Medialist 20.97: Kein Votum vom SFB-Verwaltungsrat Hgg. von Martin Recke Themen dieser Ausgabe: - SFB-Verwaltungsrat verweigert Zustimmung zum SFB/ORB-Kooperationsvertrag - Grüne Medienpolitiker kritisieren Reiter-Konzept SFB-Verwaltungsrat verweigert Zustimmung zum SFB/ORB-Kooperationsvertrag -- "Klassik-Plus"-Welle mit dem NDR gescheitert? -- ORB fordert Votum vom SFB-Gremium Der Verwaltungsrat des Senders Freies Berlin (SFB) hat seine Zustimmung zum Kooperationsvertrag mit dem ORB verweigert. In der vorliegenden Form sah das von den beiden Intendanten Anfang März paraphierte Vertragswerk vor, aus den beiden Kulturprogrammen SFB 3 und Radio Brandenburg (ORB) zwei neugestaltete Radioprogramme mit den Arbeitstiteln "Radio Drei" (Wort-Kultur) und "Radio Eins" (Tagesbegleitprogramm für die Altergruppe 25 bis 49) zu bilden. Außerdem sollte gemeinsam mit dem NDR die Klassik-Welle NDR 3 unter neuem Namen und mit regionalen Programmstrecken in Berlin und Teilen Brandenburgs ausgestrahlt werden. Dieses unter dem Arbeitstitel "Klassik-Plus" betriebene Vorhaben muß inzwischen als gescheitert gelten. Der Widerstand in den SFB-Gremien gegen das Vertragswerk zielte auch darauf, die Kulturwelle SFB 3 in unveränderter Form zu erhalten. "Radio Drei" sollte nach den Plänen der beiden Intendanten zu Lasten der klassischen Musik mit einem höheren Wortanteil ausgestattet werden. Dagegen hatte sich breiter Widerstand geregt, unter anderem bei Personalrat und Gewerkschaften. Im SFB-Verwaltungsrat wandte sich auch der Vertreter des Sportbundes Marco Budde gegen den Vertrag, der familiäre Beziehungen zum privat-kommerziellen Klassik-Radio hat, wie die "Tageszeitung" berichtet. Die Klassik-Welle wird in dem Vertrag, dessen Zustimmung von Seiten des SFB-Gremiums weiterhin aussteht, zwar vorausgesetzt. Es gibt jedoch noch keine formelle Vereinbarung mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). NDR-Intendant Jobst Plog erklärte am 17. April, es seien bereits Umfang und Plazierung regionaler Fenster für Berlin und Brandenburg verabredet worden. "Bemerkenswert" sei noch ein weiterer Punkt, sagte Plog: "Im Hamburg trifft der Intendant Programmentscheidungen. Dabei beraten ihn die Gremien. Zumindest letzteres scheint in Berlin völlig anders zu sein." Beim SFB soll sich nun zunächst der Programmausschuß am 25. April mit dem Kooperationsvertrag befassen und ein Votum abgeben, bevor sich der Verwaltungsrat am 28. April in einer Sondersitzung erneut mit diesem Thema befaßt. Am gleichen Tag findet auch eine Rundfunkratssitzung statt. Eine öffentliche Äußerung des Verwaltungsrats, der nach der SFB-Satzung der Kooperation zustimmen muß, und ein Votum des Gremiums stehen noch immer aus. Ob die Radiokooperation wie geplant zur Internationalen Funkausstellung Ende August beginnen kann, ist unklar. ORB-Verwaltungsrat: Vertrag muß in Berlin zur Abstimmung kommen Einen dringenden Appell richtete der Vorsitzende des ORB-Verwaltungsrats Markus Vette (CDU) in einer Sondersitzung am 17. April an das SFB-Gremium. Der Vertrag, der die ORB-Gremien überzeugt habe, müsse auch in Berlin zur Abstimmung kommen, so Vette: "Wir müssen eindeutige Signale setzen und deutlich machen, daß wir ein Konzept der Vernunft für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Region unterstützen." Mit Blick auf die aktuelle Diskussion um die Neuordnung der ARD gelte es, sich eindeutig zu positionieren und keine Chance zu vertun. Vette kritisierte, daß es an einem klaren medienpolitischen Bekenntnis der Landespolitik fehle. ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer bedauerte, daß der SFB-Verwaltungsrat dem Vertrag in der vorliegenden Form skeptisch gegenüberstehe. Das paraphierte Papier sei in sich schlüssig und würde auch eine Zusammenarbeit mit dem NDR zur Folge haben. Er könne sich nicht vorstellen, daß die Vorteile "gerade für den SFB" nicht gesehen würden. "Wir müssen gemeinsam alles Vertretbare tun, daß die Kooperation nicht scheitert", so Rosenbauer. ORB-Sprecherin Pia Stein erklärte am 18. April gegenüber epd, es könne keine Nachverhandlungen geben, bevor ein Votum des SFB-Verwaltungsrats vorliege. Das Gremium müsse sich zum Vertrag in der Form äußern, in der er vorliege. An einigen Stellen