Text aus:
Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt:
Grundeinkommen ohne Arbeit
1985, ISBN 3-203-50898-2
Katholische Sozialakademie Österreich

Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit

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1.3. Den eigenen Beruf finden

Die persönliche Entfaltung eines Menschen hängt auch entscheidend von seinem Beruf ab. Deshalb ist die berufliche Planung und die Freiheit der Berufswahl - auf der Basis von Eignung und Neigung - von grundlegender Bedeutung für den Menschen. Zudem kann sich ein Berufsethos nur dort herausbilden, wo der Mensch auch Freude an seinem Beruf hat, wo er sich seiner Freiheit und seiner Verantwortung bewußt ist. Je größer die Freude am Beruf, desto größer die Leistung, desto mehr dient der einzelne auch der Gesamtgesellschaft.

Ein Grundeinkommen würde die Berufswahl gerade junger Menschen entkrampfen, sie müßte nicht nur unter dem Zwang einer zukünftigen Einkommenssicherung erfolgen. Ein Grundeinkommen würde vielmehr die Möglichkeit eröffnen, einen Beruf zu wählen, der der Berufung, der Neigung, der Fähigkeit - der physischen und psychischen Eignung - eines Menschen entspricht. Die Chancengerechtigkeit in der Berufswahl würde erhöht.

Ein Grundeinkommen könnte weiters bewirken, daß jemand nur dann Arbeit am Arbeitsmarkt nachfragt, wenn dort eine sinnvolle Arbeit angeboten wird. Der nachlassende Zwang, beliebig Beschäftigung annehmen zu müssen, eröffnet mehr Wahlmöglichkeiten, so daß der Mensch eher seinem Charisma und seinen Lebenswünschen folgen kann.

Menschen, die ihre Tätigkeit als sinnvoll empfinden, die vielleicht sogar mit ihrer Lieblingsbeschäftigung zusammenfällt, werden auch für die Gesellschaft als Ganze produktiver und nützlicher sein.

Der Konflikt - zum Beispiel -, den ein Lehrer durchzustehen hatte, weil seine Auffassungen von notwendigen Reformen und politischem Handeln in seinem Schulalltag nicht lebbar waren, führte zu einer psychosomatischen Erkrankung, die nicht nur für ihn mit starkem Leidensdruck, sondern auch für die Gesellschaft mit hohen Kosten verbunden war. Der Ausweg - eine " Frühpensionierung", also eine Art von Grundeinkommen - hatte positive Folgen: einerseits konnte er sein politisches Handeln entfalten; er baute eine Arbeitsgemeinschaft "Luft und Lärm" auf- eine entscheidende Initiative für die Region; andererseits konnte er seine handwerklichen Fähigkeiten verwirklichen und seine Produkte als Holzdrechsler verkaufen. Sowohl die Produktivität im politischen Sinn wie auch eine Tätigkeit, die die Welt etwas schöner macht, waren um einen geringen Preis möglich geworden. Wäre dieses Grundeinkommen nicht die Frühpension, sondern eine normal zu wählende materielle Basissicherung gewesen, wäre der Lehrer vielleicht auch in der Schule produktiver geworden, weil er mit geringerer Existenzangst hätte handeln können.

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