Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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4.1. Annahmen über Höhe und Bezieherkreis (Übersicht 1)

In einem ersten Schritt werden verschiedene Varianten eines Grundeinkommens vorgestellt und die Bruttokosten errechnet. Es wird dabei von einem mittleren Grundeinkommen für alle ausgegangen, drei weitere Varianten sind nach Bezieherkreis oder Höhe eingeschränkt, eine weitere Variante geht von einer Höhe des Grundeinkommens aus, die in etwa dem österreichischen Pro-Kopf-Einkommen entspricht.

Hier die Grundannahmen der Szenarien im einzelnen:

 

A) Allgemeines Grundeinkommen mittlerer Höhe

Ein Grundeinkommen für alle Erwachsenen in etwa der halben Höhe des Pro-Kopf-Einkommens (S. 4000,- monatlich), Kinder und Jugendliche bis 18 die Hälfte (S. 2000,- monatlich).

 

B) Grundeinkommen für "Bedürftige"

Leistungen in derselben Höhe wie A), jedoch nur für jenen Teil der Bevölkerung, dessen Einkommen unter der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes der Pensionisten liegt: Familien mit niedrigem Familieneinkommen, Alleinstehende mit Kindern, arbeitslose Jugendliche ohne Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosengeld, Aktive mit sehr geringem Einkommen. Diese Gruppe zählt derzeit in Österreich rund 500.000 Erwachsene, die für 500.000 Kinder Verantwortung tragen.

 

C) Allgemeines Grundeinkommen in Höhe der Sozialhilfe

Ein Grundeinkommen für alle auf einem niedrigeren Niveau (S 3000,- monatlich), etwa ein Drittel des mittleren Einkommens der Unselbständigen, das für zwei Erwachsene geringfügig unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz für ein Pensionisten-Ehepaar liegt. Auch hier wurde für Kinder die Hälfte angenommen (S. 1500,-), was etwa den geltenden Leistungen von Familienbeihilfe plus Kinderzuschlag bei Arbeitslosengeldern und ähnlichen Sozialleistungen entspricht.

 

D) Allgemeines, niedriges Grundeinkommen ohne Altersstufung

Ein sehr niedriges allgemeines Grundeinkommen von etwa einem Viertel des Pro-Kopf-Einkommens (S. 2000,-), ohne Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern, könnte als eine Art erhöhte Familienbeihilfe betrachtet werden. Dieser Betrag entspricht in der Höhe den niedrigsten Sozialhilfen.

 

E) Allgemeines Grundeinkommen in Höhe des Pro-Kopf-Einkommens

Ein sehr hohes Grundeinkommen, das in etwa einer gleichmäßigen Verteilung der heutigen Masseneinkommen entsprechen würde (Erwachsene S 8000,-, Kinder S 4000,-).

Nicht in die Szenarien aufgenommen wurde eine negative Einkommensteuer in der ursprünglich von Friedman, derzeit in Deutschland von Gerhardt/Weber (1983) oder ähnlich von Molitor (1978) vorgeschlagenen Form. Die Gründe dafür waren:

a) die hohe Komplexität und der damit verbundene hohe Verwaltungsaufwand,

b) die notwendigerweise sehr hohe Progression der Besteuerung zusätzlichen Einkommens (vgl. auch unser Kapitel »negative Einkommensteuer«) und

c) der damit verbundene sehr hohe Anreiz zur Verschleierung von Einkommen, das heißt eventuell der Notwendigkeit von Kontrollen.

Die von uns in die Szenarien aufgenommene Alternative (Szenarium B): ein Grundeinkommen für »Bedürftige« nach der in Österreich für andere Sozialleistungen üblichen Regelung von Ruhensbestimmungen: ab einer bestimmten Höhe des Zuverdienstes ruht ein bestimmter Teil der Sozialleistungen. Mögen die Wirkungen im wesentlichen dieselben sein wie bei einem abgestuften Einkommen, so hätte diese Lösung zumindest den Vorteil, daß ähnliche Einrichtungen analog geregelt würden; abgesehen davon können solche Grenzen rascher und leichter den Veränderungen des Arbeitsmarktes, oder den Veränderungen der Aktiveinkommen, angepaßt werden.

Alle verwendeten Szenarien haben als Basis das Individuum; die Gründe dafür sind

a) daß es in Österreich keine Familienbesteuerung gibt (wohl aber einige an den Familienstand beziehungsweise die Familiengröße gebundene Steuerfrei- und Absetzbeträge, die jedoch in den wichtigsten Bereichen, wie Familienbeihilfen, durch Direktzahlungen ersetzt wurden);

b) die Überlegung, daß durch ein Grundeinkommen in menschliches Zusammenleben möglichst wenig eingegriffen werden sollte: ein Grundeinkommen sollte keinen Anreiz zur Aufspaltung von Familien geben; es sollte andererseits der Emanzipation von Jugendlichen oder Frauen auch nicht im Wege stehen. Außerdem entfällt damit die Notwendigkeit von Kontrollen, wie sie etwa derzeit in Österreich beim erhöhten Karenzurlaubsgeld für alleinstehende Mütter gefordert werden.

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