Hideki Kashida
Der Inhaber des Restaurants »MOMO«, Eiji Ishikawa, mag die YUFU-Scheine, weil sie nicht durch seine Kasse laufen müssen. Für Mahlzeiten in seinem Restaurant kann man bis zu 1 YUFU zur Bezahlung beisteuern. |
Was heisst "regionale Gesellschaft"? Nachdem Ryûji Urata (37) elf Jahre lang in Tokyo gelebt hatte und vor sechs Jahren in seine Heimatstadt Yufu'in, Ôita-ken, zurückgekehrt war, stiess er ein Jahr später auf dieses Wort. Dann erzählte er die Geschichte, wie er 1996 nach Kusahara, Hijiyûdai, auf Okinawa umgezogen ist, wo sich das Manövergelände der amerikanischen Marineinfanterie befindet. An der amerikanischen Armee war er nicht so interessiert, aber er bekam die Gelegenheit, zum Hauptbeauftragten für ein Netzwerk zwischen Individuen und Gruppen zu werden, in dem zwischen dem Standort der amerikanischen Verteidigungskräfte und Japan irgendwie ein lokales Netz Oita - Hijiyûdai aufgebaut werden sollte. Als im Februar '99 das Manöver der amerikanischen Streitkräfte in Hijiyûdai begann, investierte er seine ganze Kraft in eine Gegenbewegung. An diesem Punkt suchte Herr Urata eine Antwort auf die Frage, wie er dort gut leben könnte. "Die Frage betrifft die Gefährdung einer guten Region. Aber wodurch wird die Region ganz konkret bedroht? Wie könnte ich die Region schützen? Erst da kam dann die Frage auf, worin eine Region eigentlich besteht. Das Problem mit den amerikanischen Streitkräften hat mich zum Nachdenken gebracht." Im Mai desselben Jahres sah er dann in dem Fernsehfilm "Ende no yuigon",
der von NHK ausgestrahlt wurde, konkrete Beispiele für Lokalwährungen
und er fand: "Das ist's!" Danach studierte er nebenbei die Möglichkeiten
für eine Lokalwährung. Im Dezember versammelte er einige Freunde
und gemeinsam schauten sie sich das Video von dem Fernsehfilm an. Seine
Freunde riefen aus: "Toll!", und damit nahm die Lokalwährung »yufu«
ihren Anfang. Gegenwärtig (Feb. 01) gibt es etwa 60 Mitglieder und
einige von ihnen habe ich besucht.
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Der Handel nimmt Gestalt an Frau Yukiko Hamano fand die Natur in Yufu'in so anziehend, dass sie
vor 9 Jahren von Tokyo hierher umzog und ein Café mit dem Namen
»Café
Hamano« eröffnete. Da sie keinen Führerschein besitzt,
ergab sich die Schwierigkeit, dass sie zu Orten ausserhalb der Stadt, wo
kein Bus hinfuhr, jedesmal ein Taxi nehmen musste. Aber wenn sie jetzt
zu Einkäufen oder Besuchen fährt, bittet sie Herrn Urata oder
einen von 5-6 anderen Personen, die ihr eine Fahrt hin und zurück
mit dem Auto für 2 yufu anbieten. Als Frau Hamano ausrechnete,
wieviele Taxigebühren sie auf diese Weise in einem halben Monat einspare,
kam sie auf über 20.000 Yen. Herr Urata lässt sich von seinen
Geschäften nicht unter Druck setzen, er sperrt schon auch mal seinen
Laden zu und holt das Auto aus der Garage.
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Beim YUFU werden zwei Verrechnungsmethoden
verwendet:
Tauschheft Bei dieser Verfahrensweise werden keine Papierscheine benutzt, sondern kleine Buchungshefte. Angebote (Dinge, die man machen kann) und Gesuche (Dinge, die gewünscht werden), werden in einer Marktzeitung veröffentlicht. Auf diese Weise kommt der Austausch von Dienstleistungen und Gegenständen in Gang. Zwischen den individuellen Tauschpartnern werden ausgeführte oder gegebene Leistungen mit Pluspunkten und erhaltene Leistungen mit Minuspinkten in die Tauschhefte eingetragen, vom jeweiligen Tauschpartner quittiert und der Saldo berechnet. Im Fall von YUFU werden die Preise meist nicht vorher in der Marktzeitung veröffentlicht, sondern zumeist von den jeweiligen Tauschpartnern direkt ausgehandelt. Als Grundstandard gilt für 1 YUFU bei Dienstleistungen etwa 10 Minuten, bei Warenpreisen entspricht 1 YUFU etwa 100 Yen. Um ein Beispiel zu geben: Herr Urata nimmt in seinem Sakeladen YUFU bis zu 10% des Warenpreises als Zahlungsmittel an. In einem bestimmten Restaurant kann man einen Anteil bis zu 1 YUFU benutzen. Hin- und Herfahrten mit dem Auto werden mit 2 YUFU etc. vergütet. Das YUFU-Buchungsheft wird kurz YUFU-Heft genannt.
