Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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2.4. Entsolidarisierung und Isolierung

 

2.4.1. Einwand: Soll Ungleichheit zur Normalität werden?

Ein Grundeinkommen begünstigt die Klassenspaltung in unserer Gesellschaft zwischen produzierenden und nicht-produzierenden Menschen. Die Mehrheit der Produzierenden ist im Besitz von Erwerbsarbeit und Wohlstand, der Rest wird in eine gesellschaftliche Subkultur abgedrängt. Solange die Abgrenzung zum Rest gelingt, kann das Kartell der Eliten auf den Stimmenblock der Mehrheitsklasse zählen und wird dadurch auch in die Lage versetzt, Einschränkungsmaßnahmen vor allem auf Kosten derer am Rande der Gesellschaft durchzusetzen. Alle diejenigen Menschen, die im Reichtumssektor auf der Strecke bleiben, werden in den Armutssektor abgeschoben, der so zu einer Art von Reparaturwerkstatt für den Reichtumssektor wird. Dadurch wird die Klassenspaltung zementiert beziehungsweise vergrößert.

Dieser Prozeß wird noch dadurch verstärkt, daß der Aufbau von kleinen sozialen Netzen (der Aufbau des sogenannten "autonomen" Sektors) von den sich in diesem Bereich engagierenden Menschen ein gerüttelt Maß an psychischer Energie erfordert, so daß durch die Abschiebung beschädigter und kranker Menschen in den "autonomen" Sektor der Aufbau solch dezentral-gemeinschaftlich organisierter Einheiten immens erschwert, wenn nicht verunmöglicht wird.

Ein Grundeinkommen würde außerdem - aus verschiedenen Gründen - zu einer massiven Chancenungleichheit führen. Die sinnvolle, kreative Nutzung von erwerbsfreier Zeit muß gelernt sein.

Ein Teil der Bevölkerung ist nicht in der Lage, solche Freisetzungen zu nutzen. Es ist daher vorauszusehen, daß vor allem die Bildungsschichten von einem solchen Grundeinkommen profitieren würden.

Nicht zu übersehen ist, daß der Reichtum an solchen Beziehungen für viele Menschen eine große Belastung darstellt. Daraus entstehen neue soziale Ungleichheiten. Die Zahl derjenigen, die durch eine kommunikative Eigentätigkeit überfordert sind, ist viel höher, als man weithin annimmt.

Die Linie zwischen den Menschen läuft dann nicht mehr zwischen Arbeitsplatzbesitzern und Arbeitslosen, sondern zwischen den Vitalen und den Nicht-Vitalen. Eine solche "Biologisierung" der sozialen Beziehungen kann sich nicht nur auf der Basis eines Sozialdarwinismus behaupten, der die Menschen in Reichtums- und Elendszonen einbindet. Es besteht die Gefahr, daß sich - paradoxerweise - auf einem höheren Zivilisationsniveau ein "Vitalismus" als neue "Rebarbarisierung" der Gesellschaft durchsetzt.

 

Entgegnung: Mehr Gleichheit oder mehr Ungleichheit - das hängt von der Grundordnung der Gesellschaft ab

Dieser Einwand geht in seinem ersten Teil von einer Erfahrung der Steigerung der Produktivkräfte aus, wo nahezu alle unter Arbeitszwang stehen, weil nur die massiv eingesetzte Produktivkraft Produktivität gewährleistet. In einer solchen Gesellschaft war es plausibel, daß nur der essen soll, der seine Arbeitskraft verausgabt. Diese Gesellschaft ist aber mit dem Heraufkommen der neuen Informationstechnologien ihres Fundamentes beraubt. Jetzt sind produktiv solche Kombinationen von lebendiger Arbeitskraft und produzierten Anlagen, in denen Informationsbearbeitung geleistet wird. Produktiv ist also nicht mehr in erster Linie die schwitzende Arbeitskraft.

