Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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3.2. Das Beispiel der Agrarindustrie

Sehr gut ist dieser Problemzusammenhang an der Frage der Landwirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft zu veranschaulichen: hier geht es nicht mehr um sinnvolle Produktion landwirtschaftlicher Güter mit dem Ziel guter Ernährung der Bevölkerung und des Weiterleitens eines möglichen Überflusses an Bedürftige, sondern ausschließlich um die Vergrößerung der Mittel in einer Profitkonkurrenz: Ob Brot oder qualitativ veredelte Genußmittel, an beiden ist nicht die Qualität die bestimmende Norm, sondern bloß die qualitätslose Quantität eines "mehr Mittel für Mittelvermehrung", also Macht und Profit.

Teurer Dünger wird angeboten und verkauft. Insektizide und Herbizide werden angepriesen und verwendet, das heißt Mittel, die nur bestimmte Pflanzensorten wachsen lassen, andere aber ausrotten und ganze pflanzliche und tierische Lebensgemeinschaften zerstören. Auf riesigen Flächen wachsen nur bestimmte Grassorten, auf Feldern kein Unkraut mehr. Inzwischen sind die Insekten gegen die Insektizide resistent geworden: Auf weite Strecken wirkt das Gift nicht mehr, aber Abwässer und Seen werden verseucht; mit den Schädlingen werden vor allem auch die natürlichen Feinde derselben ausgerottet; daher können sich resistente Arten uneingeschränkt vermehren.

Dünger wird im Übermaß eingesetzt, um mehr Futter für Tiere, Getreide als Nahrung für den Menschen zu produzieren, durch hochwertige Gräser, reich an Mineralstoffen, mehr Milch und Fleisch, aber niemand fragt: wer braucht mehr Milch und Fleisch? Wer sie braucht, kann sie nicht kaufen. Produktion auf Halde also. Und dafür werden ungeheure Mengen von Chemikalien, Energie, menschlicher Arbeit und Geld umgesetzt und nebenbei ungeheure Mengen von Schadstoffen in unsere Umwelt freigesetzt. In diesen Kreislauf der Produktion auf Halde beziehungsweise für den Luxuskonsum der "Reichen" werden nicht nur die Ressourcen unserer heimischen Länder hineingerissen, sondern auch die der ohnehin verarmten Länder im Süden: Ihnen entziehen wir einen Großteil ihrer Wirtschaftskraft und ihrer besten Böden, auf denen sie Pflanzenfette und Futtermittel für unsere Fleischhalden anbauen. Zugleich hungern Menschen in eben diesen Ländern.

Das primäre Ziel ist also: Mittelproduktion. Milch wird zu Pulver verarbeitet; Lagerungsproblem; Fleisch und Butter kommen in Kühlhäuser; tiefgefroren; die Mittelkonservierung verschlingt ein ungeheures Quantum von Energie. Dieses ebenso maßlos Geldmittel. Nun werden Absatzmärkte gesucht, um die Überproduktion der Mittel loszuwerden; auch dort wird nicht gefragt, wem dient das Abgesetzte, sondern wer kauft es. Ziel ist: neuer Geldgewinn: Profit.

Aufgrund der Verschränkung von Markt- und Subventionssystem ist jedoch für die Bauern eine Umstellung der Produktion auf die tatsächlichen Bedürfnisse nicht möglich. Senken sie die Produktion auf das Niveau, das der Nachfrage entspricht, so verlieren sie unmittelbar Einkünfte aus dem geringeren Absatz und obendrein Subventionen, die inzwischen einen wesentlichen Teil ihres Einkommens ausmachen.

Das konkrete Absatzsystem zwingt sie - auch gegen besseres Wissen und mögliche tiefere ethische Einsicht - als Ziel ihres Produzierens ein Maximum der Mittel aufrechtzuerhalten. Aber nicht nur die Gesetzlichkeit des Verhältnisses Leistung - Lohn beziehungsweise Ware - Abnehmer zwingt sie zu einem solchen Verhalten. Hinzukommt die Notwendigkeit, Produktionsmittel wie Dünger zu finanzieren. So brauchen sie mehr Geld, um mehr teuren Dünger zu kaufen, wobei sie durchaus sowohl mit weniger Dünger wie auch mit bescheideneren Produktionsmitteln auskommen könnten. Würden sie aber in dieser Hinsicht reduzieren, dann wären die Äcker kurzfristig nicht mehr so ergiebig. Sie müssen es aber sein zum Zwecke der quantitativen Maximierung der Mittel: Milch, Fleisch, Getreide - im Blick auf die Stabilisierung ihrer Erwerbsquellen.

