Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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3.1. Konkurrenzgesellschaft: Ziele verschwinden hinter den Mitteln

Unser herrschendes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem - ein durch staatliche Eingriffe und durch Ausgleichsmechanismen der Verbände gezähmtes atomistisch-kompetitives Gesellschaftsmodell - basiert grundsätzlich auf den Macht-Konkurrenz-Beziehungen. Jeder ist vom Handeln anderer abhängig und gleichzeitig herrscht Unsicherheit über die Handlungsweise dieser anderen. In einem solchen System sieht jeder den verläßlichsten Schutz seiner Sicherheit im Vertrauen in die eigene Macht. Die Stärkung der Macht vollzieht sich über die Anhäufung von Mitteln (Steigerung der Unternehmensgröße; Rationalisierung; staatliche Subventionen; institutionelle Macht usw.). Die begründete Vermutung, die anderen häufen Mittel an, um mich aus dem Wettbewerb zu verdrängen, veranlaßt mich selbst -um ihnen zuvorzukommen - Mittel anzuhäufen. Meine Reaktion auf die Position der anderen, die Reaktion der anderen auf meine Position, wird zum Maßstab des Handelns. Jeder nötigt den anderen zur weiteren Anhäufung von Mitteln; denn keiner will ja im Machtkampf untergehen, sondern ihn nach Möglichkeit überlegen bestreiten. Dieser Zwang zum Wettlauf in der Anhäufung der Mittel hat die negative Eigengesetzlichkeit der Mittel zur Konsequenz 24.

Viele Mittel, die wir bislang erfunden haben, um unsere Probleme zu lösen, haben nur andere zum Teil größere Probleme geschaffen. Die herrschende Politik, einen atomaren Weltkrieg zu vermeiden, führt zur Eigengesetzlichkeit des Rüstungswettlaufes mit all seinen entsetzlichen Folgekosten; eine Steigerung des quantitativen Wissens drängt eine gesamtmenschliche Bildung zurück. Unser Wirtschaftssystem brachte eine enorme Hebung des Massenwohlstandes und des Lebensstandards, von der Menschen seit Jahrtausenden nur träumen konnten, andererseits droht die industrielle Produktion die Lebenswelt zu zerstören. Der Marxismus-Leninismus, angetreten, die Klassen abzuschaffen, hat dort, wo er an die Macht gelangte, noch größere Klassenunterschiede geschaffen und dies um den Preis der Niederknüppelung ursprünglicher Freiheitsrechte.

Die Gefahr wird noch gesteigert durch die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Problemkreisen.

Unser Mitteleinsatz ist nicht geprägt von menschlich kontrollierten Zielsetzungen und Zwecken, dies läßt sich zum Beispiel an der Eigendynamik des technischen Fortschritts in unserer von Macht-Konkurrenz-Beziehungen bestimmten Gesellschaft sehr deutlich zeigen. Sobald einer der Machtkontrahenten einen technologischen Durchbruch aufzuweisen hat, stellt sich in der bisherigen Betrachtungsweise gar nicht mehr die Frage, ob hier ein angemessenes Mittel - ein für welche Zwecke angemessenes Mittel? - vorliegt, sondern einzig und allein der Imperativ, diesen technischen Fortschritt einzuholen und im Wettlauf - vorausgreifend - den Machtkontrahenten zu überholen.

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