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"Wenn es keine »yufu« gäbe und
Frau Hamano nur mich als Fahrer hätte, dann könnte ich solche
Fahrten nicht so häufig machen. Mit »yufu« ist
das jetzt aber möglich. Wenn Frau Hamano und ich zusammenarbeiten
können, warum sollte das dann nicht auch in einer Gruppe möglich
sein? Und selbst wenn ich meinen Laden schliesse, bringt es einen Vorteil."
Tatsächlich veranstaltet Frau Hamano gelegentlich Patchwork-Kurse
und nach besten Kräften prächtige Hausparties, wobei sie sich
»yufu« verdient und neue Bekanntschaften fördert.
Das ist das Vermögen der Gruppe.
"Bisher war die Bitte um eine Gefälligkeit immer sehr schwer gefallen, aber dank »yufu« ist das jetzt ganz einfach geworden. Und ich möchte dieses Gefühl auch weiter vertiefen. Ich lebe allein, aber es gibt so viele Kinder hier, die das Leben bereichern." Frau Chizuko Maruyama ist ebenfalls vor 7 Jahren aus Tokyo hierhergezogen und führt zur Zeit einen Secondhand-Laden mit dem Namen "Bummler". Frau Maruyama benutzt »yufu«, um einen Aufpasser für ihren Laden oder einen Kalligraphie-Kurs zu bezahlen oder sie gibt sie jemandem, der ihre Katze füttert, während sie auf Reisen ist. Für die Kleider in ihrem Laden nimmt sie bis zu 30% des Preises in »yufu«. "Ganz zu Anfang war der Umgang mit »yufu« wie ein Spiel und jetzt ist es einfach eine sehr nützliche Sache geworden", sagt sie. "Besonders Nahrungsmittel wie Reis, Ginkgo-Früchte, getrocknete Pflaumen, Miso-Suppe usw. kann man von Bekannten mit »yufu« viel günstiger bekommen als im Supermarkt." Für sie als Alleinlebende sind besonders Schreinerarbeiten hilfreich. Kürzlich hat sie die Terasse ihrer Wohnung neu streichen und einen Schrank bauen lassen, wofür sie einen Bekannten mit »yufu« bezahlt hat. Zuvor hat sie sich die Kosten schätzen lassen, denn die Materialkosten mussten in Yen aufgebracht werden. Der Schreinerlohn, der sich nach üblichen Masstäben auf 60.000 Yen belaufen hätte, betrug in diesem Fall 100 yufu. Sie hatte mit dem Schreinerehepaar abgemacht, dass sie während dieser Arbeiten in ihrer Wohnung mit zwei Mahlzeiten pro Tag übernachten könne. "Die Beziehungen zwischen den Menschen werden vertieft. Wenn ich zu einem früheren Zeitpunkt 55 Jahre alt geworden wäre, hätte ich vielleicht daran gedacht nach Kanada auszuwandern, aber jetzt ist es hier auch gut." Es gibt verschiedene Verwendungsmöglichkeiten für die »yufu«. Ein Gebrauchtwagen mit TÜV und etwa 130.000 km ist bereits für 50 yufu zu bekommen. Übrigens, die beste Verwendung von »yufu« ist für den Schlichter bei einem Ehestreit...
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Ausleihbestätigung
Diese Methode wird angewandt, wenn der Empfänger einer Leistung den Empfang quittiert. Dienstleistungen müssen nicht vorher veröffentlicht worden sein. Dieses YUFU-Ticket wird dann allmählich von Person zu Person weitergegeben. Das System ähnelt dem eines zirkulierenden Wechsels. Wenn z.B. Person A von Person B eine Massage im Wert von 2 YUFU erhält, dann bestätigt A den Erhalt auf der Quittung mit Datum und seiner Unterschrift, trägt den Namen von B ein und überreicht ihm die Bestätigung über 2 YUFU. B gibt dann diese Quittung an C weiter für die Versorgung seiner Katze mit Futter während seiner Abwesenheit. Die Quittung enthält bereits die Namen von A und B, nun kommt eine weitere Zeile mit Datum und den Namen von B und C hinzu (falls der Betrag auf der Quittung nicht ausreicht, kann B noch eine zusätzliche Bescheinigung über den fehlenden Betrag ausstellen). Diese Bestätigung kann nun von C nach D, von D an E etc. weiterzirkulieren, wobei jedesmal auf der Rückseite Geber und Empfänger, sowie das Datum eingetragen werden. Wenn die Bestätigung irgendwann zum ursprünglichen Aussteller A zurückkehrt, gibt er sie nicht mehr zur Bezahlung weiter. Die Quittung ist dann wertlos geworden und wird von A vernichtet. Die Besonderheit dieser Methode ist, dass die Quittung von einer Einzelperson ausgestellt wird und obwohl sie zur Lokalwährung gehört, kann sie den Gültigkeitsbereich der Lokalwährung überschreiten. Z.B. wohne ich in Tokyo und habe für die Übersendung einer Kopie eines Zeitungsartikels über Lokalwährung einen 1 YUFU-Schein erhalten, den Herr Urata ausgestellt und mir zugeschickt hatte. Ich habe diesen 1 YUFU-Schein im Restaurant »MOMO« als Teil der Bewirtungskosten überreicht. Herr Ishikawa, der Inhaber von »MOMO« wird diesen Schein vermutlich wieder im Sakeladen von Herrn Urata verwenden können.
