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Eiichi Morino

 

 

KAGEN

KAGEN

Die Grundlagen des Preises


Die Aktualität von Miura Baiens Untersuchung
aus der Sicht der ökologischen Wirtschaftswissenschaft

 

 

Unter den deutschen Wirtschaftswissenschaftlern der ökologischen Richtung hat Werner Onken das Gesamtwerk von Silvio Gesell, der den Fluss des Denkens von Boisguilbert über Proudhon bis Gesell zusammenfasst, neu herausgegeben und er meinte:

"Ich möchte einmal den Namen von Miura Baien erwähnen. Das war ein Japaner, der zur Zeit von Adam Smith gelebt hat, aber er äusserte bereits Bedenken, die mit dem Kapitalismus und der gegenwärtigen Geldgesellschaft zwangsläufig kommen müssen. In der Tradition des wirtschaftlichen Denkens in Japan gibt es grosse theoretische Nebenströmungen, die im allgemeinen auf kritischen Meinungen beruhen. Wenn wir diese aufnehmen, können wir sie mit den Westeuropäern Gesell und Steiner, Oppenheimer, Landauer, Proudhon in Beziehung bringen und bestätigen. Über das Erkennen der Übereinstimmung im Denken könnten wir eine Art kosmopolitischer Freundschaft des Wissens befördern." (1)
 
 
Menschen, die sich mit dem Thema der Globalisierung des internationalen Kapitals besonders seit den 80er Jahren beschäftigen, stossen zuerst auf den Schuldenberg, der sich in der Dritten Welt auftürmt und blicken mit Sorge auf die schwer zu fassenden Schäden, die der hemmungslos voranschreitende Kapitalismus verursacht. Nachdem Präsident Nixon im Jahre 1971 die Aufhebung der Golddeckung des Dollars verkündet hatte und im Jahr darauf zum Floating der Wechselkurse überging, entstand eine substantielle Diskrepanz zwischen dem Markt der Güter und Dienstleistungen und dem Kapitalmarkt, der durch das Verleihen und Wiederverleihen im internationalen Bankensystem ein unglaubliches Ausmass angenommen hat. Allein der heutige, weltweite Devisenhandel hat ein Ausmass von täglich 2 Billionen Dollar erreicht, was darauf hindeutet, dass der Umsatz der Realgüterwirtschaft im Verhältnis zum Umsatz auf dem Kapitalmarkt keine 2% übersteigt (2). Die Menschen wissen auch, dass der überwältigende Status des Kapitals infolge von Spekulation in Europa, Mittel- und Südamerika und Asien eine Währungskrise verursacht hat, die jedem Land einen schweren Schlag versetzte. Die beiden Wissenschaftler, die den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielten (Robert Merton und Myron Scholes), haben durch Spekulationsfehler den LTCM-Fond (Long Term Capital Management) in den Ruin geführt, wobei die durch Leverage bewirkte Aufteilung des Kapitals etwa 1,2 Billionen Dollar betrug. Diesen Vorfall hat der Wirtschaftswissenschaftler Maurice Allais so beschrieben:

Die Weltwirtschaft ist heute auf einer Schuldenpyramide aufgebaut, deren unsicheres Gleichgewicht auf gegenseitiger Unterstützung beruht. Ein derartiges Ausmass von Anhäufung trockener Wechsel hat es in der Vergangenheit noch nie gegeben... Die Welt hat sich in ein riesiges Spielcasino verwandelt... bis zu einem Punkt, der nur noch durch Vertrauen gestützt wird... Die Leute kaufen ein, ohne zu bezahlen, und ohne mit den realen Gütern überhaupt in Kontakt zu kommen, werden sie wieder abgestossen... Derartige direkte und indirekte Zahlungen und Schulden werden ohne gültige Sachpfänder verrechnet,... und auf dem aus dem Nichts erschaffenen Geld und den aus langfristigen Darlehen kurzfristig ausgeliehenen Geldmitteln ist ein Vertrauensmechanismus errichtet worden,... der ein hohes Mass der Unordnung mit sich bringt. Die Angst mangels Vertrauen in das Übermass ausgegebener trockener Wechsel und der Wechselverrechnung war der Auslöser für die Spekulation...
Als die Spekulation zum Thema wurde,... konfrontierte die bestehende Realwirtschaft Spekulationsentscheidungen auf dem nominalen Markt und der sich daraus ergebenden Diskrepanz... Die gegenwärtige Spekulationsbegeisterung und das darauf beruhende Vertrauen kann sie bestötigen, ihr neue Nahrung geben und zu einer Verstärkung führen. Ein solches Ausmass des Spekulationsbooms wie heute hat es noch nie gegeben. Es sind nur die auf den Aktien- und Devisenmärkten sich unaufhörlich von Minute zu Minute ändernden Preise und die daraus resultierende Unsicherheit, die zu solch einem Ausmass führten."(3)

