Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

Startseite


2.1. Leistungssicherung und Leistungsgerechtigkeit

 

2.1.1. Einwand: Wo bleibt die Gegenleistung?

Der Bezug eines Einkommens ohne Erwerbsarbeit verstößt gegen das Prinzip der "Distribution" Gerechtigkeit, das heißt, es ist weder fair noch gerecht, daß einige Menschen ein Grundeinkommen beziehen, ohne dafür arbeiten zu müssen, während die anderen durch ihre Erwerbsarbeit nicht nur ihr eigenes Einkommen zu verdienen, sondern auch das Geld für die Grundeinkommensbezieher aufzubringen haben. Diejenigen, die arbeiten, werden nie verstehen, warum sie arbeiten sollten, um die zu unterstützen, die es vorziehen, nicht zu arbeiten. Wer arbeiten kann, aber nicht will, soll auch nicht essen.

Von einem Grundsatz sollte man nicht abweichen: keine Leistung des Gemeinwesens ohne Gegenleistung der Bürger. Gibt man diesen Grundsatz auf, kann eine unverschämte Anspruchshaltung sich ausbreiten. Ausgenommen davon sind immer die Menschen, die eine Gegenleistung nicht erbringen können. Für sie ist durch unser System der sozialen Sicherheit schon vorgesorgt, ein Grundeinkommen für diejenigen also schon verwirklicht, die es wirklich "verdienen".

 

Entgegnung: Reichtum und Ansehen beruhen selten auf Leistung

Ist es gerecht, wenn jemand "etwas für nichts" erhält? Einer Leistung hat auch eine Gegenleistung zu entsprechen. Dieses Gegenargument ist generell jedenfalls nicht zurückzuweisen. Es läßt sich aber zeigen, wie sehr dieses Prinzip der Leistungsgerechtigkeit im Kontext unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit bereits relativiert ist.

- Unsere gegenwärtige Produktionsweise ist weniger von der aktuellen Arbeit bestimmt, sondern stärker von der "gefrorenen" Arbeit, das heißt von den leistungsfähigen Maschinen, den Computern, Robotern und Automaten. Die enorme Erhöhung des Gütervolumens ist vor allem auch der Steigerung der Produktivkräfte zuzurechnen und nicht nur den einzelnen Menschen; insofern wäre es falsch, die Lebenschancen der Menschen nur an die aktuelle und individuelle Arbeit zu binden. Hier taucht das alte Zurechnungsproblem auf. Es ist unmöglich, den Arbeitsertrag (das auch durch die Maschinen erstellte Güter- und Dienstleistungsvolumen) den einzelnen Akteuren (gerecht) zuzurechnen. Sind in einem Jahr zum Beispiel die Produktivkräfte sehr stark gewachsen: welcher Anteil ist dem einzelnen in diesem Fall zuzuschreiben?

- Um zu veranschaulichen, wie sehr das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit in unserer Gesellschaft durchlöchert ist, eignen sich auch sehr gut die ungeheuren Summen von Subventionen, die der Staat jährlich in direkter wie auch indirekter (zum Beispiel durch Steuernachlässe) Form austeilt. Viele erhalten: "etwas für nichts". Bauern zum Beispiel dafür, daß sie nichts anbauen; die Milliarden, die wir in die verstaatlichte Industrie pumpen und steinreichen multinationalen Konzernen zur Verfügung stellen; die Milliarden, die wir in den Ausbau der Infrastruktur stecken; die Steuervorteile, die wir den Reichen gewähren; wer profitiert von all den Subventionen mehr als andere, wer profitiert davon überhaupt nicht? Was heißt in all diesen Fällen: Leistungsgerechtigkeit? Es wäre einmal genau zu prüfen, wieviel der staatlichen Subventionsmilliarden an die gehen, die schon "haben" und wieviele an diejenigen, die "nichts" haben außer ihrer Arbeitskraft.

Ein Zitat von Ignaz Kiechle, Bundeslandwirtschaftsminister der BRD, ist in diesem Zusammenhang erhellend: "Wenn man weiß, daß wir subventionierte Kohle fordern, mit ihr dann subventionierten Stahl produzieren, den wir mit der subventionierten Bundesbahn zu subventionierten Werften fahren, wo Schiffe gebaut werden, die keiner auf dem Weltmarkt haben will, dann weiß man, wie gut eigentlich die Agrarpolitik ist15." Und - so könnte man fragen - wäre es nicht sinnvoller, ein Grundeinkommen einzuführen, das den Arbeitsmarkt entlasten und den Zwang zu sinnloser, oft schädlicher, mit allgemeinen Steuergeldern subventionierter Produktion vermindern würde?

