Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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4.3. Sicherheit will zur Initiative befreien

Fordert man Leistung, dann ist diese Forderung nur gerechtfertigt und konsequent in der gleichzeitigen Eröffnung von Selbst- und Mitbestimmungsräumen, in denen sozial-verantwortete Freiheit ernst genommen wird und nicht eingebunden bleibt in Herrschafts- und Knechtschaftsbeziehungen, in Macht-Konkurrenz-Strukturen.

Durch die Einführung eines Grundeinkommens soll gerade eine Konzeption von Leistung überwunden werden, die nicht wirklich Verantwortung übernimmt, sondern mit. ein Reservoir von Kräften und Einsatzmöglichkeiten zur Stabilisierung des Status quo gesehen wird.

Das Unternehmen "Grundeinkommen" kann allerdings auch in jene Perversion abgleiten, in welcher entweder alles auf die Abstellung und Befriedigung oberflächlicher Bedürfnisse hinausläuft, oder ein Armutssektor geschaffen wird, um die "industrielle Reservearmee" ruhigzustellen. Insofern wäre dann Schutz und Sicherung in der Gestalt des Stabilisierung des Status quo nichts anderes als eine Figur der Entfremdung.

"Das Recht auf Einkommen, das nicht vom Besitz eines Arbeitsplatzes abhängt, ist also nicht an sich schon eine Garantie für die Freiheit, Gleichheit und Sicherheit der Individuen. Es verträgt sich durchaus mit einer elitistischen Technokratie und/oder einer totalitären Kontrolle sogar über das intime Verhältnis jedes einzelnen zu sich selbst... Die Garantie eines von einem Arbeitsplatz unabhängigen Einkommens wird nur dann Freiheit bringen, wenn sie einhergeht mit dem Recht jedes einzelnen auf Arbeit: das heißt auf die Erzeugung von Gesellschaft, auf die Erzeugung von gesellschaftlich wünschenswerten Reichtümern und auf die freie Kooperation mit anderen bei der Verfolgung eigner Ziele"34."

Es kann also nicht darum gehen, "Leistung" auf der einen Seite gegen Schutz und Sicherheit auf der anderen Seite auszuspielen, oder durch eine staatliche Gewährung des Grundeinkommens die Eigenständigkeit der (kommunikativen) Selbstversorgung und Eigentätigkeit zu eliminieren, sondern es gilt, vorweg Schutz und Sicherung für individuelle und soziale Initiativen zu schaffen. Das Grundeinkommen soll gerade nicht dazu führen, die Freiheit zu entmächtigen beziehungsweise in ein willkürliches Tun-und-Lassen-Können hineinzuneutralisieren, sondern sie zu kräftigen und zur Entfaltung zu bringen, um auf der Basis einer (immer relativ bleibenden) Sicherheit neue Initiativen zu einem Wandel unseres Gesellschaftssystems riskierbar zu machen.

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