Niemand weiss, wo die Spekulation hinführen wird, deren Ausmass von solchem Geld des Vertrauens abhängt. Einerseits wird das wirtschaftliche Chaos weiterhin grösser werden, andererseits sind in der Welt der Raub von Reichtum und unerträgliche Einkommensunterschiede in Erscheinung getreten. In der Tat, wenn man die Besonderheit der 90er Jahre betrachtet, sind es wahrscheinlich die enormen Auslandsinvestitionen und besonders in Nordamerika die Renten- und Investmentfonds, die die Kapitalinvestition ausserordentlich belebt haben. In diesen zehn Jahren erhöhte sich die Summe des Aktienhandels aufgrund direkter Investitionsbewegungen um 334%, und 20% dieses Kapitals befindet sich im Besitz von 100 multinationalen Gesellschaften. Die Ausweitung der Kapitalinvestitionen (Aktien, Obligationen, Derivate, Optionen, Portfolios) hat ein erstaunliches Ausmass angenommen. Investitionsorgane (Rentenfonds, Lebensversicherungen, Investmentfirmen) haben in diesen fast zehn Jahren ihre Kapitalkraft verdoppeln können. Das ungebremste Hereinfliessen und plötzlich wieder flüchtende Kapital hat den Unsicherheitsfaktor im Kapitalsystem selbst durch neue Technologieinnovationen erhöht und gleichzeitig die Vergrösserung des Ausmasses fortgesetzt.

Als Folge dieser Globalisierung des Kapitals zeigte sich, dass 20% der reichsten Leute 82,7% des Welteinkommens erhalten. 20% der ärmsten Menschen erhalten dagegen nur 1,4% des Welteinkommens. In den armen Entwicklungsländern verliert alle 3,6 Sekunden ein Mensch durch Hungersnot sein Leben, drei Viertel dieser Sterbenden sind Kinder unter 5 Jahren.

Jedermann weiss, dass die Welt eine Kugel ist, die begrenzt ist. Auf ihrer Oberfläche gibt es Lebewesen, die die Erde nach physikalischen Gesetzen beherrschen. Über die Begrenzungen hinaus ist physikalisches Wachstum nicht möglich." Mit dem Geld scheint es jedoch anders zu sein. Wenn die Bank ein Darlehen gewährt, schafft sie das Geld dafür, aber die Bank kann die Erdkugel nicht vergrössern"(4), und dennoch führt das Kapitalvermögen fort, zu wachsen. Auf diese Weise wird bei Investitionen Geld aus Geld geschaffen und wenn diese Umstände auf die Realwirtschaft übergreifen, von der das Leben der Menschen abhängt, bringt dies wiederum Umstände mit sich, die Elend schaffen. In der Tat hat Baien Miura diese Realität gesehen und ernst genommen.