Die Frage der "Leistungsgerechtigkeit" ist zudem noch aus einer grundsätzlicheren Perspektive zu beurteilen. Die Fülle gegenwärtigen Lebens ist nicht denkbar ohne die "Tradition", ohne das wertvolle kulturelle Erbe, das von einer Epoche der anderen weitergegeben wurde. Jede Generation kommt von allem Anfang an aus dem sie tragenden "Vorweg" zu sich selbst. Sie empfängt das Dasein, ohne es "verdient" zu haben.

Wenn niemandem zusteht, was er nicht selbst erarbeitet hat, wie steht es dann mit dem Erbe, das viele empfangen, ohne es verdient zu haben? Ein Kind ist von reichen, ein anderes von armen Eltern geboren. Wieviel dieses Reichtums ist durch Ausbeutung zustande gekommen - wenn es wahr ist, daß es wenige Leistungen gibt, die nicht durch die unzähligen Vorleistungen anderer Menschen erst ermöglicht werden?

Wie steht es mit der wachsenden Zahl der modernen "Rentiers", die von einem arbeitslosen Einkommen, das heißt von den Zinsen ihres Vermögens leben? Viele von denen, die am meisten verdient haben, haben gleichzeitig der Gesellschaft ungeheuren Schaden zugefügt!

Zudem gibt es Begabungen, die für den Menschen an ein uneinholbares Vorweg gebunden sind (die äußere Erscheinung; Talente), die ihm Vorteile sichern, ohne sie "verdient" zu haben.

 

2.1.2. Einwand: Soll das Nichtstun gefördert werden?

Ein Grundeinkommen unterminiert die menschliche Schaffensfreude, da es den Menschen zu Untätigkeit verleitet. Einer Freiheit ohne Opfer und ohne Einsatz fehlt die Herausforderung. Die Kehrseite der Arbeitsfron ist nicht eine positive Muße, eine Selbstfindung, sondern passives Nichtstun, Trägheit. Die meisten fliehen aus der Arbeitswelt in den regressiven Zustand bloßen Konsumierens: die Gefahr des Umschlagens der disziplinierten, leistungsorientierten Lebensführung in die Passivität.

Das menschliche Leben kann aber gar nicht rein "passiv" gelebt werden. Worin soll sich der Sinn des menschlichen Lebens vollziehen, wenn nicht durch die Arbeit, durch die der Mensch erst zu einem kreativen, aktiven und produktiven Wesen wird.

 

Entgegnung: Nicht aus dem Elend kommt die eigentliche Herausforderung

Dieser Einwand macht die Voraussetzung, daß Menschen nur unter Drohung des Existenzverlustes kreativ sind. Heute ist es so, daß die Arbeit für sehr viele Menschen einen sinnlosen Mechanismus darstellt: Langeweile, Erschöpfung, Nervosität, Desinteresse sind die Folgen. Die Arbeitsbedingungen töten oft geistig-schöpferische Kraft.

Ein Aspekt an diesem Gegenargument ist bedeutsam. Gefordert zu sein, ist wichtig für den Menschen. Mildert ein Grundeinkommen den Pegel an Herausforderung? Überhaupt nicht. Die wesentlichen Herausforderungen unserer Gesellschaft sind andere, als durch Mehrarbeit die Wiederankurbelung eines ökonomischen Antriebsmechanismus zu unterstützen, der zunehmend unsere Lebenswelt zerstört.

Umgekehrt kann man sagen: wer in einer auf abgestufte Lebensstandards fixierten Gesellschaft nahe dem Existenzminimum lebt, oder von seinen "Intimgegnern" abhängig ist (die unwillige Kindesmutter, der junge Ausbrecher, der "gewissenhafte" Untergebene), für den wird das Grundeinkommen eine Öffnung zu anderen Herausforderungen erst ermöglichen.

Der materielle Anreiz ist zudem nicht der einzige Impuls, der den Menschen aktiv und tätig werden läßt, sondern genauso Freude, soziale Anerkennung, Neugier und Interesse, Sinn für soziales und politisches Engagement. Der Beispiele gibt es genug: Wissenschafter, Künstler, Sportler, Menschen, die ihre Lieblingsbeschäftigung pflegen. Also: die Chance, kreativ und innovativ zu sein, wächst.

