Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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2.1. Bürgergeld - Soziallohn - Sozialdividende

Wie es in den Worten Bürger- Geld oder Sozial -Dividende zum Ausdruck kommt, steht hinter diesen Vorschlägen dl. Idee einer Beteiligung aller Bürger eines Landes am gesellschaftlichen Reichtum; etwa so wie die Beteiligten an einer Aktiengesellschaft ihre Dividende, das heißt den Anteil am Gewinn dieser Gesellschaft, ausbezahlt bekommen. Die Idee wurde erstmals während des Zweiten Weltkriegs In England von Lady Rhys-Williams ins Gespräch gebrach( und hat den Vorteil der Durchsichtigkeit und der einfaches Administrierbarkeit: Eine Auszahlung an alle über die Finanzämter wäre einfach und mit relativ geringen Kosten durchzuführen. Der Nachteil ist ebenso gewichtig: ein Bürgergehalt in dieser reinen Form, ohne sonstige Veränderungen etwa im Steuersystem oder bei den Sozialleistungen, wäre kaum finanzierbar. So würde etwa ein Bürgergehalt in der Höhe des derzeitigen Ausgleichszulagenrichtsatzes für Rentner (rund 60.000 Schilling jährlich) auf runde 450 Milliarden Schilling zu stehen kommen - etwa die gesamte derzeitige Staatsquote (alle Steuern, Sozialversicherungsbeiträge usw. zusammengenommen).

Dennoch haben wir in Österreich bereits Ansätze einer Art Bürgergehalt: einerseits in der Familienbeihilfe, die jedem Kind in Österreich zusteht, gleichgültig, ob seine Eltern arm sind oder ein hohes Einkommen beziehen, österreichische Staatsbürger oder in Österreich arbeitende Ausländer sind. Ähnliches gilt für die, wenn auch nur einmal ausbezahlte, Heiratsbeihilfe, die jede(r) erstmals Heiratende in Österreich vom Finanzamt ausbezahlt erhält.

Ein etwas anderer Ansatz kann in der aktuellen Handhabung der Pensionsanpassung und der Ausgleichszulage zu den niedrigen Pensionen gesehen werden. Das ursprüngliche Versicherungsprinzip wird darin ergänzt durch eine Aufstockung auf den gesellschaftlichen Mindestbedarf einerseits, durch ein Steigen der ASVG-Pensionen (= Pensionen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz), das nach dem Kaufkraftzuwachs der Beschäftigten errechnet wird, anderseits. Die Begründung für diese Anpassung kommt der Begründung für die Idee eines Bürgergeldes sehr nahe: es wird nämlich argumentiert, daß jene Menschen, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges unser Land aufgebaut und mit ihrer Arbeit die Fundamente unseres heutigen Wohlstandes gelegt haben, an diesem Wohlstand teilhaben sollen. Der nächste Schritt wäre dann, auch jenen, die gar keine Chance bekommen, am Aufbau der »Firma Österreich« mitzuwirken, als Miterben des Erworbenen ihren Anteil zukommen zu lassen, so wie es uns im kleinen als normal und gerecht erscheint (weil es in unserer Kultur so verankert ist), daß Kinder das erben, was ihre Eltern erwirtschaftet haben.

Soll ein Bürgergeld durch Steuern finanziert werden, so bedeutet dies, daß alle übrigen Einkommen entsprechend hoch besteuert werden müssen. Der Durchschnittsbürger müßte etwa das zusätzlich an Steuern bezahlen, was er an Bürgergehalt bekommt. Daran ändert sich auch nichts, wenn das Bürgergeld zwischen Erwachsenen und Kindern oder nach verschiedenen Altersstufen in verschiedener Höhe ausbezahlt wird, oder wenn statt des Individuums der Haushalt zur Grundlage genommen wird, wie es etwa heute bei Ausgleichszulagen oder der Arbeitslosenversicherung der Fall ist. Je nach Gestaltung der zusätzlichen Maßnahmen können dabei verschiedene Gruppen die Kosten tragen: wird das Bürgergehalt sehr niedrig angesetzt und werden mit Berufung auf dieses Sozialleistungen gestrichen, kann es leicht geschehen, daß gerade die Ärmsten wenigem bekommen; ebenso ist es denkbar, daß durch eine hohe Progression vor allem die mittleren Einkommen das Bürgergeld finanzieren. So würde etwa ein Bürgergeld in Österreich von 1500 Schilling je Kopf rund 135 Milliarden Schilling kosten und wäre durch Umwidmung eines größerem Teils der heutigen Sozialausgaben ohne weiteres zu finanzieren. Vermutlich würden dabei viele Rentner und Bezieher von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe schlechter abschneiden als jetzt: es käme also eine Umverteilung von dem Ärmsten zu den weniger Armen zustande, es sei denn, die Transferleistungen würden für die Ärmsten aufgestockt, was nicht nur die Kosten, sondern auch den Verwaltungsaufwand rasch in die Höhe schnellen ließe.

Rückt dagegen die Höhe des Bürger- oder Basisgehaltes in die Nähe des mittleren Einkommens, so bedeutet dies eine allgemeine Umverteilung der verfügbaren Mittel und wirft völlig neue Fragen nach der Verteilung der notwendigen Arbeit auf. Dies ist der Grund, weshalb einige Autoren das Bürger- oder Sozialeinkommen an eine Arbeitspflicht binden, wie etwa der schon erwähnte Popper-Lynkeus mit seiner allgemeinen Nährpflicht, oder, in neuerer Zeit, Gunnaw Adler-Karlsson, der ebenfalls die Vorstellung eines staatlich organisierten Sektors für die Abdeckung der Grundbedürfnisse (Lebensarbeitspflicht zirka 10 bis 16 Jahre) gegen das lebenslängliche Recht auf Einkommen hatte. Daneben würde es einen freien Sektor geben, der, nach marktwirtschaftlichen Gesetzen, alles übrige bereitstellen könnte. Ob eine solche Zweiteilung der Wirtschaft in einen staatlich kontrollierten Grundbedarfssektor und einen freien Sektei sinnvoll oder überhaupt durchhaltbar ist, braucht hier nicht diskutiert zu werden; notwendig für die Garantie eines Grundeinkommens ist sie sicherlich nicht.

Das Konzept eines allen Bürgern zustehenden, existenzsichernden Grundeinkommens gewinnt dann seine volle Tragweite, wenn es in der Perspektive längerfristiger Entwicklungen wie zunehmender Automation und abnehmendem menschlichem Arbeitseinsatz diskutiert wird. Geht es hingegen um die Rationalisierung sozialstaatlicher Einrichtungen, womöglich mit dem Ziel von Einsparungen, tritt die Grundform der negativen Einkommensteuer in den Vordergrund.

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