So sind wir also wieder zum unsinnigen Anfang zurückgekehrt und erkennen, daß der Bauer viel mehr Energie verbraucht, als er produziert. Von den Kühlkammern den Kreislauf zurück bis zum Dünger wird zum Zwecke einer zum Ziel verabsolutierten Mittelproduktion maßlos Energie verbraucht und somit aufs Ganze gesehen, eine Verlustproduktion geschaffen.

Auch die einzelnen Elemente dieses Kreislaufes unterliegen demselben Gesetz. So werden Kühe gezüchtet, die immer mehr Milch geben. Nun hat sich aber herausgestellt, daß diese hochgezüchteten Tiere überaus anfällig für Krankheiten sind. Sie bedürfen intensiver tierärztlicher Versorgung. Das macht die Steigerung technologischer und pharmazeutischer Produktion notwendig.

Außerdem muß für diese Tiere ein neues Kraft- und Zusatzfutter produziert werden, was wieder einer Energieinvestition bedarf.

Wir sehen also in allen Bereichen den Kurzschluß von Mitteln und Zielen. Der Kraftfutterproduzent hat nur ein Ziel, möglichst viel Kraftfutter zu produzieren: = direktes Ziel. Indirektes Ziel: es soll möglichst viele Lebewesen geben, die dieses Kraftfutter brauchen; dadurch wird sein Profit gesteigert. Im bäuerlichen Betrieb: möglichst viele kraftfutterverbrauchende, hochgezüchtete Kühe zu haben, um möglichst viel Milch zu produzieren, aus deren Verkauf all das Kraftfutter, die Energie, die hochgezüchteten Kühe, die Medikamente zu ihrer Gesunderhaltung und nicht zuletzt die Kreditkosten finanziert werden können.

Hinzu kommt der politische Aspekt der Subventionierung. Die Preise für Milch, Butter usw. werden alle subventioniert. Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um binnenstaatliche Aufgaben, sondern der jeweilige Staat muß im globalen Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt bestehen. Jeder Staat subventioniert, damit er konkurrenzfähig wird oder bleibt. Je konkurrenzfähiger, um so mehr ist die Subventionierung der Mittelproduktion - und damit auch steigender Verdienst zum Beispiel in der Landwirtschaft, aber auch anderer Gruppen - möglich. So ergibt sich eine geheime Profitsolidarität zwischen den politischen Instanzen, einzelnen Gruppen und ihren Interessen. So wie die Gruppen ein Interesse haben, die politische Instanz für sich zu vereinnahmen, hat diese ein ebenso großes Interesse daran, die einzelnen Gruppen für sich zu vereinnahmen. Dadurch werden zum Beispiel die Bauern abhängig von den politisch motivierten Verteilungseliten, die zwar subjektiv menschliche Ziele anstreben mögen, die aber ebenso in einen Konkurrenzkampf verwickelt sind, indem sie die Steigerung ihrer Art von Profit (= Macht) ins Auge fassen müssen. Um die Mittel der Subventionierung bereitstellen zu können, muß der Staat mehr Abgaben und Steuern eintreiben; dadurch, daß er aber immer mehr Abgaben und Steuern entzieht, bedarf es zur Aufrechterhaltung des Systems (Sicherung der Massenloyalität) mehr "Mittel"Produktion, die ja finanziellen Gewinn bringt und somit der höheren Besteuerung entsprechen kann. Diese Subventionierung treibt also den vorhin geschilderten Teufelskreis nochmals an.

Auch der Konsument geht mit den Mitteln nicht menschengerecht um und spaltet dadurch Bedürfnis und Genuß, unter anderem auch verführt durch das gesteigerte künstliche Warenangebot. Ziel ist nicht mehr, mich gut und gesund zu ernähren, sondern möglichst viele Lebensmittel genießen zu können. Viele Menschen sind dem Konsum verfallen, wodurch sie rückläufig dem Produzenten wieder das Ziel qualitativer Nahrungsmittelproduktion verschleiern. Schließlich geht es gar nicht mehr darum, ob sie sich richtig oder falsch ernähren beziehungsweise in sinnvoller Weise Lebensmittel angeboten werden oder nicht, sondern das Ziel liegt jetzt darin, möglichst viele Mittel zu haben, analog dem Ziel des Produzenten, möglichst viele Mittel auszustoßen.

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