In der Realität des internationalen Kapitals hat sich die Macht des Geldes im Geist des Geldes verselbständigt, es fliegt ohne Füsse" und es sieht so aus, als ob diese Form des 'Vertrauensgeldes' die Macht über die Welt habe und das Nord-Süd-Gefälle auf der Welt verstärken würde. Beim Verleihen von Geld werden die Unternehmen mit den Zinsen belastet (am Ende sind es jedoch die Verbraucher, die die Zinslast zu tragen haben), der Anteil der Zinslasten im cash-flow vergrössert sich und erzwingt ein Wachstum, das keine Rücksicht auf die Umwelt nimmt. Jedes Unternehmen, welcher Art auch immer, rechnet mit einer jährlichen Leistungssteigerung von 4-5%, mit deren Verwirklichung alles steht oder fällt. Wenn man die Gesellschaft insgesamt betrachtet - obwohl das eigentlich unmöglich ist -, dann werden die Unternehmen, die Gesellschaft und die Umwelt mit Gewalt zu Wachstum gezwungen. Die Aktivitäten der Industrie heute hängen davon ab, dass immer mehr Kapital zur Deckung der Kapitalkosten für 'Vertrauensgeld' erwirtschaftet wird.  In den 80er und 90er Jahren hat der Kapitalismus weltweit die Produktion ausgedehnt und die Märkte vergrössert. Der Kapitalmarkt hat die nationalen Grenzen überwunden und durch den Globalisierungsfortschritt entstand eine Welt ohne Grenzen. Hier können wir nun sehen, wie der 'Gott' des 'Geldes' die Regierungsmacht übernommen hat. Diese Auswirkung liegt jetzt sichtbar vor uns.

Sogar in den reichen, fortgeschrittenen Ländern - z.B. in den USA - sind die Einkommen der unteren und mittleren Schichten in den letzten Jahren kaum gestiegen und obwohl sie sich gerade auf ihrem Niveau halten konnten, haben nur die oberen Schichten ihre Einkommen verbessern können. Innerhalb von 30 Jahren hat sich der Einkommensunterschied grausam verschärft. Es fällt ins Auge, dass der enorme Reichtum, der nach Amerika geflossen ist, sich nur auf einen Teil konzentriert hat.

In kurzer Zeit sind wir vom "Gott des Geldes" (Mammon, der Dämon des Reichtums), genannt Globalismus, und dem tatsächlichen Denken, das damit einhergeht, erfasst worden. Das heisst, dass sich der grösste Reichtum auf ein Fünftel der Menschen konzentriert, die über 83% der Waren und Dienstleistungen in der Welt verfügen, während die 20% der ärmsten nur 1,4% der Leistungen in der Welt in Anspruch nehmen können. Das bedeutet, dass 45% von allem produzierten Fleisch und Fisch, 58% der Energie, 84% des hergestellten Papiers, 74% des Telefonnetzes und 87% aller Autos für das reiche Fünftel der Menschheit zur Verfügung stehen.

Seit 1970 hat sich der Waldbestand für je 1000 Menschen der Weltbevölkerung von 4,4 Quadratmeilen auf 2,8 Quadratmeilen verringert. Die drei reichsten Länder der Welt besitzen mehr Kapital als die Summe des Inlandsprodukts der 48 ärmsten Entwicklungsländer beträgt. 225 der reichsten Menschen der Welt mit mehr als 1 Billion Dollar besitzen einen Reichtum, der das Jahreseinkommen von 47% der ärmsten Menschen auf der Welt übertrifft. Nur 4% von deren Reichtum könnte für die Kosten einer Grundausbildung und die ärztliche Versorgung eines jeden aufkommen und es könnte ausserdem die Kosten der Frauen für die Geburt und Erziehung von Kindern, angemessene Ernährung, sauberes Wasser und sichere Abwasserkanalisation übernehmen. Die Lebensbedingungen der Hälfte von 6 Milliarden Menschen, 3 Milliarden, die heute gezwungen sind, am Rand des Existenzminimums zu leben, könnten entscheidend verbessert werden. In den USA allein werden dagegen pro Jahr 8 Mrd. Dollar für Kosmetikwaren verbraucht. Um jedem Menschen auf der Welt eine Grundausbildung zu ermöglichen, müssten jährlich etwa 2 Mrd. Dollar aufgewendet werden. Ein Durchschnittsamerikaner verbraucht im Jahr etwa 260 Pfund Fleisch für die Ernährung. In Bangladesh sind es 6,5 Pfund. Die Europäer verfüttern jährlich 17 Mrd. Dollar an ihre Haustierlieblinge. Um jedem Menschen auf der Welt eine gesunderhaltende Nahrungsversorgung zu bieten, wäre ein zusätzlicher Betrag von nur 4 Mrd. erforderlich.