 

2.1.3. Einwand: Wer verantwortet den Leistungsverfall?

Das Grundeinkommen ist ein Angriff auf das für die Gesellschaft so notwendige Leistungsprinzip. Die Tüchtigen und Leistungsbereiten würden jede Motivation und jeden Anreiz für Leistung verlieren, Drückeberger und Schmarotzer würden gefördert, der Wille, sich selbst zu helfen, würde untergraben werden.

Ein Grundeinkommen würde somit auch unser Wirtschaftssystem - die "soziale Marktwirtschaft" - unterhöhlen, damit aber ein Wirtschaftssystem, das gerade auch den untersten Schichten einen Lebensstandard ermöglichte, von dem Menschen Jahrtausende nur träumen konnten.

 

Entgegnung: Humane Leistung geht über Erwerbsarbeit hinaus

Wer Leistung sagt, sagt zumeist, es gibt eine Gratifikation, die einer Leistung entspricht. Nun werden in unserer Gesellschaft häufig fragwürdige Leistungen sehr hoch belohnt (der Manager eines Rüstungsbetriebes zum Beispiel), dagegen lebensfreundliche Leistungen gering entlohnt, ja oft kaum wahrgenommen, so das meiste, das in den Beziehungen der Menschen geschieht: Aufwachsen, Entfalten von Fähigkeiten, Pflegen und Erziehen.

Weiters ist in dem - im engeren Sinne - als ökonomisch bezeichneten Lebensbereich die Zurechnung einer bestimmten Leistung zu einem gesamtwirtschaftlichen Ergebnis in einer hochkomplexen Gesellschaft nur mehr sehr bedingt möglich.

Nehmen wir das Beispiel eines Kontrollarbeiters, der einen weitgehend automatisierten Produktionsablauf von seinem Schalterstand aus überwacht, vielleicht ohne über Stunden hinweg in den Produktionsprozeß einzugreifen; er trägt mit seiner Leistung zu einem Millionengewinn oder Millionenverlust bei, wobei die Anlage weder von ihm entworfen, noch gebaut wurde, noch kontrolliert er die vielen anderen Stufen an Vorleistungen, Vermarktung, Integration des Produkts in die Lebenswelt. Mit anderen Worten: der Wert des Ergebnisses mag zwischen minus einer Million und plus einer Million schwanken - welchen Wert es tatsächlich hat, liegt jedoch letztlich nicht an seiner Leistung.

Je mehr unserer Gesellschaft die Erwerbsarbeit ausgeht, das heißt dort, wo es immer mehr Menschen verwehrt wird, Erwerbsarbeit zu leisten, wird die Berufung auf das Leistungsprinzip sinnlos.

Nicht vergessen werden darf, daß es gerade die Machteliten unserer Gesellschaft sind, die ihre Macht und ihr Prestige aus einem Übermaß an Arbeit beziehen ("Streß" als Nachweis "dazu zu gehören"); sie erfahren die Wende zu einer Muße- und Tätigkeitsgesellschaft daher auch als Bedrohung und denunzieren sie als Werte- und Sittenverfall

"Leistung" für ein effizientes Wirtschaften muß aber nicht notwendig Selbstzweck sein und eine Gesellschaft anzielen, die unter dem Vorzeichen des Mehrhabens steht, der Gewinn- und Wachstumsmaximierung, der Ausbeutung der Natur und eines Prestigekonsums. Humane Leistung kann auch aus einem Mehrsein des Menschen erwachsen und daher bei aller notwendigen Bereitstellung materieller Güter ganzheitlich, das heißt auf die geistig-seelisch-kulturelle Entfaltung des Menschen, seine Freiheit und soziale Verantwortung hin ausgerichtet sein. Sie umfaßt dann die Erweckung und den Ausbau der sozialschöpferischen Kräfte des Menschen, sie läßt das richtig verstandene "Recht auf Faulheit" wieder zur Geltung kommen, das heißt, das Recht auf Muße, auf Kontemplation und Meditation, des Unnütz-sein-dürfens; sie impliziert zu guter Letzt Verhaltensweisen, die die Hilfe für Randschichten und "vergessene" Gruppen mit einschließt.

