Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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4.6. Von wem ist Widerstand zu erwarten?

Der entscheidende Widerstand gegen ein Grundeinkommen wird von einem Großteil der Überprivilegierten kommen. Und dies nicht, weil es auf ihre Kosten geht, sondern weil ihre Privilegien mit der Schadenfreude gekoppelt sind: einige haben eben Pech gehabt. Die Erwartung, daß Privilegien gerecht beziehungsweise selbstverständlich sind, setzt voraus, daß Elend - ob selbst verschuldet oder durch "Pech" verursacht - eben unvermeidlich ist. Mit dem Grundeinkommen wird die legitimatorische Basis für hohe Privilegierung angegriffen.

Widerstand wird auch von den sozial Deklassierten zu erwarten sein, weil sie für ihre "Identität" die noch weiter am Rand der Gesellschaft stehenden Gruppen brauchen. Leute, die unter der Drohung von Arbeitslosigkeit stehen, werden sich ebenfalls dagegen aussprechen, weil sie sich vor der Drohung der Arbeitslosigkeit dadurch schützen, daß sie selbst sich einem sinnlosen Arbeitszwang unterwerfen. Ein Grundeinkommen wird als ungerecht empfunden: warum soll sich jemand nicht diesem Leid aussetzen müssen und doch geschützt sein?

"Ein erheblicher Widerstand gegen das garantierte Einkommen kommt schließlich aus der sozialen und politischen Bürokratie. Die Sozialbürokratie würde einen erheblichen Bedeutungsverlust erleiden. Es würden ja die Leute selbst das Geld bekommen und ausgeben, das heute die Bürokratie anstelle der Leute bekommt und ausgibt. Deshalb halten die interessierten Bürokraten gleich das Argument parat, die Leute würden das Geld ja doch nur verfrühstücken, anstatt es für Bildung, Gesundheitsdienste und gut instand gehaltene Wohnungen auszugeben. In Einzelfällen mag dies stimmen. Im allgemeinen aber handelt es sich wohl um eine unhaltbare Unterstellung, und auch in den Einzelfällen käme es auf den Versuch erst noch an. Man sähe dann jedenfalls klarer, wo Ursachen und Wirkungen liegen, bei den Entmündigern oder den Entmündigten 36."

"Auch die politische Bürokratie würde durch ein garantiertes Einkommen ein Stück Macht verlieren. Die individuellen Antragstellungen und zweckgebundenen Einzelzahlungen ermöglichen eine doppelte Kontrolle - eine gewisse Kontrolle der antragstellenden Personen, und eine Kontrolle der verteilten Gelder und damit indirekt eine gewisse Wirtschaftslenkung. Man kann durchaus zugeben, daß derartige Kontrollen auch wünschenswert sein können und dem ungeregelten Markt im Laufe der Jahrzehnte erst abgerungen werden mußten. Aber dieser Gesichtspunkt gilt sehr viel mehr für einen Bereich, wo solche Kontrollen de facto kaum bestehen, nämlich für den Bereich der Investitionen. Bei den sozial verwendeten Geldern dagegen besteht schon immer "zuviel Staat" und "zuwenig Markt" 37."

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