Medialist 4.97: "Kabelnetz nicht der Telekom ausliefern"

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
23 Jan 1997 15:23:43 GMT

Medialist 4.97: "Kabelnetz nicht der Telekom ausliefern"
Hgg. von Martin Recke


Hege: Kabelnetz "nicht der Telekom ausliefern" -- "Breite Einführung"
des digitalen Fernsehens in Berlin weiterhin nicht in Sicht

Ein digitales Fernseh-Sendezentrum in der Region Berlin-Brandenburg ist
weiterhin nicht in greifbarer Nähe.  Als Ursache dieser Stagnation
benannte MABB-Direktor Hans Hege am 23. Januar die Geschäftspolitik der
Bonner Telekom-Zentrale.  "Wir können das Kabelnetz nicht der Telekom
ausliefern", erklärte der Chef der Medienanstalt Berlin-Brandenburg bei
einer Anhörung vor dem Medienausschuß im Berliner Abgeordnetenhaus.  Die
Telekom-Chefetage erhebe zwar weiterhin den Monopolanspruch auch auf
alle Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Einführung digitalen
Fernsehens stehen, es gebe dennoch bislang nicht mehr als
"unverbindliche Äußerungen aus Bonn", so Hege.

Die MABB lehne diesen Monopolanspruch ab, betonte er.  Medienrechtliche
Zielsetzungen seien nicht allein dadurch erfüllbar, daß die Telekom,
ihrer neuen Linie folgend, mit dem bislang insgesamt defizitären
Kabelnetz Geld verdienen wolle.  Hege kritisierte damit das
Telekom-Modell einer neuen Ordnung für den digitalen Teil des
Kabelnetzes.  Siegfried Hermann, der Berliner
Telekom-Projektbeauftragte, bezifferte die Gesamtinvestitionen in die
Digitalisierung des Kabelnetzes bei gleicher Gelegenheit auf 2,5
Milliarden Mark.  Die Telekom wolle nun "am Wertschöpfungsprozeß
teilhaben", erklärte Hermann.

Die Kabelbelegung soll nach Telekom-Vorstellungen künftig nur noch zum
Teil durch sogenannte "must-carry"-Vorschriften der
Landesmedienanstalten bestimmt sein.  Daneben soll es den Betreibern
freistehen, attraktive regionale und lokale Anbieter ins Netz
einzuspeisen und am Bezahlfernseh-Geschäft nationaler kommerzieller
Veranstalter zu partizipieren.  Die Telekom selbst sieht sich dabei als
"neutraler Diensteanbieter".  Ziel sei es, zur Internationalen
Funkausstellung (IFA) in Berlin mit digitalen Angeboten in Betrieb zu
gehen.  Die IFA findet vom 30. August bis 7. September statt.

In wichtigen Regionen plane auch die Telekom regionale Sendezentren
("play-out-center"), erklärte Hermann.  Das Problem sei deren
wirtschaftliche Tragfähigkeit.  Von den Anbietern, die sich 1995 auf
einen "Call for Proposals" der MABB gemeldet hatten, sei außer den
Konzepten von SFB und ORB wenig übriggeblieben, meinte Hermann.  Es gebe
im Augenblick zu wenig regionale Anbieter, die Investitionen in ein
regionales Sendezentrum erlauben würden.  Die MABB hat für eine
eventuelle Förderung eines solchen Sendezentrums im vergangenen Jahr
rund fünf Millionen Mark zurückgestellt (Medialist 7.96).

Die "Machtpositionen" in der digitalen Fernsehwelt und die Rolle der
Regionen würden sich in den kommenden zwei Jahren entscheiden, meinte
MABB-Chef Hege vor dem Ausschuß.  Der mit dem Decoderstreit verbundene
Machtkampf sei nicht abgeschlossen.  Den Wert des Berliner Kabelnetzes
bezifferte er auf 1,5 Milliarden Mark.  Es gebe keinen Zweifel daran,
daß DF 1 und Premiere im digitalen Kabel zu sehen zu werden, meinte
Hege.  Das Problem bleibe der Zugang für regionale Angebote.

Das Digital-Paket von Premiere wird versuchsweise bereits ins Berliner
Kabel eingespeist.  Der für Berlin geplante Einsatz von 10.000
Premiere-Decodern findet jedoch mangels einer Einigung mit der Telekom
immer noch nicht statt.  Auch für DF 1 gibt es bereits eine regionale
Zulassung der MABB.  Der ORB bewirbt sich mit Unterstützung des SFB um
das digitale Sendezentrum der ARD, das die neuen Digital-Angebote der
ARD ("Vernetzen statt Versparten") und ein regionales Projekt von SFB
und ORB ("Kulturkalender") herstellen soll. (mr)


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