Das Vorurteil der bürgerlichen Gesellschaft und damit unseres Zeitalters besteht eben darin, daß die "vita activa" nur im Bereich der Landwirtschaft, der Industrie und der Verwaltung exerziert werden kann: in diesen drei epochen-typischen Arbeitsformen. Um was es heute geht, ist die Ausweitung des Arbeitsfeldes auf "Tätigkeit". Man kann tätig sein in den vielfältigen sozialen Zuwendungen zum anderen Menschen, in der Steigerung der eigenen körperlichen und intellektuellen Leistung, durch fortwährendes Lernen und Sich-Bilden usw. In der europäischen Neuzeit ist die Erwerbsarbeit zum Inbegriff allen Handelns geworden; dies ist jedoch eine Verkürzung der menschlichen Wirklichkeit. In anderen Epochen wurde diese Arbeit auf Sklaven und Unterschichten abgeschoben: Menschsein dagegen begann mit der Welt einer aktiven Mußekultur.

Ein Grundeinkommen verstößt zudem ganz sicher nicht gegen das Konzept einer "sozialen Marktwirtschaft" - einmal angenommen, es sei ein sinnvolles Konzept-, weil ja gerade dieses Konzept zum Unterschied einer reinen Marktsteuerung den Anspruch stellt, eine "zweite Einkommensverteilung" zu gewährleisten. Ob ein Grundeinkommen eine sinnvolle Methode dieser "zweiten Einkommensverteilung" ist, wäre dann nur eine pragmatisch zu entscheidende Frage.

Nicht zu übersehen ist auch, daß durch ein Grundeinkommen die Initiative zur Neugründung von Unternehmen

- gerade auf der Basis der Selbstverwaltung - zunehmen würde. Die Güter dieser Selbstverwaltungsbetriebe werden nicht mit den Massenprodukten der Großbetriebe in Konkurrenz treten, sondern gemäß individuellen Kundenwünschen verfertigt werden; Qualitätsmaßstäbe und Langlebigkeit der Güter werden im Vordergrund stehen. Ein Grundeinkommen bietet solchen Betrieben die Möglichkeit, marktorientiert zu arbeiten, aber nicht marktintegriert sein zu müssen17

Ohne Zweifel würde das "freie Unternehmertum" gerade durch ein Grundeinkommen wiederbelebt und gestärkt werden. Das "freie Unternehmertum" setzt Menschen voraus, die aus freier Initiative heraus handeln - und damit auch gesellschaftliche Bedingungen, aufgrund derer sich diese Initiativen entfalten können.

Die herrschende Ökonomie (so auch das Konzept der "sozialen Marktwirtschaft") ist die politische Ökonomie der Industriegesellschaft. Wenn diese Industriegesellschaft sich entscheidend wandelt, bedarf es auch neuer ökonomischer Konzepte.

 

2.1.4. Einwand: Eine Gesellschaft ohne Müllarbeiter und Krankenpfleger, aber reich an Schwarzarbeitern?

Die jedermann lästigen, miesen, harten, als öffentlich abwertend bis diskriminierend erfahrenen, aber für die Gesellschaft unerläßlichen Arbeiten würden bei Einführung des Grundeinkommens kaum noch getan werden; jeder würde nur seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen. Die Konsequenzen für die Gesellschaft wären katastrophal. Diejenigen, die glauben, daß der Mensch auch dann die unangenehmen Arbeiten zu tun wünscht, wenn er nicht dazu gezwungen wird, kennt die Wirklichkeit nicht; sie sprechen aus der Position eines gesicherten und geschützten Lebens.

Außerdem würde die Schwarzarbeit überproportional mit allen Folgen zunehmen: Erhöhung der Arbeitslosigkeit

- vor allem durch die Ruinierung der handwerklichen Berufe; Rückgang des Steueraufkommens und der Beitragsleistungen zur Finanzierung der sozialen Sicherheit und des Grundeinkommens.

 

Entgegnung: Grundeinkommen ermöglicht gerechtere Bewertung "schlechter" Arbeit und fordert Eigenarbeit und Nachbarschaftshilfe

Die miesen und harten Arbeiten werden dann, wenn sie besser bezahlt und wenn ihre Rahmenbedingungen positiver gestaltet werden, auch nachgefragt werden. Das höhere Lohnniveau wäre eine Art Spiegelbild für die Notwendigkeit und den Wert dieser Arbeiten für die Gesamtgesellschaft. Höhere Löhne werden dann Anreiz dafür sein, diese lästigen Arbeiten durch Maschineneinsatz zu ersetzen.