Parallel dazu steigt die Bedeutung jener Lebensäußerungen, die für das Funktionieren des gesamten ökonomischen Kreislaufes - über die Verausgabung von Arbeitskraft hinaus - bedeutsam sind, also zum Beispiel die Qualifizierung von Arbeitskraft, der Umgang mit den produzierten Gütern und die Kontrolle der gesteigerten Produktivkräfte. An die Stelle des Satzes "wer nicht schwitzt, soll auch nicht essen", tritt in der heraufkommenden, hochproduktiven Gesellschaft der Imperativ: "Wer nicht mitgestaltet und kontrolliert, der soll nicht essen." Wer nichts anderes anzubieten hat als seine Arbeitskraft, der hat ein höchst beschränktes Anrecht auf ökonomische Güter.

Die alten Hauptklassen, nämlich die "Parasiten" gegenüber den "Produktiven" (wobei die Produktiven sich ihrerseits wieder in Lohnabhängige und Produktionsmittelverfüger aufteilen), verlieren allmählich an Bedeutung. Quer durch diese fortbestehenden Klassen zeichnen sich andere Gegensätze ab, nämlich zwischen denen, die bis hin zu den Unternehmensführungen und der Politik - mit größerer und geringerer Reichweite - die Richtung der Produktivkraftentwicklung bestimmen und die Qualität der so produzierten Welt gestalten, gegenüber jener gewiß größeren Zahl von Menschen, die wieder mit unterschiedlicher Reichweite ihres Tuns an dieser Gestaltung nicht teilnehmen, gleichgültig, ob sie dabei ihre Arbeitskraft verausgaben, über Produktionsmittel verfügen oder unproduktiv leben.

A. Gorz ist zuzustimmen, wenn er feststellt, daß die Garantie eines vom Arbeitsplatz unabhängigen Einkommens emanzipatorisch oder repressiv sein kann, "je nachdem, ob sie den Individuen neue Räume individueller und gesellschaftlicher Tätigkeit öffnet oder im Gegenteil nur der gesellschaftliche Lohn für ihre erzwungene Untätigkeit ist 22.

Entscheidend wird dafür sein, ob und wie es gelingt, die gesellschaftlich tragenden Sozialsysteme einer zu erstrebenden neuen Grundordnung aufeinander abzustimmen: die primären (selbstwirtschaftende Einheiten und Kooperativen, kleine soziale Netzwerke usw.) und die sekundären (Markt, Staat, Großindustrie, Verbände) so auszubalancieren, daß die Entlastungs- und Befreiungsfunktion beider sozialen Systeme ihre Entfremdungsfunktion zumindest ausgleichen. Wir werden im dritten Abschnitt auf diese zentrale Thematik zurückkommen.

 

2.4.2. Einwand: Finanzierte Isolierung?

Die Arbeit (und die Mit- und Umwelt, in der sie sich vollzieht) schafft ein verzweigtes Netz von Beziehungen unter den Menschen. Ein Grundeinkommen lockert das Angewiesensein auf andere, verleitet zur Isolation und verstärkt die Vereinzelungs- und Privatisierungstendenz, unterminiert aber gerade dadurch die soziale Erfüllung und Verpflichtung des Menschen. Diese Vereinzelungs- und Vereinsamungstendenz birgt in sich die große Gefahr, umzuschlagen in negative = gewalttätige Formen von Beziehungen, in den aggressiven Kontakt: ich treffe dich, aber nicht bejahend, sondern verneinend; indem ich dich "schlage", spüre ich an deinen Reaktionen, daß du da bist, daß Ich nicht allein bin: die perverse Weise der Kommunikation.

Eine Gesellschaft lebt von den sie tragenden und ihr verpflichteten Menschen. Die Aushöhlung der sozialen Verantwortung gefährdet die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

 

Entgegnung: Demokratisches Engagement befreit aus Isolierung

Unser Wirtschaftssystem baut auf den Macht-Konkurrenz-Beziehungen auf: das Glück des einen nährt sich vom Unglück der anderen. Die Rivalität als Prinzip ist im System verankert: ich kann mein Leben nur gegen dich gewinnen, nicht mit dir zusammen. Die Tendenz zu einer mißtrauischen, egoistischen und asozialen Gesellschaft wird so gefördert; echte Kommunikation zwischen Menschen wird dadurch schwer möglich.