Ein solches System kann nicht lange fortbestehen. Aber wenn dieses "Schiff" sinkt, gibt es doch eine bestimmte Reihenfolge der Teile, die dem Meer geopfert werden. Ein Blick auf die Währungskrise in Asien zeigt uns, dass es zuerst die Wirtschaft der aufstrebenden Schwellenländer war, die auf den Grund der Hölle gefallen ist. Dem Kapital der Geberländer hat dies kaum einen Schlag versetzt. Unter solchen Umständen ertönt der Ruf, dass ein Wirtschaftssystem gesucht werden muss, das Nachhaltigkeit ermöglicht. Tatsächlich geht es darum, die Harmonie eines begrenzten Ganzen in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen.

Inmitten dieser Situation hat Miura Baiens "KAGEN" Interesse hervorgerufen, als gegen Ende der 70er Jahre das Wachstum der Realwirtschaft in allen Ländern noch durch die Beschränkungen in der Energieversorgung gehemmt wurde. Um den Konjunkturfluss aufrecht zu erhalten, wurde die emittierte Geldmenge von den zuständigen Geldinstituten erhöht, was zu einer neuen Form der Rezession führte, zur sogenannten Stagflation. Michel Herland, damals noch Professor an der Universität Marseille, beschrieb diesen Vorgang 1977 in einer Abhandlung mit dem Titel "Perpetuum mobile et crédit gratuit": "Nach den fehlerhaften Auswirkungen im Bereich des Geldes hat die Wirtschaftskrise die Pflicht verstärkt, die Entwicklungssträmungen der Theorie genauer zu erforschen." Hier sind vor allem die Physiokraten zu nennen, die gemeinsam mit der klassischen Schule Mitte des 18. Jahrhunderts aufgetreten sind, sowie die vorherrschenden Wirtschaftstheorien davor, die das wirtschaftliche Denken bis zu den Abhandlungen über den Schleier des Geldes weiterentwickelten, besonders von Boisguilbert (5) und John Law bis hin zu Proudhon. Im wirtschaftlichen Denken danach gab es Nebenströmungen in der Realwirtschaft, die sich mit dem Bereich des Geldes befassten, bis dann die monetären Wirtschaftstheorien die Aufmerksamkeit anzogen, die die vorschriftsmässige Seite wichtig nahmen und diese kritisch zu beleuchten, in der gegenwärtigen Wirtschaftskritik versucht wird. Vielleicht erinnern sich auch manche daran, dass das im Titel vorkommende Wort, "Perpetuum mobile", von Boisguilbert stammt, das auch Marx in seinen Abhandlungen über das Kapital erwähnt hat.

Über den Ursprung des Denkens, dass der unbestimmte Einfluss, den das Geld auf die Realwirtschaft ausübt, in eine sich fortlaufend bewegende Sache umgewandelt werden müsse, nennt Herland die Namen von Boisguilbert, John Law (1671-1729) und den Liquidator seiner Bank, Dutot, sowie Francis-Véron Duverger Forbonnais (1722-1800) und andere und unter diesen nennt er auch den Namen Miura Baien (1723-1789). Er hatte den Namen erstmals während der Eröffnung eines Boisguilbert-Symposiums in Rouen von der Historikerin Jaqueline Hecht gehört, die als erste Forschungen über Boisguilbert durchgeführt hat, sowie von Makoto Takahashi, der die Baien-Forschung von Tokuzô Fukuda und Hajime Kawakami während der Meiji-Ära (1868-1912) vorstellte.