Wenn jemand sich am Rand zum beruflichen Abstieg befindet, dann wird er zur Arbeit in dem Sinne "motiviert", daß er sich sagt, ich suche irgendeine Arbeit, ganz gleich welche; ich schaue, daß ich sie irgendwie überstehe, und im übrigen mein Geld verdiene. Es fehlt heute für die Kapitalverfüger vielfach der Anreiz, menschenwürdige Arbeitsmöglichkeiten anzubieten. Es ist nur zu begrüßen, wenn -bedingt durch ein Grundeinkommen - gerade die inhumanen Arbeitsplätze attraktiver gestaltet werden müssen. Ein Grundeinkommen fördert so die Humanisierung der Arbeitswelt.

Eine übermäßige Flucht aus dem Arbeitsmarkt und eine ebenso übermäßige Beanspruchung des Grundeinkommens könnte in der Weise vermieden werden, "daß sich das Gefälle zwischen garantierten Minimaleinkommen und den am Arbeitsmarkt erzielten Einkommen ja ohne Schwierigkeiten... fein regulieren ließe18". Die "Angst vor den Faulenzern" wird auch durch die Konsumansprüche der Menschen relativiert. Das Grundeinkommen wird nie so hoch sein können, "daß es den verbreiteten Konsumansprüchen genügt 19 ".

Die Grenze zwischen legaler und illegaler, zwischen gewünschter und unerwünschter Schwarzarbeit zu ziehen, ist nicht leicht. Eine "Schwarzarbeit" kann mit Geld, aber auch mit Naturalien oder mit Gegendiensten bezahlt werden. Die Grenze zwischen Schwarzarbeit einerseits und Eigenarbeit und Nachbarschaftshilfe andererseits ist fließend. Gemeinhin bezeichnen wir diejenige Arbeit als illegale Schwarzarbeit, die mittels Geld entlohnt und dem Fiskus verheimlicht wird.

Wenn dieser legale/illegale Bereich der Schwarzarbeit nicht existierte, würden viele wertvolle Arbeiten und Dienste nicht getan; bedeutendes Volksvermögen (zum Beispiel Häuser) würde nicht geschaffen, und ein ansehnliches Volumen an auch Arbeitsplätze schaffender Nachfrage (zum Beispiel nach Baumaterialien oder aus Einkommen durch Schwarzarbeit) würde nicht entstehen.

Die Schwarzarbeit ist dann schlecht, wenn sie gewisse Proportionen überschreitet; weil sie dann handwerkliche Berufe gefährdet und dem Staat die Einnahmen vorenthält, die er zur Sicherung des sozialen Systems benötigt; sie ist aber auch dann asozial, wenn sie wichtige Standards der Produktqualität ruiniert (wenn zum Beispiel jemand ein Haus ohne Berücksichtigung der Statik aufzieht).

Das Ausmaß der Schwarzarbeit hängt-wie Joseph Huber sehr anschaulich zeigt - von einer Kombination mehrerer Faktoren ab: " Vom teuren Preis handwerklicher und anderer Dienstleistungen; von der hohen Abgabenbelastung dieser Leistungen, die besonders Kleinbetriebe und kleine Freiberufler spüren; von der Steuerprogression und dem damit verbundenen Grolleffekt der betreffenden Steuerzahler; von möglicher Übernachfrage (zum Beispiel zu lange Wartezeiten); von hinderlichen bürokratischen Auflagen, die man kurzerhand umgeht; schließlich auch von der Quote der Arbeitslosen, die schon einmal als Taglöhner auf eigene Faust schwarz arbeiten. Fast alle diese Faktoren weisen darauf hin, daß es ein Irrtum ist, zu meinen, würde man den schwarzen Erwerb unterdrücken können, so ergäben sich daraus mehr weiße Arbeitsplätze. Die entsprechenden Dienste würden überwiegend einfach nicht nachgefragt 21".

Ein Grundeinkommen würde die Eigenarbeit und Nachbarschaftshilfe fördern; das Ausmaß der Schwarzarbeit würde nur dann intolerabel ansteigen, wenn der Staat nicht die genannten Faktoren entschärfte, die diese Übernachfrage nach Schwarzarbeit bewirken. Setzt der Staat diese Maßnahmen, dann könnte sich ein Grundeinkommen im Sinne der Förderung des Qualitätswettbewerbes - auch in diesem Bereich - als nützlich erweisen.

Die kriminelle Untergrundwirtschaft könnte durch ein Grundeinkommen in so manchen Bereichen (zum Beispiel gerade in der Gestalt von Leiharbeiter-Ringen, unterbezahlter Heimarbeit) zurückgedrängt werden.

zurück zur Übersicht Kapitel 2