Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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3.7. Gegen Arbeitslosigkeit oder für die Befreiung der Arbeit?

Versucht man, sich von der Problemstellung der vorherrschenden Massenarbeitslosigkeit her der Grundidee einer kommunikativen Gesellschaft zu nähern, so läßt sich diese als Kombination folgender Elemente beschreiben: einer massiven Verkürzung der Arbeitszeit auf der Basis einer gerechteren Einkommensverteilung, einer Förderung der Aktivitäten für den Ausbau des autonomen und des Wandels des formellen Sektors und schließlich der Einführung eines Grundeinkommens

Die Wandlungen unserer Wirtschafts- und Lebensweise erfordern nicht einen "Kampf" gegen die Arbeitslosigkeit, sondern einen "Kampf" zur Befreiung der Arbeit. Dieser Kampf entzündet sich an fünf Grundfragen:

1. Was soll gearbeitet werden? Welche Produkte tun gut, welche nicht; und wieviel wovon?

2. Wie soll gearbeitet werden? Die Mitentscheidung über das Wie ist die Voraussetzung für lebensfreundlichere Antworten auf das Was der Arbeit.

3. Wieviel soll gearbeitet werden? Und wieviel wovon-im autonomen und im formellen Sektor?

4. Wer arbeitet - und wer arbeitet wo? Wie kann der Zugang zu guter Arbeit, die im Tun wie im Ergebnis als sinnvoll erfahren wird, allen geöffnet werden? Wie kann die verbleibende schlechte Arbeit, die bloß notwendig ist und nichts darüber hinaus, gerecht aufgeteilt werden?

5. Wer entscheidet, wem, in welcher Höhe das Produkt der Arbeit zugesprochen wird?

Ob dieser Kampf zur Befreiung der Arbeit als Weg zu einer kommunikativeren Gesellschaft gelingt oder nicht, hängt sicher mitentscheidend von der Einführung eines Grundeinkommens ab. Denn nur mit der Angst vor Arbeitslosigkeit lassen sich Investitionen und Ausgabenprogramme wie Aufrüstung, das Hineinbetonieren von möglichst viel Stahl in möglichst große Bauten und die noch raschere Auswechslung von Geräten der Haushalts-und Unterhaltungselektronik auf Kosten von Mensch und Natur durchsetzen, Programme, die ihren Organisatoren die Loyalität der Mehrheit der Bevölkerung sichern.

Wer gelernt hat, den Sinn des Lebens in der Sicherung des Einkommens durch Erwerbsarbeit und des damit verbundenen Prestiges zu sehen, wird sich nur dann auf diesen Kampf einlassen, wenn seine Existenz materiell gesichert ist.

Ein Grundeinkommen schafft materielle Unabhängigkeit (wenn auch auf niedrigem Niveau), baut die Angst vor sozialer Armut und gesellschaftlicher Stigmatisierung ab, entschärft den Druck auf den Arbeitsmarkt und den Zwang, sich irgendwelchen Instanzen der Herrschaft unterwerfen zu müssen; es vergrößert den Mut zu neuen Lebensentwürfen und setzt so Energien für den Ausbau des autonomen und des Wandels des formellen Sektors frei.

Gerade dort, wo Markt und Staat versagen, können Bezieher von Grundeinkommen gesellschaftliche Innovationen in Angriff nehmen, weil sie eben nicht mehr den Zwängen eines der beiden Systeme ausgesetzt beziehungsweise unterworfen sind.

Neue Arbeitsfelder werden erschlossen werden, für die heute keine Nachfrage besteht, weil der herrschende Arbeitsmarkt diese Nachfrage zu uninteressanten Bedingungen (Preise und Wartezeiten) beantwortet: im Umweltbereich (Instandhaltung und Verschönerung der Stadtviertel, Wärmeisolierungen; Anlegen von Nutzgärten usw.); im Bereich des Handwerks (Reparatur, Ausbesserungs- und Verschönerungsarbeiten); im Dienstleistungsbereich (Sozialstationen; Hilfe für Kranke und Behinderte; vielfältige Nachbarschaftsdienste usw.).

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