Seit dem Übergang zum Floating der Wechselkurse kann man sagen, dass die Systemgrundlage verloren ging und durch die Struktur des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurden sich viele Menschen bewusst, dass eine Antwort auf die Frage nach einem Systemrahmen für die künftige Weltwirtschaft gefunden werden muss. Auch Herland nimmt diesen Standpunkt ein und versuchte, den Vorschlag von Keynes für die Reform des Weltwährungssystems erneut zu würdigen. Wie bekannt beruht dieser Vorschlag auf einem negativen Zinsfuss beim Saldo und zielt durch beschleunigte Zirkulation auf eine Erhaltung des Gleichgewichts internationaler Einnahmen und Ausgaben. Die grundlegende Theorie ist seine "Allgemeine Theorie", und obwohl linksgerichtete Keynesianer ein radikales Image von Keynes vermittelt hatten, war er erfolgreich (6) und deshalb sind die der "Allgemeinen Theorie" vorausgegangenen, historischen Forschungen wichtig zu nehmen. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Dudley Dillard hat diese Untersuchungen erneut durchgeführt (7). Bei den Nachforschungen über den Keynes-Plan in Bretton Woods, der vom White-Plan verdrängt wurde, verdankt er dem Wirtschaftsexperten der brasilianischen Zentralbank Santiago Fernandes und seinen beklagenswerten Erfahrungen zahlreiche Hinweise. In einem Brief an mich hat er beschrieben, wie er Fernandes in Brasilien besuchte und die beiden auf Spaziergängen am Meeresstrand von Rio de Janeiro über historische Vorläufer wirtschaftlicher Geldtheorien diskutierten. Besonders die Hinweise über die Untersuchungen des deutschen Wirtschaftlers Silvio Gesell nahm er auf und schrieb dann darüber. Ich habe mir auch sofort Fernandes Werk "Hartnäckige Erinnerungen von Bretton Woods bis zum IMF" (Santiago Fernandes, Ouro, a reliquia barbara, de Bretton Woods ao FMI no Rio, 1967) besorgt. In diesem Buch findet sich eine Diskussion, von der ich eine kurze Zusammenfassung geben möchte. Auf die kürzeste Formel gebracht, kann man sagen, dass Boisguilberts Worte mit denen in "KAGEN" übereinstimmen. Im Folgenden wird das vielleicht noch deutlicher.

Als Begründer der Nationalökonomie nannte Marx in seiner "Kritik der Wirtschaftswissenschaften" (1859) den Franzosen Boisguilbert und den Engländer William Petty. "Im Gegensatz zu Petty, einem oberflächlichen und von Plünderungsgier getriebenem, treulosen Schwindler, war Boisguilbert der Hofmeister von Ludwig XIV., dessen Scharfsinn und Kühnheit sich nicht einschüchtern liess und sich gegen den Druck der oberen Klassen zu äussern wusste." Beide lebten im Zeitalter des Merkantilismus, als man glaubte, dass Geld und Reichtum aus Gold gemacht seien. Doch Boisguilbert dachte anders darüber. "Im Gegensatz zu Petty glaubte Boisguilbert, dass das natürliche Gleichgewicht beim Warenaustausch und die Harmonie der Wirtschaft aufgrund von Störungen, die vom Geld verursacht würden, durcheinandergebracht werde. Seiner Meinung nach war es wie ein Moloch (ein Gott der Phönizier, der einen Rinderleib besass und Kinderopfer forderte), der allen Reichtum der Natur als Opfer fordere und grausam zerstöre." Ich denke, wenn man seine Wahrnehmung vom Reichtum der Natur und dessen sinnvollen Gebrauch erfasst, kann die erstaunliche Übereinstimmung mit den Vorstellungen in "KAGEN" nicht übersehen werden.

Zu diesem Punkt erklärte Schumpeter: "Er hat die Beziehung gegenseitiger Ahängigkeit als Gleichgewichtssystem in einer Menge wirtschaftlich organischer Substanz betrachtet..." In dieser Hinsicht ähnelt sein Geist dem von Marx, der die im 18. Jahrhundert häufig benutzte Einteilung in die zwei grossen Klassen der Reichen und Armen als Methode benutzte, die Existenz der Klassen zu erklären. "Wenn starke Individuen "Verbrechen und Gewalt" anwenden, um sich Produktionsmittel anzueignen, werden sie aufhören zu arbeiten.... Der Usurpator, der seine Macht von seinem Reichtum herleitet, zieht es vor, das Geld statt der Güter aufzubewahren (das versteckte Geld gehört zur Welt des Molochs), daher wird der Wert des wahren Reichtums herabgesetzt und der Fluss des Wirtschaftslebens gestört."

Im folgenden will ich die wichtigsten Punkte in der Diskussion von Boisguilbert zusammenfassen:

1.   Das Geld wurde eingeführt, um den Austausch der Güter, die den wahren Reichtum darstellen, zu erleichtern. Folglich ist Geld nicht das Ziel, es ist kein Mittel für den Besitz von Reichtum.

