Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit
3.2. Unterschiedliche "Mindesteinkommen"
Beim Vergleich der absoluten Höhe der verschiedenen Transfereinkommen ergeben sich interessante Relationen:
a) Pensionen
Wer in Österreich während seines Lebens, als Unselbständiger, heute auch als selbständiger oder Bauer, Beiträge zur Allgemeinen Sozialversicherung bezahlt hat, bekommt im Alter eine Pension. Diese Pension kann 1984 höchstens 15.192 Schilling brutto betragen, wovon neben Krankenkassenbeiträgen auch 3360 Schilling Steuer abzogen werden. Wer durch seine Beiträge dagegen nur eine sehr niedrige Pension erworben hat und über keine anderen Einkünfte verfügt, dessen Pension wird durch eine Ausgleichszulage auf den Richtsatz von 4370 Schilling für eine Person (6259 Schilling für ein Ehepaar) angehoben. Der Unterschied zwischen dem niedrigsten und dem höchstmöglichen Nettopensionseinkommen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz beträgt also rund 1:2,7. Die höchstmögliche ASVG-Witwenpension, 1984 netto rund 7900 Schilling, ist etwa 1,8mal so hoch wie der Richtsatz für die Ausgleichszulage. Diese Leistungen werden durch "Ruhensbestimmungen" weiter eingeschränkt: wird durch zusätzliches Erwerbseinkommen oder (bei der Witwenpension) durch eine eigene Pension mehr als 3200 Schilling dazuverdient oder steigt das gesamte Einkommen auf mehr als 7000 Schilling, "ruht" ein Teil der Pension. Reich werden ASVG-Pensionisten auf keinen Fall: Die häufigste Pension aller Kategorien liegt zwischen 4000 und 5000 Schilling, die durchschnittliche Alterspension beträgt 1984 6956 Schilling brutto, die mittlere Witwenpension 3953 Schilling. Dies ist auch der Grund, weshalb weitaus die meisten Bezieher von Ausgleichszulagen Witwen sind.
b) Arbeitslosigkeit
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, beträgt das Arbeitslosengeld 40% des letzten Bruttoeinkommens, begrenzt durch die Höchstbeitragsgrundlage. Das ergibt 1984 eine Höchstgrenze von 7440 Schilling (1985 werden es 9600 Schilling sein). Nach niedrigem Erwerbseinkommen ist auch das Arbeitslosengeld sehr gering, es kann ohne weiteres für Alleinstehende unter dem Niveau des Richtsatzes für Pensionisten liegen: So bezogen weibliche Hilfsarbeiter 1983 im Mittel 3250 Schilling Arbeitslosengeld! Der Familienzuschlag beträgt 398 Schilling pro Person, zuzüglich Familienbeihilfe. Inländer können, wenn sie kein Recht mehr auf Arbeitslosengeld haben, Notstandsunterstützung beziehen, Ausländer werden nach Hause geschickt. Notstandsunterstützung wird gekürzt oder fällt weg, wenn andere Familienangehörige ein Einkommen beziehen. Auch wer sich weigert, eine ihm zugewiesene Arbeit anzunehmen, verliert das Recht auf Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zumindest für einige Zeit.
Karenzurlaubsgeld, sozusagen eine Sonderform des Arbeitslosengeldes, kann eine Frau bis zum ersten Geburtstag ihres Kindes beziehen. Es beträgt für eine Verheiratete 3967 Schilling monatlich, für eine Alleinstehende 5784 Schilling, wozu Familienbeihilfe und eventuelle Wohnbeihilfe kommen.
c) Sozialhilfe
Wer keinerlei erworbene Ansprüche, kein Einkommen und keine unterhaltspflichtigen Verwandten hat, wer nicht arbeitsfähig oder nicht vermittelbar ist, hat ein Recht auf Sozialhilfe. Dieses Recht wird von den Ländern verwaltet, die es mehr oder weniger großzügig handhaben. Haftentlassene in Wien können sich (1984) mit einigen Bestätigungen und Stempeln für eine Woche die Summe von 711 Schilling abholen. Der Satz für Dauerunterstützte in Wien beträgt 3048 Schilling pro Monat. Je nach Bundesland schwanken die Unterstützungssätze zwischen rund 2500 Schilling und 3392 Schilling (Niederösterreich), wozu verschiedene weitere Beträge für Angehörige, unter Umständen Wohnbeihilfe und sonstige Zuschüsse kommen.
Die sich aus diesen Regelungen ergebende Vielzahl von "Mindesteinkommen" ist einigermaßen verwirrend: zwischen den rund 2500 Schilling Mindestsozialhilfe monatlich und dem derzeitigen ASVG-Ausgleichszulagenrichtsatz von 4370 Schilling (14 x jährlich) ergibt sich ein Unterschied von 1:2, alleinstehende Mütter sind noch etwas besser dran. Allerdings haben Mindestrentner und Mütter durch ihre Beitragsleistungen zumindest einen Teil dieses Sozialeinkommens im vorhinein bezahlt; die Mutter leistet darüber hinaus einen Dienst für die Gesellschaft.
Verwirrend sind aber auch die Regelungen für die Zuerkennung der Sozialleistungen, die um so undurchsichtiger werden, je weniger sie an vorhergehende Beitragszahlungen geknüpft sind. Einige wenige Sozialhilfeempfänger, die alle Möglichkeiten auszuschöpfen wissen, können davon recht gut leben; viele andere, die solcher Hilfe mindestens ebenso bedürftig wären, wissen noch nicht einmal, daß sie ein Anrecht darauf hätten.
Nachzutragen wäre auch, daß sich insgesamt wesentlich größere Unterschiede zwischen der Einkommenssituation der österreichischen Pensionisten ergeben: einerseits durch die Beamtenpensionen, die keiner Höchstgrenze unterliegen, andererseits durch Firmenpensionen und Privatversicherungen, deren Abschluß steuerlich gefördert wird. All diese Gruppen zusammengenommen dürften jedoch zahlenmäßig nur einen relativ kleinen Teil aller österreichischen Pensionisten ausmachen.
Niedrige Einkommen gibt es jedoch nicht nur bei Pensionisten, Arbeitslosen und sozialen Randgruppen; auch Einkommen von Aktiven können unter der Armutsgrenze liegen. Um Bedeutung und mögliche Ansatzpunkte eines Grundeinkommens besser beurteilen zu Können, sollen im folgenden die Einkommen der Aktiven und die Umverteilungswirkung von Steuern und sonstigen Abzügen kurz beleuchtet werden.