Die Arbeitsbeziehungen sind aufgrund der Tatsache, daß der Mensch noch weithin als technischer Produktionsfaktor bewirtschaftet wird, entfremdet. Sie führen zur Bedeutungslosigkeit, Isolierung und Selbstentfremdung der Menschen.

Wenn eine neue Gesellschaftspolitik nur dieses Grundeinkommen und nichts anderes brächte, bestünde die Gefahr, daß diese - eben aufgezeigte - Tendenz verstärkt wird. Aber gerade ein Grundeinkommen eröffnet aufgrund der Kombination einer staatlich organisierten materiellen Basissicherung in Verbindung mit dem Aufbau und der Stärkung kleinerer Lebensgemeinschaften die Chance, andere = neue Wege einzuschlagen. Sie würde die Nachteile beider herkömmlichen Systeme vermeiden, nämlich einerseits die paternalistischer und "großfamiliärer" Strukturen (= Zwang durch Erpreßbarkeit; Kleingruppendiktatur), wie auch die des isolierenden und zu kostspieligen Sozialstaates.

Demokratisches Engagement impliziert, daß die Staatsbürger wünschen, daß ihr Mitmensch ein freier und unabhängiger Mensch sei und sich als solcher in sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen engagiert. Eine Demokratie, die diesen Namen verdient, bedarf eines freien und unabhängigen Menschen vor allem aus zwei Gründen: zum einen deshalb, weil jede Demokratie davon lebt, daß die Bürger unbehindert von entwürdigender Abhängigkeit ihre Meinung bilden und in Wort und Schrift äußern können, also ohne äußeren Zwang; zum anderen deshalb, weil die politische Demokratie aufbaut auf der Demokratie als gesellschaftlicher Lebensform. Nur Menschen, die in Familie, Schule, Arbeitsleben die Bedingungen vorfinden, demokratisches Ethos zu lernen, mitentscheiden und mitverantworten zu können, werden zu den Subjekten heranreifen, die aus Pflicht und Freude bereit sind, auch für das politische Gemeinwesen Verantwortung zu übernehmen. Nicht eine passive Zuschauerdemokratie, sondern nur eine aktive Teilnehmerdemokratie sichert und vertieft auf Dauer die parlamentarische Staatsform.

 

2.4.3. Einwand: Soll die Auflösung von Bindungen finanziert werden?

Die Behauptung, ein Grundeinkommen schaffe freiere Beziehungen zwischen den Menschen, kann mit gutem Grund angezweifelt werden. Denn die materielle Absicherung verstärkt den Trend, jeder Auseinandersetzung, jedem Streit, der in ein konkretes Leben gehört, auszuweichen, Beziehungen zu fliehen, sich einzuigeln; sich solchen Konflikten nicht zu stellen; den leichteren Weg zu gehen.

Ein Grundeinkommen würde aus diesen Gründen daher auch die heutige Familienstruktur vermehrt gefährden; die Versuchung, bei geringsten Konflikten schon familiäre Bindungen aufzulösen, wird übergroß sein; die Scheidungsrate würde zunehmen. Außerdem verstärkt ein solches Grundeinkommen den Trend zur "Ehe auf Zeit".

Dieselbe Gefahr trifft auch für den Aufbau kleiner sozialer Netze zu. Gemeinsame Projekte zu erarbeiten, gemeinsame Entscheidungen zu treffen - solch kommunikative Prozesse sind äußerst beanspruchend und konfliktträchtig. Einem solchen Anspruch bei den ersten auftauchenden Schwierigkeiten auszuweichen, wird durch ein Grundeinkommen ohne Zweifel gefördert werden.

Mit einem Wort: Ein Grundeinkommen würde die Unverbindlichkeit, die Fluktuation und Entsolidarisierungsprozesse verstärken, da sich die Menschen die Lösung der Konflikte zu billig machen würden.