2.   Der wahre Reichtum steckt in den Gütern.
Dieser Punkt erinnert sofort an die Sätze von Baien: "Wenn die Menschen im Land von reicher Ernte sprechen, sprechen sie keinesfalls von Gold oder Silber. Reiche Ernte in Gold oder Silber entsteht nur beim Handel. Aus diesem Grund fallen die Gewinne abwechselnd aus und es entfacht einen Streit um das äusserst knappe Gut. Übelwollende Menschen wollen dann selbst die Regierung ergreifen und es gibt auch Leute, die das Land mittels kaufmännischer Künste regieren wollen. Es gibt Menschen, die in derselben Weise durch Austrocknung und sparsame Haushaltsführung Gewinn erstreben. Doch hier ist der Unterschied: der Kaufmann macht Gewinn durch Gewinn, der Haushalt macht Gewinn durch Treue." (KAGEN, Iwanami p. 52)

3.   Das Geld ist ein Zeichen für Reichtum und weckt aus diesem Grund den Wunsch, es zu behalten. "Auf keinen Fall dürfen die Edelmetalle zum Gegenstand der Verehrung werden... Seitdem die Edelmetalle als Geld dienen, bringt ihm der Mensch mehr Opfer dar, als ob es etwas Heiliges sei und entfremdet es daher von seiner Nützlichkeit. Täglich opfert er noch mehr Güter, lebenswichtige Güter und er bringt sogar Menschenopfer dar." Der Hinweis von Baien in KAGEN auf den "Gott des Geldes" hat eine grosse Ähnlichkeit hiermit.

4.   Im Vergleich zu anderen Gütern besitzt das Geld Privilegien. "Das Geld ist den anderen Gütern überlegen." Dieser Hinweis erinnert an das Wort Baiens von der Macht des Geldes (senken). Er weist darauf hin, dass die Macht des Geldes von seiner Überlegenheit über andere Güter herrührt.

5.   Dieses Privileg ist der Grund dafür, dass das Geld zum Mittel für Aufbewahrung wird. Nach Boisguilbert muss diese Aufbewahrung verhindert werden. Wenn dies nicht geschieht, wird der Austausch von Gütern gestört und das erreichbare Ausmass der Güterproduktion wird vermindert. Dieser Hinweis, wo im Geld die Hauptaufgabe als Tauschmittel gesehen wird, ist in Baiens Abhandlung genauso zu finden.

6.   Der wahre Reichtum. Der Reichtum eines Landes zeigt sich im Umfang seines Verbrauchs. Um dies zu verwirklichen, muss das Geld fortwährend umlaufen.

7.   Wenn die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erhöht wird, soll daraus Wohlstand entstehen.

8.   Die Bedeutung von Papiergeld. "Wenn man Papierscheine, deren Herstellung kaum Kosten verursacht, mit in den Wettbewerb bringt, können die Papiernoten alles andere ersetzen." Die Behauptung, dass Geld einfach ein Papierschein sei (choshô nite mo sumu mono nari), der mit entsprechender Aufschrift diese Aufgabe erfüllen könne, entspricht hier dem Denken von Baien.

Die Kernaussage dieser Erörterungen besteht darin, dass das Geld nicht den wahren Reichtum darstellt. Um Reichtum zu bilden, sollte das Geld ursprünglich nur die Aufgabe als Tauschmittel erfüllen, dafür war es gemacht worden. Aus diesem Blickwinkel gesehen, erscheint das Geld als Perpetuum mobile, das innerhalb des gesellschaftlichen Organismus zirkuliert und auf diese Weise den wahren Reichtum schafft. Gleichzeitig wird das Geld im Hinblick auf seine Aufbewahrungsmöglichkeit sowie seine Zirkulationsfähigkeit zum Gegenstand der Sehnsucht, was ihm etwas Heiliges zu verleihen scheint. Da es im Vergleich mit anderen Gütern ein Privileg (senken) besitzt, verwandelt sich der Geist des Menschen in den Geist des Geldes, im Haushalt der Gesellschaft wird das Gleichgewicht von Geldangebot und -nachfrage nicht erreicht und die ungleiche Verteilung des Reichtums ist eine Begleiterscheinung davon. In solcher Form präsentiert er seine Ansichten.

