längere Sicht müßten daher andere Bemessungsgrundlagen Ausfälle bei der Lohnsteuer und den lohnbezogenen Sozial-"Steuern" ersetzen.

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, Steuern anzusetzen:

a) Steuern auf Produktionsfaktoren: Kapital (einschließlich der natürlichen Ressourcen Boden, Rohstoffe, Energie) und Arbeit;

b) Steuern auf Verbrauch.

Soll der Faktor "Arbeit" weniger stark besteuert werden (wir zählen auch Sozialversicherungsbeiträge und Beiträge zu verschiedenen Fonds zur "Besteuerung"), so müßten dafür andere Produktionsfaktoren belastet werden. Eine solche Umschichtung kann durchaus im Interesse auch der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit sein.

Im Rahmen einer ohnedies notwendigen großen Steuerreform müßte der Veränderung der Wirtschaftsbedingungen durch Einbeziehung neuer Steuergrundlagen Rechnung getragen werden.

zu a) Bei einer Steuer auf die Produktionsfaktoren kämen in Frage:

- Steuer auf Ressourcenverbrauch. Die Besteuerung nicht erneuerbarer Rohstoffe (in diese Kategorie könnte auch die Besteuerung des Verbrauchs von Wasser und reiner Luft fallen) hätte neben dem Zweck der Steueraufbringung vor allem die politische Zielsetzung, zu möglichst sparsamem Umgang mit Rohstoffen, deren Verbrauch eingeschränkt werden soll, Anreiz zu bieten. Wegen der doppelten Zielsetzung dieser Steuer ist allerdings längerfristig nicht mit hoher Ergiebigkeit zu rechnen. Ein Zusammenhang mit der Finanzierung des Grundeinkommens wäre insofern gegeben, als ein solches dazu beitragen kann, ein Produktewachstum um des Wachstums willen (um Arbeitsplätze zu schaffen) unnötig zu machen und wirtschaftliche Umstrukturierungen zu erleichtern.

- "Maschinensteuer". Sie würde dort eingehoben, wo Maschinen die Arbeit von Menschen übernehmen. (Ob dies auf Dauer ein tragfähiger Vorschlag ist, oder nur ein suggestives Bild für die Notwendigkeit, Steuern von der menschlichen Arbeit auf andere Produktionsfaktoren beziehungsweise die Produktion als solche zu verlagern, braucht hier nicht entschieden zu werden.)

- Produktivitätssteuer Das Ziel einer solchen Steuer könnte sein, bei sinkendem Einsatz von Arbeitskräften jenen Teil des Produktivitätszuwachses, der bisher den Arbeitenden in Form von Lohnerhöhungen zukam, in Form von Steuern abzuschöpfen und (vereinfacht gesagt) als Transferleistung jenen zukommen zu lassen, die "nicht mehr gebraucht" werden.

- Wertschöpfungssteuer. Diese Steuer würde den Wertzuwachs im Produktionsbereich belasten.

zu b) Auch eine stärkere Belastung des Verbrauchs bei entsprechender Entlastung der Einkommen ist denkbar:

- Am Beispiel Englands wurde von Keith Roberts14 eine Finanzierung der von ihm vorgeschlagenen Nationaldividende einzig durch die Mehrwertsteuer durchgerechnet. Mit einem rund 100 %igen Mehrwertsteuersatz würde nach dieser Rechnung etwa die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes als Steuern eingehoben, die Einkommen blieben dafür steuerfrei. Da die Kosten der Unternehmen nach diesem Modell um die Hälfte niedriger wären (Wegfall direkter Steuern, Sozialabgaben und verschiedener anderer Kosten), würden sich die Preise dadurch praktisch nicht verändern. Die Administrationskosten wären geringer (und damit die gesamten Staatsausgaben); die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland würde wachsen, da die Mehrwertsteuer Exporte nicht belastet, die Herstellungskosten aber niedriger wären. Belastet würden dagegen die Importe, auf die der Mehrwertsteuersatz aufgeschlagen wird. Selbstverständlich könnten dabei die Mehrwertsteuersätze ähnlich gestaffelt werden, wie es auch heute der Fall ist: mit geringer Belastung für Lebensnotwendiges und förderungswürdige Güter und Dienstleistungen, mit möglichst hohen Belastungen für Güter, deren Gebrauch eingeschränkt werden soll. Dadurch könnte vermieden werden, daß die Bezieher kleiner Einkommen (des Grundeinkommens) relativ am stärksten belastet werden.

