Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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3.5. Indirekte Steuern, Sozialeinkommen und negative Steuer

Die Gesamtbelastung der privaten Haushalte reduziert sich keineswegs auf die direkten Steuern und Abgaben. Im Jahr 1983 standen den Lohn- und Einkommensteuereinnahmen von 98 Milliarden Schilling Mehrwertsteuern nahmen von 105 Milliarden gegenüber. Trotz abgestufter Steuersätze (in Österreich derzeit 10% für Lebensmittel und Grundbedarfsgüter, 20% allgemeiner Mehrwertsteuersatz und 32% für Güter des gehobenen Bedarfs) belastet die Umsatzsteuer die niedrigen Einkommen stärker als die höheren. Eine Studie von 197913 ergab für die unteren 12% der Lohnsteuerpflichtigen eine Verdoppelung der Steuerlast durch die Umsatzsteuer, für das oberste Einkommensviertel erhöhte sich die Gesamtsteuerlast durch die Einbeziehung der Mehrwertsteuer dagegen nur langsam bis auf maximal 50%. Trotz der inzwischen erhöhten Sätze dürfte sich am Gesamtverlauf der Belastung nach Einkommen nicht viel verändert haben, für Durchschnittsfamilien wird eine Belastung durch indirekte Steuern von 14 bis 15% angenommen. Die niedrigen und niedrigsten Einkommen sind prozentuell von der Umsatzsteuer am stärksten betroffen. Einen gewissen Ausgleich dafür bilden die Sozialtransfers, insbesondere die Familienbeihilfe, die in Österreich ausschließlich aus Direktzahlungen besteht. An die Stelle der ursprünglichen Kinderfreibeträge und späteren Kinderabsetzbeträge im Steuerrecht trat eine Familienbeihilfe, die 1984 monatlich für jedes Kind bis zu zehn Jahren 1000 Schilling und für jedes ältere Kind 1200 Schilling beträgt, mit einem jährlichen Zuschlag von 1000 Schilling für jedes dritte und weitere Kind. Im übrigen spielt die Zahl der Kinder ebensowenig eine Rolle wie das elterliche Einkommen. Unselbständige erhalten diese Familienbeihilfe zusammen mit ihrem Lohn beziehungsweise Gehalt vom Arbeitgeber ausbezahlt, dieser verrechnet die ausbezahlten Beihilfen mit den abzuführenden Steuern. Bei den Selbständigen schlägt sich die Familienbeihilfe in Form von Gutschriften auf dem Steuerbescheid nieder, falls sie nicht direkt ausbezahlt wird.

Eine weitere Form der Berücksichtigung besonderer Lasten sind die Absetzbeträge, deren wichtigste der Arbeitnehmerabsetzbetrag (5100 jährlich) und der Alleinverdienerabsetzbetrag (3900 jährlich) für 1984. Letzterer ersetzt das zum Beispiel in der BRD mögliche Familiensplitting, das es im österreichischen Steuerrecht nicht gibt. Absetzbetrag bedeutet, daß die festgesetzte Summe von der errechneten Steuer abgezogen werden kann. Während Freibeträge die Bezieher hoher Einkommen bevorzugen (beim derzeit höchsten Grenzsteuersatz von 62% ergibt sich bei einem Freibetrag fast die dreifache Steuerersparnis gegenüber einem niedrigen Einkommen, das einem Grenzsteuersatz von 21% unterworfen ist), sind Absetzbeträge weitgehend grenzsteuersatzneutral. Wenn allerdings die insgesamt zu bezahlende Steuer niedriger ist als der Steuerabsetzbetrag, kann er von dem betreffenden Steuerzahler nicht voll genutzt werden. Würde die fehlende Summe (wie bei der Familienbeihilfe) vom Steueramt dem Steuerzahler ausbezahlt werden, hätten wir eine negative Einkommensteuer.

Ein praktisches Beispiel soll dies verdeutlichen. Ein österreichischer Familienvater, dessen Frau nicht berufstätig ist, mit zwei Kindern, bekommt mit einem Bruttomonatsgehalt von zirka 15.000 Schilling mehr Familienbeihilfe ausbezahlt als er an Steuern zu zahlen hat, was ebenfalls als negative Steuer bezeichnet werden könnte. Würde er als Bruttogehalt weniger als 6000 Schilling verdienen, so würde ihm zwar ebenfalls die volle Familienbeihilfe ausbezahlt (negative Steuer), den Alleinverdienerabsetzbetrag könnte er jedoch wegen seines zu niedrigen Einkommens nicht nützen. Auf der anderen Seite kann auch der Bezieher eines sehr hohen Einkommens für die Tatsache, daß er Frau und Kinder ernährt, nicht mehr an Steuerersparnis in Anspruch nehmen, als der Bezieher eines sehr viel niedrigeren Einkommens. Durchbrochen wird diese Logik in Österreich allerdings durch die nach wie vor bestehenden Steuerfreibeträge für Sparförderung, Versicherung und Wohnbauförderung, die Familienerhaltern mit hohen Einkommen beträchtliche Steuervorteile ermöglichen.

 

Zusammenfassung

Österreich hat ein recht dicht geknüpftes soziales Netz. Transferzahlungen und Steuersystem sind zumindest im Prinzip dahingehend ausgelegt, Arbeitenden und Arbeitslosen und deren Familien, solchen die nicht mehr erwerbstätig sind (Pensionisten), Müttern mit Kindern im ersten Lebensjahr und all jenen, die nicht selbst für sich sorgen können, ein Einkommen zu sichern, welches mindestens die Vitalbedürfnisse abdeckt und in den meisten Fällen dem gesellschaftlichen Mindeststandard entspricht.

Die Frage, die sich heute stellt, lautet: wie kann das Erreichte angesichts der zu erwartenden Entwicklungen gesichert werden, wie kann es auf jene Gruppen ausgedehnt werden, die trotz des sozialen Netzes unterhalb dieses Standards leben müssen, wie kann eine sinnvolle Weiterentwicklung eingeleitet werden?

Ein möglicher Weg dahin scheint uns die Einführung eines allgemeinen Grundeinkommens.

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