Nach Boisguilbert wird die Aufbewahrung des Geldes von einer Unvereinbarkeit von Geldangebot und -nachfrage begleitet, die dem Geldbesitzer Privilegien verleiht. Erinnern wir uns hier an Baiens Worte: "Wenn viel (Gold und Silber) im Gebrauch ist, wird auch viel geborgt. Wenn wenig geborgt wird, nimmt die Macht des Geldes ab und kann nicht mehr davonfliegen. Wenn sich die Macht des Geldes verringert, müssen die lebenswichtigen Dinge bewahrt werden..." Wenn das Geld knapp wird, wird durch Verleihen und Borgen Geld aus Geld geboren und gleichzeitig entsteht daraus das Privileg des Geldes, wird verstärkt und schliesslich beginnt "der Geist des Geldes zu fliegen". Heute ist eine grosse Ähnlichkeit mit dem Geldmarkt zu erkennen und kann erweitert darauf bezogen werden. "Senken" bedeutet tatsächlich dasselbe, was deutsche Wirtschaftswissenschaftler der ökologischen Richtung als "Geldesmacht" bezeichnen und es ist anzunehmen, dass Boisguilbert in gleicher Weise darüber dachte.

"Im Vergleich zu früher können die Bauern heute die lebenswichtigen Nahrungsmittel leichter produzieren. Ein Bauer, der in einem Jahr reiche Ernte gemacht hat, besitzt dann Getreide für die Ernährung im Überfluss. Wenn dieser Überschuss eingelagert wird, dient er als Vorsorge für schlechte Jahre. Verkauft er jedoch all seinen Überschuss, dann ist das Jahr, das auf ein gutes Jahr folgt, nicht anders als das, welches auf ein schlechtes Jahr folgt. Mit dem Edelmetall wird das gute Volk zum Sklaven des Müssiggangs." Baien spricht hier über die Bauern. Wenn die Menschen ihre hergestellten Waren alle verkaufen und in Edelmetalle umtauschen können, also ihren Reichtum und ihr Vermögen in Form von Geld halten, beschwören sie damit einen Zustand der Abhängigkeit herauf. Dies stimmt auch mit dem Denken Boisguilberts überein. "Müssiggänger" sind in diesem Zusammenhang als Personen zu verstehen, die mit Geld handeln und Gewinne daraus ziehen - die Geldhändler. Hier kann wiederum eine Übereinstimmung mit Boisguilbert festgestellt werden. In den 1880er und 1890er Jahren haben viele Kleinbauern in Amerika ihre frische Ernte sofort verkauft und Geld dafür eingetauscht. Der Bedarf an Geld konzentrierte sich somit auf die Zeit der Aussaat und dies führte in eine Situation, in der das Leihen von Geld hohe Kosten verursachte. Um diesem Zustand auszuweichen, entwickelte sich eine Bewegung zum Bau von Getreidelagerstätten. Heute gibt es in den Entwicklungsländern Beispiele von Bauern, die von den Geldhändlern Kapital leihen und darunter leiden, dass sie zu Sklaven ihrer Schulden wurden. Um diese Situation zu überwinden, findet nun eine Diskussion über die Errichtung von Getreidebanken statt und ich habe gehört, dass in diesem Zusammenhang auch die Volksbewegung der Kleinbauern Ende des 19. Jahrhunderts in Amerika mit Interesse studiert wird. Was immer auch als wahrer Reichtum gilt, im bestehenden Geldsystem verstärkt sich die Abhängigkeit derjenigen, die den wahren Reichtum produzieren. So kann man sagen, dass Boisguilberts und Baiens Denken und die Forderungen, die sich daraus ergeben, eine frische Kraft besitzen und bis heute gültig sind.