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Passive Menschen tragen zur Vertiefung
der Beziehung zwischen Menschen bei Es muss vorausgeschickt werden, dass in Japan eine Lokalwährungs-Bewegung bereits begonnen hatte, bevor es die »yufu« gab, und es sind dabei allerlei Fragen aufgetaucht. Das grösste Thema ist in diesem Zusammenhang, dass mehr als die Hälfte der eingeschriebenen Mitglieder sich nicht aktiv am Tauschen beteiligt. Der Grund ist einfach. Wenn man das Gesicht des Gegenübers nicht sieht, kann man nicht einfach per Telefon um eine Dienstleistung bitten. Und es gibt keinen vermittelnden Koordinator. Auch Menschen wie Frau Hamano, die Spass dabei finden, gemeinsam Dienstleistungen auszutauschen, sind eher selten. Besonders alte Menschen oder körperlich Behinderte fühlen sich klein, wenn sie sich nur helfen lassen können und beteiligen sich nicht mehr. Auf den monatlichen »yufu«-Treffen werden solche Dinge besprochen. Herr Urata machte den Vorschlag, "Würde es die Sache denn nicht vereinfachen, wenn die Teilnehmer mit positiven Kontoständen Punkte stiften würden, so dass sie ebenfalls positive Kontostände bekommen?" Frau Hamano meinte dazu, "Diese Menschen fühlen sich den anderen, die Überschüsse haben, unterlegen. Also ich könnte einem körperlich behinderten Menschen auf jeden Fall etwas abgeben." Herr Urata und Frau Hamano vertreten in diesem Punkt grundsätzlich die gleiche Meinung. Frau Hamano erzählte dann von einer Fernsehsendung über Lokalwährung. Darin wurde gezeigt, wie ein Körperbehinderter in der Lokalwährung einen Gesprächspartner suchte. Ein junger Pflegeschüler antwortete auf dieses Gesuch und als er den Behinderten in seiner Wohnung besuchte, war er von dem Gespäch mit diesem Menschen, der mit ganzem Eifer dem Leben zugewandt war, sehr beeindruckt. "Ich habe in diesem Gespäch so viel über das menschliche Leben gelernt", sagte er und bat nun seinerseits darum, für diese bereichernde Unterhaltung in Lokalwährung bezahlen zu dürfen. Es ist wichtig, dass wir solche Dinge erfahren. Etwas zu geben, ist kein Ausdruck von Überlegenheit. Die aktive und die passive Person befinden sich beide auf derselben Ebene und darin zeigt sich die Möglichkeit zur Vertiefung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Letzten Endes sind es die passiven Menschen, die einen vertiefenden Beitrag für den Umlauf der Lokalwährung liefern. Ein aktiver Mensch mit einem »Plus«, der einen passiven Menschen als »Minus« bezeichnet und beurteilt, gibt dem anderen wahrscheinlich ein Gefühl von Minderwertigkeit. Man sollte auf beiden Seiten versuchen, den Austausch mit »yufu« als Bereicherung zu betrachten." (Urata) Um den Handel mit »yufu« reibungslos zu gestalten, wurde das Ganze in sechs Gruppen unterteilt. Als neue Gruppen wurde eine Wohlfahrtsgruppe und eine hatake-Gruppe eingerichtet. In der letzteren sind alle versammelt, die Reis- oder andere Felder bearbeiten und die Idee ist, dass sie sich die Ernte gemeinsam teilen. Herr Urata, der sich mit dem Problem der amerikanischen Streitkräfte
auseinandergesetzt hatte und dann in der Lokalwährung Freunde finden
konnte, ist überzeugt, "Durch die Festigung der menschlichen Beziehungen
bin ich aufgelebt." Die Lokalwährungen in allen Regionen des Landes
geben den Menschen, die sich wie bescheiden auch immer darin beteiligen
und die Überzeugung bekommen, dass sie sich nützlich machen können,
die Gelegenheit, mehr Selbstvertrauen zu bekommen.
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Die Reportage
erschien in der japanischen Wochenzeitung »Shûkan Kin'yôbi«
No. 352 vom 23.02.2001
Übersetzung aus dem Japanischen: Robert Mittelstaedt |