seien SFB und ORB heute schon dem im Südwesten vereinbarten Modell einer Zweiländeranstalt der ARD voraus, an anderen ließe sich schnell ähnliches vereinbaren, erklärte Intendant Rosenbauer zur ARD-Strukturdebatte und zur Fusion von SDR und SWF. Er forderte von den Landespolitikern in Berlin und Brandenburg, sich auf die "großen Chancen" zu besinnen, die in der Gemeinschaft lägen. "Statt auf Hilfe von außen zu hoffen und sich in neue Abhängigkeiten zu begeben, müssen Berlin und Brandenburg bald aus eigener Kraft zu einer regionalen Lösung kommen", so Rosenbauer. (mr) --------------------- Berlin: Grüne Medienpolitiker kritisieren Reiter-Konzept -- "Mißtrauenserklärung an die eigene Bevölkerung" Die Vorschläge des ARD-Vorsitzenden Udo Reiter für eine Reform der ARD stoßen weiter auf heftige Kritik. Der sogenannte "Reiterplan" diene der "Zentralisierung der bundespolitisch bedeutsamen Hauptstadtberichterstattung" und sei "eindeutig parteipolitisch motiviert", kritisierte die medienpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, Alice Ströver, am 17. April vor der Presse in Berlin. Es komme einer "Mißtrauenserklärung an die eigene Bevölkerung" gleich, so Ströver, daß der Berliner Regierungschef Eberhard Diepgen (CDU) Plänen zustimme, nach denen die Kontrolle über die Hauptstadtberichterstattung den Berliner Bürgern entzogen werden solle. Ströver und der Vertreter von Bündnis90/Grüne im SFB-Rundfunkrat, Jochen Esser, wandten sich gegen die Vorschläge des MDR-Intendanten "in beiden Varianten": In der ursprünglichen Fassung dieser Pläne solle der SFB als eigenständige Landesrundfunkanstalt beseitigt werden und in einer ARD-Gemeinschaftseinrichtung aufgehen. Die zweite Variante sieht nach Auffassung der grünen Medienpolitiker vor, den SFB als regionale Rundfunkanstalt mit Hörfunk und dem Fernsehprogramm B1 zu erhalten, ihn aber nicht mehr am Ersten Programm der ARD zu beteiligen. Als "Steigbügelhalter der CDU/CSU-Politik" bezeichnete die bündnisgrüne Medienpolitikerin Alice Ströver den MDR-Chef. Er besitze als befristet gewählter "Sprecher" der ARD keine Legitimation für die von ihm gemachten Vorschläge und überschreite damit seine Kompetenzen. Es sei richtig, ein Hauptstadtstudio "kräftig" zu etablieren, an dem wie geplant als ARD-Gemeinschaftseinrichtung auch die anderen Anstalten beteiligt werden. Mit dem Reiter-Plan solle jedoch der Sinn des Regierungsumzugs ausgehebelt werden, meinte Jochen Esser. Den konservativen Medienpolitikern gehe es darum, für die "Abschottung der politischen Klasse" zu sorgen. Es gelte vor allem, die "finanzielle Erpreßbarkeit des SFB" zu beseitigen, um diese "parteipolitisch motivierte Rechnung" nicht aufgehen zu lassen. Die Bündnisgrünen sprachen sich für eine Fusion des SFB mit dem ORB aus. Damit entstünde in der Region eine Rundfunkanstalt der Größe des Hessischen Rundfunks, die in der Lage ware, allen "Reiterspielen" zu widerstehen. "Wir sperren uns nicht gegen Strukturveränderungen", betonte Ströver. Sie könne sich auch vorstellen, Sachsen-Anhalt aus dem MDR herauszulösen und in eine neue ARD-Anstalt mit Berlin und Brandenburg einzubringen. Ausdrücklich unterstützten die beiden Medienpolitiker den Vertrag zwischen SFB und ORB über eine Hörfunk-Senderfamilie. Dieser Vertrag hat im SFB-Verwaltungsrat keine Mehrheit gefunden (siehe weitere Meldung in dieser Ausgabe). (mr) -- The Medialist distributes various news about media topics. It's in German. Die Medienliste verbreitet diverse Medienmeldungen mit dem Schwerpunkt Berlin. Sie erscheint in den Newsgroups de.soc.medien, bln.medien und prenzlnet.medien sowie auf http://userpage.fu-berlin.de/~mr94/medialist/. Die Liste ist moderiert. Beitraege nimmt Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de> entgegen. Um die Medienliste per Mail zu beziehen, genuegt eine Mail an <medialist-request@prenzlnet.in-berlin.de> mit SUBSCRIBE im Body. HELP im Body schickt einen Hilfstext. Kommerzielle Weiterverwertung der Medienmeldungen ist generell nicht gestattet. Falls Sie dies dennoch beabsichtigen, wenden Sie sich bitte an Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de>. Nichtkommerzielle Weiterverbreitung der Medienliste ist nur komplett gestattet. Alle Rechte vorbehalten.