Inhalt: Grundeinkommen ohne Arbeit
1.2. Freiheit bedarf der Alternativen
Nur dort, wo die Möglichkeit zur Wahl von Alternativen besteht, kann sich Freiheit als Handlungsfreiheit verwirklichen. Eine wesentliche Bedingung dafür, die Freiheitsfähigkeit und Freiheitsbereitschaft entfalten, den Aktions- und Handlungsspielraum der Freiheit erweitern zu können-gerade auch im Hinblick darauf, in Freiheit Bindungen einzugehen und soziale Verantwortung zu übernehmen-, könnte die Existenzsicherung durch ein Grundeinkommen sein. Ohne einen solchen materiellen Ermöglichungsgrund wird der Mensch immer wieder zu einem schlechten Gehorsam gegenüber Instanzen der Macht oder ihn absorbierenden Abhängigkeiten gezwungen. Ein Mensch, der mangels einer materiellen Basissicherung unter Druck und Angst lebt, vermag zumeist nicht, das ihm anvertraute Leben in Selbstannahme und Verantwortung zu wagen.
Für eine zunehmende Zahl von Menschen sind die Chancen für eine Entfaltung ihrer menschlichen Möglichkeiten dadurch wesentlich eingeschränkt, daß sie über kein Einkommen verfügen oder sich ein Einkommen aus einer Arbeit verdienen müssen, das sie zur Anpassung zwingt, einer Anpassung, die sich als Leistungs- und Pflichterfüllung ausgibt.
Der junge Mann, der sich gegen seine tiefere Überzeugung der Rüstungsforschung verschreibt; die Frau, die sich in die Ehe flüchtet; Zwangspartnerschaften zwischen Mann und Frau, Jung und Alt. "Oder denken wir an einen Jugendlichen, der in einem schweren Konflikt mit seinem neurotischen oder zerstörungssüchtigen Vater lebt, dessen - des Sohnes - seelische Gesundheit gerettet werden könnte, wenn er frei wäre, seine Familie zu verlassen"8
Finanzielle Abhängigkeit, die nicht sein müßte, schränkt die Freiheit wesentlich ein, erschwert die freie Wahl der eigenen Lebensgestaltung, fesselt Menschen mehr als die jetzt wieder zunehmende Gefährdung, die ihnen vom Absinken ihrer Chancen auf dem Arbeitsmarkt droht.
Einkommenslosigkeit kann die verschiedensten Ursachen haben, kann schuldhaft oder nicht-schuldhaft entstanden sein. Dabei ist nicht nur an die offiziell als Arbeitslose registrierten Menschen zu denken, die zumindest hierzulande einigermaßen mit Einkommen versorgt sind, sondern an die rasch wachsende Zahl derer, die in Statistiken nicht zu finden sind und keine oder völlig ungenügende sozialstaatliche Einkommenszuweisungen empfangen: das sind die Schulabgänger ohne Arbeitschance, das sind die langjährig Arbeitslosen, die von ihren vergeblichen Suchbemühungen und von den Sekundärfolgen des sozialen Abstiegs so entmutigt sind, daß sie weder Arbeit noch Arbeitslosengelder nachfragen -, und das sind vor allem Zehntausende von Frauen, die aus ihrer Familiensituation heraus auf dem Arbeitsmarkt nicht auftreten oder keine Chance finden, die aber oft genug auch nicht jenes Wissen haben, das einige öffentliche Geldhähne für sie öffnen könnte. Von daher entsteht der Druck auf die Politik, Abstell-"Garagen" zu finanzieren, wie ein Jahr mehr Schullangeweile oder Soldaten auf Zeit, um den Arbeitsmarkt zu entlasten.
Die schlechte psychische, moralische oder materielle Abhängigkeit so vieler Menschen von anderen Menschen oder "struktureller Gewalt" mangels einer ökonomischen Grundsicherung ihres Lebens macht sie zum bestimmbaren Material der Umstände und Bedingungen ihrer Existenz und raubt ihrem Leben die Chance, neue Dimensionen zu gewinnen.