1. Zwei Motivstränge bundesdeutscher Medienpolitik

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Die bundesdeutsche Medienpolitik speiste sich von Beginn an aus zwei Motivsträngen: Schon die Medienpolitik der Allierten legte als Kuckucksei einen (volks-)pädagogischen Kontrollimpuls in das Nest, in dem sie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausbrüteten. Davon hat sich die Medienpolitik, egal welcher Couleur, bis heute nicht erholt. In der Absicht, Einfluß auf die Inhalte der elektronisch-massenmedialen Kommunikation zu nehmen, treffen sich bis heute Medienpolitiker aller Parteien.

Unter dem Vorwand, "gesellschaftlich relevante Gruppen" zu repräsentieren, haben sie ein Gremienwesen etabliert, in dem sich Dilletantismus und Ignoranz die Hand reichen. "Es sind eben immer wieder noch die deutschen Politiker, die nicht begreifen können, daß der Rundfunk ein politisches Gegenüber zu den Herrschenden im Staat ist. Daß er deshalb nicht in oder an den Staat ein- bzw. angebunden werden darf, nicht von den Regierenden beherrscht oder kontrolliert werden darf", schrieb der damalige SDR-Intendant Hans Bausch 1988 - und konzedierte, daß (immerhin) die Rundfunkanstalten "heute nicht vom Staat, sondern von den Parteien kontrolliert" werden.

Man kann dies natürlich positiv wenden und sagen, daß es dem politischen System möglich ist, in das Mediensystem steuernd einzugreifen - aus systemtheoretischer Perspektive eine evolutionär höchst unwahrscheinliche Konstellation. Diese Zielrichtung möchte ich als Kontrollimpetus der Medienpolitik bezeichnen. Demokratie-theoretisch wird sie durch die Rechtsprechung des BVerfG legitimiert und gleichzeitig eingegrenzt. Empirisch wird sie durch Aufsichts- und Kontrollorgane sowie Lizenzbehörden implementiert.

Hinter all den Kontrollversuchen und -erfolgen tritt der zweite Motivstrang meist zurück: Medienstrukturen demokratisch zu gestalten, eine demokratische Medienordnung zu etablieren, die Rahmenbedingungen so zu setzen, daß darin demokratische Medieninstitutionen entstehen und existieren können. Neben dem Kontrollimpetus ist dies die zweite große handlungsleitende Fiktion der Medienpolitik. Es ist dem politischen System möglich, einige Rahmenbedingungen des Mediensystems zu setzen. Dies nenne ich provisorisch Regulierungsimpetus der Medienpolitik. Dem politischen System stehen dafür vor allem die Mittel des positiven Rechts in Gesetzen, Verordnungen, Staatsverträgen etc. zur Verfügung.

Erstaunlicherweise haben diejenigen, die von sich behaupten, sie betrieben Medienpolitik, von diesen letzteren Möglichkeiten in der Regel erst spät, fast zu spät Gebrauch gemacht. So wurde die große medien- und kommunikationspolitische Grundentscheidung, das Land mit einem Breitbandfernsehkabelnetz zu versehen, eigentlich gar nicht wirklich im politischen System gefällt. Dabei bedrohte gerade diese Entscheidung den zentralen Anknüpfungspunkt medienpolitischer Regulierung, die Frequenzknappheit.

Genausowenig gelang es, eine stabile Finanzordnung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu etablieren. Auch nach dem Gebührenurteil des Verfassungsgerichts und trotz der reformierten KEF (Länder-Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs) bleibt der Widerspruch zwischen normativ-grundgesetzlich geforderter Staatsferne und politisch implementierter Gebührenentscheidung ungelöst.


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