Eine so fundamentale Änderung des Steuersystems wäre allerdings nicht nur schwer durchführbar, sondern auch in ihren Folgewirkungen schwer abzuschätzen. Deshalb hält auch Roberts eine Finanzierung durch ein kombiniertes System von Mehrwertsteuer und progressiver Einkommensteuer für alle persönlichen Einkommen für sinnvoller.

Neue Steuern auf Ressourcen und Produktion, zusammen mit zusätzlichen indirekten Steuern, könnten in dem Maße an Bedeutung gewinnen, als Tätigkeiten aus dem offiziellen Sektor der Erwerbsarbeit wegrationalisiert und ausgeschieden werden beziehungsweise in den autonomen Sektor der Eigenarbeit und Nachbarschaftshilfe abwandern. Mit abnehmender Zahl der Erwerbstätigen im formellen Sektor müßten entweder die Einnahmen aus der Einkommensteuer zurückgehen (dasselbe gilt für die Sozialversicherungsbeiträge), oder aber die verbliebenen "Arbeitsplatzbesitzer" mit einem höheren Anteil ihrer Einkommen belastet werden, was den Rationalisierungs- und Verdrängungsprozeß weiter beschleunigen würde. Ähnliches gilt, wenn auch in etwas geringerem Ausmaß, bei gleichmäßigerer Verteilung der Arbeit auf mehr Arbeitende mit geringerer Stundenanzahl der Arbeitenden.

Schon aus Gründen der Administrierbarkeit dürfte kaum daran zu denken sein, Tätigkeiten im autonomen Bereich mit einer Einkommensteuer zu belasten. (Das wäre etwa so, als wollte man heute die Hausfrauenarbeit besteuern unter dem Vorwand, daß sich der Ehemann die Haushaltshilfe erspart, die voll steuer- und sozialversicherungspflichtig wäre.) Ressourcen- und Produktivitätssteuern würden hingegen auch die in die Eigenarbeit eingehenden Materialien, Werkzeuge und sonstige Vorprodukte und Konsumgüter belasten.

Die Integration des Grundeinkommens in die Einkommensteuer (im Rahmen einer großen Steuerreform), wie sie in drei der Szenarien vorgesehen ist (A, C, D), hat andererseits nicht nur den Vorteil leichter Administrierbarkeit; sie würde auch nicht zu dramatischen Änderungen der tatsächlich an den Staat abgeführten und über den Staat umverteilten Summen führen. Im übrigen könnte diese Kombination von Bürgergeld (insofern das Grundeinkommen jedem zustehen würde) und negativer Einkommensteuer als logische Fortentwicklung des in Österreich praktizierten Systems der Steuerabsetzbeträge gesehen werden, die dann, wenn keine oder eine zu geringe Steuerschuld vorliegt, ausbezahlt würden (analog zur heutigen Verrechnung der Familienbeihilfe der Selbständigen).

Bei den in Übersicht III angeführten Finanzierungssummen handelt es sich um Grobschätzungen auf der Basis vorliegender Unterlagen und verfügbarer Studien, sie können lediglich Größenordnungen angeben. In einigen Fällen wurde lediglich die Art von Steuer(n) angeführt, die am ehesten zur Finanzierung der jeweiligen Form eines Grundeinkommens in Frage kommen dürften.

In den Szenarien A bis D wurde in den Finanzierungsvorschlägen nicht beziehungsweise nur in geringem Ausmaß auf die neuen Steuern auf Ressourcen und Produktivität zurückgegriffen; lediglich eine Umstellung der Unternehmerbeiträge zu den Sozialversicherungen und Fonds in eine Produktivitätssteuer wurde vorgeschlagen. Mehr als zur unmittelbaren Finanzierung eines Grundeinkommens bis zur Größenordnung des gesellschaftlichen Mindeststandards ist die Einbeziehung neuer Besteuerungsgrundlagen für die zu erwartende wirtschaftliche Weiterentwicklung notwendig, und zwar ganz unabhängig davon, ob ein Grundeinkommen eingeführt wird oder nicht.

Jedes Grundeinkommen, das über geringfügige Verbesserungen durch Rationalisierung des bestehenden sozialstaatlichen Systems hinausgeht, würde direkt und indirekt Transformationen des ökonomischen Systems nach sich ziehen.

In zwei weiteren Übersichten soll deshalb versucht werden, auf solche voraussichtlichen Entwicklungen hinzuweisen und zumindest die Richtung - und das nach Szenarien unterschiedliche Ausmaß solcher Veränderungen - abzuschätzen.

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