 

Entgegnung: In Frieden sich trennen können, ermöglicht frei gewählte Bindungen

Eines bleibt wahr: Personale Beziehung, intersubjektive Begegnung setzt die freie Initiative des Menschen voraus. Personale, gerade auch durch positiv ausgetragene Konflikte hindurch vermittelte Einheit kann nur in Freiheit wachsen. "Schlechte" = entmündigende, überfremdende Abhängigkeiten behindern und verhindern zuvor und zumeist ein Leben in Freiheit.

Und ein zweites bleibt wahr: das Befreitsein von solchen "schlechten" Abhängigkeiten fällt nicht fraglos zusammen mit dem Freisein des Menschen; er kann ein "Schein" Freier, ein Gefangener seiner selbst bleiben, der sich unter anderem der Mühe und der Last des Eingehens und des Austragens von Konflikten entzieht.

Bevor ich aber davon sprechen kann, daß die Menschen nach Einführung eines Grundeinkommens Konflikte eher fliehen als sie austragen werden, muß ich ihnen (negativ gesprochen) zuerst einmal - auch materiell - den "Freiheitsraum" für diese Entscheidung verschaffen, oder (positiv gesprochen) muß ich ihnen zuerst einmal real die Chance erweitern, Konflikte positiv bewältigen und durchstehen zu lernen. Dies könnte durch ein Grundeinkommen geschehen.

Aus alltäglicher Erfahrung wissen wir nur zu genau, wie Konflikte in menschliche Katastrophen und Tragödien umschlagen können: in Haß, Rache, Gewalt, Tod. Äußere und innere Spannungen zwischen Menschen lassen oft ein direktes Zusammenwirken nicht mehr zu. Sie können nicht mehr gemeinsam ihren Weg suchen und gehen. Oft wissen wir gar nicht um die Ursachen und Gründe für die Entfremdung. In solchen Situationen wird ein Grundeinkommen die Möglichkeit dafür bieten, gemeinsame Freiheit in dem Sinne ernst zu nehmen und zu verantworten, daß diese Menschen sich in Frieden trennen.

Ein Auseinandergehen in Frieden und Gerechtigkeit wird gerade dort ermöglicht, wo jeder auch über eine materielle Grundsicherung für einen neuen Anfang verfügt. Der oft so grausame, kalte, auf psychologischer Ebene geführte Kleinkrieg kann dadurch vermieden werden. In Frieden auseinandergehen heißt zudem nicht, daß man sich aus den Augen verlieren muß. Eine Zusammenarbeit in anderer Gestalt als der bisherigen wird möglich. Ein Wirken für gemeinsame Anliegen auch unter dem Modus der persönlichen Trennung schließt sich ja nicht aus. Wenn der eine in Not ist, ist der ändere vielleicht da, um zu helfen. Diese gegenseitige Hilfe ist sehr oft die Frucht dieser friedlich vollzogenen Trennung.

Ein Grundeinkommen ist eine nicht unwesentliche Garantie dafür, daß Bindungen freier und verpflichtender eingegangen werden können, da niemand auf das Recht einer freien Lebensgestaltung verzichten, niemand den anderen zu seinem Objekt degradieren, niemand für den anderen zu einer ihn erdrückenden Macht entarten muß.

Die Institution der Familie wird durch ein Grundeinkommen viel eher gestärkt, als geschwächt werden. Und dies aus mehreren Gründen.

Vater und/oder Mutter können sich verstärkt den Kindern widmen, weil nicht mehr beide Elternteile - wie dies in vielen Familien gerade der unteren Einkommenschicht der Fall ist - gezwungen sein werden, einer Erwerbsarbeit nach- zugehen. Das gerade für die Familie oft so zerstörend wirkende Pendler(un)wesen würde entschärft werden. - Besonders den Hausfrauen würde durch ein Grundeinkommen ein größerer Freiraum eröffnet werden, nicht zuletzt durch die Möglichkeit, eine sie bereichernde Teilzeitbeschäftigung anzunehmen. Generell kann gesagt werden, daß der Wandel von einer patriarchalisch-strukturierten zu einer partnerschaftlich gestalteten Familie, in der alle freier atmen können, gefördert werden würde.

