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SPIEGEL SPECIAL 5/1996 Seite 10:

Das Geldwunder von Wörgl

Aufschwung durch Banknoten mit Werteverlust

"Etwas Schwund ist immer", lautet eine alte Lebensregel. Und natürlich gilt sie auch fürs Geld. Doch der Bürgermeister des 4200-Seelen-Dorfes Wörgl in Tirol schaffte 1932 das Kunststück, aus Geldschwund Kapital zu schlagen. Die Weltwirtschaftskrise hatte 400 Wörgler Bürger arbeitslos gemacht; keine Bank hätte der überschuldeten Gemeinde auch nur einen weiteren Schilling Kredit gegeben, um Gehälter oder Sozialhilfe auszuzahlen. Wörgl war bankrott.

Um die Kasse wieder aufzufüllen, heckte der Bürgermeister einen unkonventionellen Plan aus: In einer Art Bündnis für Arbeit rückten alle Wörgler Bürger zusammen und ermächtigten die Gemeinde, sogenanntes Schwundgeld in Umlauf zu bringen: Monat für Monat verloren die Scheine ein Prozent ihres Wertes.

Mit der flüchtigen Währung, deren eigentlicher Erfinder der Geldreformer Silvio Gesell war, legte Wörgl ein Beschäftigungsprogramm auf, ließ Straßen asphaltieren und das Kanalisationsnetz ausbauen. Rund hundert Arbeitslose fanden so ein neues Auskommen. Geschwind wanderte das Geld von Hand zu Hand, ehe schließlich Gemeindesteuern oder Wasserrechnungen beglichen wurden. Die Folge: Wörgl war stets gut bei Kasse.

Erst nach 13 Monaten endete das Wirtschaftswunder von Wörgl: Die Notenbank verbot das Schwundgeld. Seitdem verschwindet das Geld auch in Wörgl wieder ganz von selbst.

Thomas H. Wendel


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Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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