Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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3.1. Ein dichtes soziales Netz

Es kann durchaus behauptet werden, in Österreich sei ein Recht auf materielle Grundsicherung bereits verwirklicht. Ein ausgebautes System sozialer Sicherheit, dessen wichtigste Pfeiler die Kranken-, Unfall-, Arbeitslosen- und Pensionsversicherungen sind, wurde in den letzten Jahren auf immer weitere Kreise der Bevölkerung ausgedehnt und umfaßt heute neben Beamten und sonstigen unselbständigen Erwerbstätigen auch Bauern und andere Gruppen von Selbständigen sowie Schüler und Studenten. Finanziert werden diese Leistungen zum größten Teil aus lohn- und einkommensbezogenen Beiträgen der Versicherten (1983: 187 Milliarden Schilling, einschließlich Arbeiterbeiträge), zu einem wesentlich geringeren Teil aus Staatszuschüssen (1983: 33 Milliarden Schilling) und einigen kleineren Einnahmen. Der größte Teil der Staatszuschüsse wird für die Aufstockung der kleinsten Renten auf die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes, ein jährlich neu festgesetztes Existenzminimum für Pensionistenhaushalte, verwendet.

Auch der Familienlastenausgleichsfonds wird zu rund zwei Dritteln durch lohnsummenbezogene Beiträge der Arbeitgeber, zu einem Drittel durch öffentliche Mittel gespeist. Aus diesem Fonds werden neben den Familienbeihilfen (1984 1000 beziehungsweise 1200 Schilling je Kind, je nach Alter) Sachleistungen wie Schulbücher und Schulfreifahrten und ein Teil des Karenzurlaubsgelds bezahlt. Die zweite Hälfte des Karenzurlaubsgelds, das Frauen in Österreich unter gewissen Voraussetzungen bis zum ersten Geburtstag ihres Kindes beziehen können, wird aus der Arbeitslosenversicherung finanziert. Dies deshalb, weil im Prinzip (mit Ausnahmen) der Bezug dieses Karenzurlaubegeldes an ein Arbeitsverhältnis als Unselbständige gebunden ist. Die Arbeitslosenversicherung, die auch in Österreich in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, wird aus Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert.

Auf all diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch, der sich auf Beitragszahlungen oder auf Leistungen (Kindererziehung) gründet. Sie werden deshalb, von gewissen Einschränkungen abgesehen, unabhängig von der sonstigen Einkommenssituation des Begünstigten ausbezahlt. Allerdings unterliegen in Österreich die Pensionen - im Gegensatz etwa zur Bundesrepublik Deutschland - der Einkommensteuer.

Der zweite Teil des sozialen Netzes in Österreich besteht aus Leistungen, die nicht auf Beitragszahlungen beruhen, sondern auf dem Nachweis der Bedürftigkeit: Notstandshilfe im Anschluß an das Arbeitslosengeld, Sondernotstandhilfe für alleinstehende Mütter (unter gewissen Voraussetzungen) bis zum dritten Geburtstag des Kindes, Sonderunterstützung für Arbeitslose kurz vor dem Pensionsalter, und für all jene, die keinerlei andere Einkommensquellen haben: die Sozialhilfe.

All diese Leistungen müssen beantragt werden. Die Bedingungen sind um so restriktiver, die Beträge um so geringer, je weniger ein direkter Zusammenhang mit Beitragszahlungen oder sonstigen Leistungen (Kindererziehung) besteht.

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