Die Begleitumstände der heutigen Einkommens- und Vermögensunterschiede, die gleichzeitig eine immer grössere Last der Umwelt aufbürden und nicht umhin können, ein grenzenloses Wachstum der Wirtschaft zu fordern, beruht mit seinen Mechanismen auf dem bestehenden Geldsystem. Für Personen, die sich mit der Entwicklung von Theorien der Geldwirtschaft befassen, könnte die Diskussion in KAGEN von allergrösstem Interesse sein. Der Wirtschaftswissenschaftler Shirô Sugihara berichtet von historischen Umständen, wonach Hajime Kawakami während seines Auslandsstudiums in Berlin den Plan hegte, Baiens Werk ins Deutsche zu übersetzen. Nach dem plötzlichen Ausbruch des 1. Weltkriegs musste er in London Zuflucht suchen und seinen Übersetzungsplan aufgeben. In Amerika und Europa blieb die Theorie der Geldwirtschaft von Boisguilbert im Schatten der vorherrschenden Theorien verborgen und erst seit Proudhon über Gesell bis Keynes entwickelte sie sich wieder zu einer wahrnehmbaren Strömung. Wenn in einem frühen Stadium dieser Entwicklung eine Übersetzung von KAGEN zur Verfügung gestanden hätte, hätte Baiens Abhandlung einen bedeutenden Platz einnehmen können.

Die heute ausufernde Geldwirtschaft bereitet grosse Sorgen und wer den Fortbestand der Zukunft sichern will, sollte Baiens Werk nicht übersehen, sondern unter allen verfügbaren Quellen diesem zuerst ihre Aufmerksamkeit zuwenden.

 

 

 

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Anmerkungen:

(1) Aus einem Interview mit Werner Onken für die NHK-Dokumentation Ende no yuigon ("Endes letzte Worte"). Dieser Teil des Interviews wurde jedoch geschnitten und ist noch nicht gesendet worden.

(2) Nach den Zahlen der Weltbank beziehen sich nur 5% der grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen in der Welt auf den realen Handel mit konkreten Gütern, während dementsprechend 95% bloss für Investitionen eingesetzt werden. Auf alle Fälle machen diese Zahlen klar, dass im gegenwärtigen internationalen Kapitalsystem das Geld nur dazu investiert wird, um neues Geld hervorzubringen.

(3) Maurice Allais, "Les conditions monétaires d'une économie de marchés des enseignements du passé aux réformes de demain", Revue d'économie politique, Tome 103, No. 3, Mai-Juin 1993.
Eine ebensolche Analyse der Fakten habe ich in meinem Artikel "Die unsichere Planung der Globalisierung des Kapitals" in Jôkyô No. 6, 1996 veröffentlicht.

(4) Jay Hanson, http://www.dieoff.org/

(5) Pierre le Pesant de Boisguilbert (auch: Boisguillebert; 1646-1714), Ökonom und politischer Schriftsteller. Wichtige Werke: Détail de la France sous le règne de Louis XIV (1699), Supplément au détail de la France (1707).

(6) Michel Herland, Keynes, Union Générale d'Editions, 1981

(7) Dudley D. Dillard, Proudhon, Gesell, Keynes. An Investigation of some "Anti-Marxian-Socialists". Antecedents of Keynes' General Theory of Employment, Interest and Money. Angela Hackbarth Verlag, St. Georgen 1997.
 
 

Der Artikel erschien in der japanischen Zeitschrift Baien gakkaihô, Nr. 25, Okt. 2000, Tokyo
Der Autor Eiichi Morino ist Leiter der Gesell Research Society Japan (Site ist Japanisch)
Übersetzung aus dem Japanischen: Robert Mittelstaedt

Hinweis des Übersetzers:
Die englische Übersetzung von KAGEN - Rosemary Mercer, Origin of Price - befindet sich in der Anthologie "Sources of Japanese Tradition: Vol. 2, 1600 to 2000", Hsg.: Theodore de Bary, Carol Gluck, and Arthur E. Tiedemann, 2nd edition, May 2005, 1448 pages,  Columbia University Press, ISBN: 978-0-231-12984-8
Miura Baiens Hauptwerk "GENGO": Deep Words. Miura Baien's System of Natural Philosophy. Translation and Philosophical Commentary by Rosemary Mercer. Leiden (NL) 1991, E.J. Brill (Verlag).

Eine Liebhaberversion von KAGEN, Faksimiledruck mit deutscher Übersetzung und Kommentaren, gab es bei der Verlagsgruppe Handelsblatt in der Reihe "Klassische Nationalökonomie" zum Preis von € 500.-
 

   
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