Medialist 1.96: Nur =?iso-8859-1?Q?Notl=F6sungen?=

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
8 Nov 1996 10:56:41 GMT

Medialist 1.96: 
Hgg. von Martin Recke

        Wenn alle sechzehn Länderparlamente zustimmen (womit zu rechnen
        ist), dann tritt am 1. Januar die Novellierung des neuen
        Rundfunkstaatsvertrages in Kraft.  Im Berliner Abgeordnetenhaus
        fand dazu in dieser Woche eine Anhörung statt.  "Notlösungen"
        nannte der frühere Verfassungsrichter Ernst Benda bei dieser
        Gelegeheit die neuen Elemente der Vielfaltssicherung, Fenster
        und Programmbeiräte.

        Andere Notlösungen gehen gleichzeitig ihrem Ende entgegen:  Der
        ORB hat sein neues Fernsehzentrum eröffnet, die bisherigen
        Baracken, Signum der Anfangszeit des gerade fünfjährigen
        Senders, werden zum Jahresende geräumt.


Benda: Neuer Rundfunkstaatsvertrag stellt Landesmedienanstalten
"weitgehend" von Konzentrations-Kontrollaufgaben frei -  "Insgesamt
Zuwachs von Aufgaben"

Der neue Rundfunkstaatsvertrag stellt die Medienanstalten von der
Aufgabe der Konzentrationskontrolle "weitgehend" frei, erklärte Ernst
Benda, der Vorsitzende des MABB-Medienrates, am 7. November im Rahmen
einer Anhörung vor dem Medienausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses.
Auf der Basis des bisher geltenden Vertragswerks sei die
Konzentrationskontrolle eine der wichtigsten Aufgaben der
Landesmedienanstalten gewesen.

Soweit die derzeit den Landtagen zur Ratifizierung vorliegende Novelle
"materiell überhaupt noch Konzentrationsentwicklungen" entgegentrete,
hätten die Landesmedienanstalten nur noch begrenzte Möglichkeiten, tätig
zu werden.  Eine Prognose, ob das neue Verfahren besser als bisher die
Meinungsvielfalt sichern könne, sei kaum möglich, so Benda.  Der
Staatsvertragstext umschreibe die Aufgaben der KEK "nur in sehr
allgemeiner Weise".  

Benda sieht künftig eine wesentliche Rolle der Landesmedienanstalten im
Bereich der Sendezeitfenster für unabhängige Dritte.  Ob das vorgesehene
Verfahren sich bewähren werde, sei kaum vorhersehbar.  Der frühere
Verfassungsrichter erwartet insgesamt "eher noch einen Zuwachs" an
Aufgaben für die Landesmedienanstalten.  Dafür würde allein schon die
rasche technische Entwicklung sorgen.

Problematisch sei die Regelung, nach der Mediendienste nur dann dem
Rundfunk zuzuordnen sind, wenn alle Medienanstalten diese Auffassung
einstimmig vertreten.  Das Einstimmigkeitsprinzip begünstige die
Neigung, solche Fragen nach standortpolitischen Gesichtspunkten zu
beantworten.  "Rundfunk" sei ein Rechtsbegriff des Grundgesetzes.
Daraus ergeben sich für Benda Zweifel daran, ob diese Frage "lediglich
verfahrensrechtlich und mit der Tendenz, sie zu verneinen", beantwortet
werden könne.

Die Regelung, nach der die Ministerpräsidenten die Mitglieder der
Konzentrations-Ermittlungskommission (KEK) ernennen, hält Benda für
verfassungskonform.  Auch in Bezug auf die Staatsferne habe er keine
Bedenken, da Konzentrationskontrolle eine typische Staatsaufgabe sei.
Der Begriff der Staatsferne bedeute einen Verzicht auf unangemessene
staatliche Einflußnahme auf Programminhalte ("Staatsnähe"), so Benda,
der selbst an einigen Rundfunkurteilen des Bundesverfassungsgerichts
mitgewirkt hat.

Die in der Novelle als vielfaltssichernde Maßnahme vorgesehene
Einrichtung von Programmbeiräten beurteilte Benda skeptisch.  Sie seien
wie auch die Fensterregelung "Notlösungen".  Die Wirksamkeit von
Programmfenstern sei im Zweifel besser, meinte Benda.  Programmbeiräte
hätten bisher nicht viel geschadet, aber auch nicht genutzt.

MABB-Direktor Hans Hege sieht es als offen an, ob die einzurichtende
KEK alle bisherigen Zulassungen noch einmal im Licht des neuen Rechts
überprüfen werde oder pauschal entscheiden werde, daß alle neuen Sender
unter Konzentrationsaspekten zugelassen werden müssen, weil keine
Senderfamilie auch nur annähernd die Marke von 30 Prozent Marktanteil
erreiche.