Experimente für Großfamilien (bei Wahrung der persönlichen Sphäre der Familie), die Organisation von Kindergarten, Vorschulen, sozialen Netzen, auch Basisgemeinden und Kontrastgesellschaften könnten mithelfen, den Freiheitsraum und Lebensraum der Familie und den unmittelbaren Bezug von Mensch zu Mensch im Binnenraum der Familie zu vergrößern und zu vertiefen.

Der Familie wird heute vielfach die Aufgabe zugemutet, all das zu heilen, was am Menschen in der technisch-sozialen Werkwelt zerstört wird. Nicht selten zerbricht die Familie an dieser Zumutung. Dem äußeren Druck der gesellschaftlichen Zwänge und Destruktivkräfte steht sie ohne hineinreichende Reserven gegenüber. Die durch ein Grundeinkommen freigesetzten Kräfte zu einer Humanisierung der sozioökonomischen Strukturen sind daher mit eine Voraussetzung der Befreiung der Familie. Wer könnte leugnen, daß die Entfaltung, ja Rettung der Initiativkräfte des Menschen, verbunden mit einem Abbau der Zwänge, psychischer und sozialer Erkrankungen und Störungen, einen entscheidend positiven Einfluß auf die Gestaltung des Familienlebens hätte? Wie anderseits für die Gesellschaft die Familie als der Ort unersetzbar bleibt, an dem der einzelne Mensch zu seiner seelisch-geistigen und biologisch-sexuellen Reife her- anwächst und in dem die primären Wurzeln unserer Gemeinschaftsfähigkeit liegen.

 

2.4.4. Einwand:

Wer kümmert sich in Zukunft um den Nächsten?

Ein Grundeinkommen würde die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen noch stärker entpersönlichen und anonymer gestalten als dies jetzt schon der Fall ist, da die caritative Zuwendung, der intersubjektive Dienst von Mensch zu Mensch delegiert werden könnte an die organisierte und institutionalisierte Form der Menschenfreundlichkeit, sprich "Grundeinkommen". Durch diese (scheinbare) Entlastung der Menschen, würde die Nachbarschaftshilfe gerade untergraben ("was kümmert mich der Nächste; wir haben ohnehin für ihn vorgesorgt") und unsere Gesellschaft noch kälter und liebloser werden, als sie ohnehin schon ist.

 

Entgegnung: Befreit von entmündigenden Abhängigkeiten - frei für Nächstenhilfe

In gesellschaftlichen Strukturen, die entmündigende Abhängigkeiten und Not produzieren, führt "Caritas" oft - gegen alle gute Intention - zur Stabilisierung dessen, was diese Ungerechtigkeit und schlechte Abhängigkeit immer wieder erzeugt. Durch die Linderung aktueller Not kuriert Caritas oft nur an Symptomen und wird so nicht selten zu einem Beschwichtigungsmittel - nicht zuletzt der Machteliten.

Die private Caritas war und ist oft überfordert, mit den zu lösenden Problemen fertig zu werden. Sie impliziert auch die Gefahr, die auf sie angewiesenen Menschen erneut von "freundlichen Spendern" abhängig zu machen. In "caritativer Hilfe" genießt man oft die eigene Macht gegenüber dem Hilfsbedürftigen. Vernutzung der anderen für die eigene "Selbstverwirklichung": das Drängen um den Nächsten für mich selbst. Die raffinierte Strategie eines scheinbaren Altruismus: ich beweise mir so, daß ich etwas vermag; der andere braucht mich, also muß ich etwas wert sein; wie gut bin ich, daß ich solche Opfer bringen kann; wie selbstlos bin ich, daß ich nicht an mich denke, sondern an die anderen.

Das Grundeinkommen, das den Menschen von "schlechten" Abhängigkeiten befreit, ist kein Rivale der Caritas; es schafft vielmehr durch freie und/oder gemeinsam sich auferlegte Verpflichtungen den Raum für einen gegenseitig sich freigebenden Dienst.

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