Es sei ein Vorteil der neuen Regelung, daß die KEK eine einheitliche
verbindliche Entscheidung zu treffen habe.  Dadurch würden
Standortinteressen weniger Einfluß auf Zulassungen haben, meinte Hege.
Die Diskussion um Marktanteile bezeichnete Hege als "Diskussion von
gestern".  Die eigentliche Frage sei heute der chancengleiche Zugang zu
den technischen Plattformen.  

SFB-Intendant Günther von Lojewski forderte bei gleicher Gelegenheit
neue, anstaltsindividuelle Elemente bei der Gebührenbemessung.  Dies sei
notwendig, wenn der Finanzausgleich, wie politisch gewollt, nach der
kommenden Gebührenperiode abgeschafft werden solle.  Wenn das bisherige
Verfahren beibehalten würde, hätten die großen ARD-Anstalten den größten
Vorteil von den Einsparungen der kleinen.  Dies berühre das
Binnenverhältnis der ARD, so Lojewski.

Lojewski kritisierte, daß der neue Rundfunkstaatsvertrag die
neuen Spartenkanäle von ARD und ZDF nicht als Teil der Grundversorgung
definiere, sondern als Zusatzangebot.  Dies sollte mit der vierten
Novellierung korrigiert werden, forderte der SFB-Chef.
(mr)

---------------------

ORB eröffnet neues Fernsehzentrum - Stolpe: Brandenburger
wollen eigenen Sender

Der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) hat am 6. November ein neues
Fernsehzentrum eröffnet.  Der Neubau löst die bisherigen Provisorien auf
dem Mediengelände in Potsdam-Babelsberg ab.  In einer Bauzeit von 22
Monaten wurden insgesamt 104,3 Millionen Mark in den Neubau investiert.
Am 25. November soll der Sendebetrieb aus den neuen Studios aufgenommen
werden.

Der brandenburgische Ministerpräsident Stolpe betonte während des
Festaktes, die Menschen in Brandenburg wollten ein "eigenes Land und
eine eigene Rundfunkanstalt".  Dies habe sich am 5. Mai gezeigt, als
eine Mehrheit im Land den geplante Zusammenschluß des Landes mit Berlin
ablehnte.  Stolpe bezeichnete es als Verdienst des ORB, die "Heimat
Brandenburg, die sozial-psychologische Basis" mitgeschaffen zu haben.
Er sprach sich dafür aus, neue Wege der Zusammenarbeit mit den Nachbarn
zu gehen.  Die Kooperation mit dem SFB beim gemeinsamen Inforadio nannte
er ein "gelungenes Modell".

Ein Sender wie der ORB habe nur eine Überlebenschance, wenn er "aus der
Region für die Region" sende und dabei nicht provinziell sei, sagte
ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer aus Anlaß der Eröffnung.  Der ORB
sei nur ein kleiner Sender, aber er sei erhaltenswert.  Die Grundfrage
für alle diskutierten Formen der Zusammenarbeit sei:  "Was nutzt dem
Hörer, Zuschauer und Gebührenzahler in Brandenburg und den Menschen in
der ganzen Region?"  An die Intendanten der Nachbaranstalten richtete
Rosenbauer den Vorschlag, über Modell nachzudenken, die es erlaubten,
"eigenständig zu bleiben und doch über das übliche Maß hinaus zu
kooperieren."

Der Neubau wurde auf dem Wege eines Leasingmodells finanziert.  Der ORB
übernahm das Gebäude zum Festpreis von einem Generalübernehmer.  Nach
Angaben des Senders werden dadurch neun Prozent der
Gesamtinvestitionskosten eingespart.  Das Grundstück ist im Besitz der
Landesrundfunkanstalt.  Im Fernsehzentrum sollen 220 Mitarbeiter auf
11.000 Quadratmetern arbeiten.  Der Bau weite nicht die Kapazitäten aus,
sondern bilde nur den Status Quo ab, hieß es in einer Presseerklärung
(mr)


-- 
The Medialist distributes various news about media topics.  It's in
German.

Die Medienliste verbreitet diverse Medienmeldungen mit dem Schwerpunkt
Berlin.  Sie erscheint in den Newsgroups de.soc.medien, bln.medien und
prenzlnet.medien sowie auf http://userpage.fu-berlin.de/~mr94/medialist/.

Um die Medienliste per Mail zu beziehen, genuegt eine Mail an
<medialist-request@prenzlnet.in-berlin.de> mit dem folgenden Text im
Body:

        SUBSCRIBE medialist

HELP im Body schickt einen Hilfstext.

Kommerzielle Weiterverwertung der Medienmeldungen ist generell nicht
gestattet.  Falls Sie dies dennoch beabsichtigen, wenden Sie sich bitte
an Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de>.  Nichtkommerzielle
Weiterverbreitung der Medienliste ist nur komplett gestattet.  Alle
Rechte vorbehalten.