Medialist 1.96: Hgg. von Martin Recke Wenn alle sechzehn Länderparlamente zustimmen (womit zu rechnen ist), dann tritt am 1. Januar die Novellierung des neuen Rundfunkstaatsvertrages in Kraft. Im Berliner Abgeordnetenhaus fand dazu in dieser Woche eine Anhörung statt. "Notlösungen" nannte der frühere Verfassungsrichter Ernst Benda bei dieser Gelegeheit die neuen Elemente der Vielfaltssicherung, Fenster und Programmbeiräte. Andere Notlösungen gehen gleichzeitig ihrem Ende entgegen: Der ORB hat sein neues Fernsehzentrum eröffnet, die bisherigen Baracken, Signum der Anfangszeit des gerade fünfjährigen Senders, werden zum Jahresende geräumt. Benda: Neuer Rundfunkstaatsvertrag stellt Landesmedienanstalten "weitgehend" von Konzentrations-Kontrollaufgaben frei - "Insgesamt Zuwachs von Aufgaben" Der neue Rundfunkstaatsvertrag stellt die Medienanstalten von der Aufgabe der Konzentrationskontrolle "weitgehend" frei, erklärte Ernst Benda, der Vorsitzende des MABB-Medienrates, am 7. November im Rahmen einer Anhörung vor dem Medienausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses. Auf der Basis des bisher geltenden Vertragswerks sei die Konzentrationskontrolle eine der wichtigsten Aufgaben der Landesmedienanstalten gewesen. Soweit die derzeit den Landtagen zur Ratifizierung vorliegende Novelle "materiell überhaupt noch Konzentrationsentwicklungen" entgegentrete, hätten die Landesmedienanstalten nur noch begrenzte Möglichkeiten, tätig zu werden. Eine Prognose, ob das neue Verfahren besser als bisher die Meinungsvielfalt sichern könne, sei kaum möglich, so Benda. Der Staatsvertragstext umschreibe die Aufgaben der KEK "nur in sehr allgemeiner Weise". Benda sieht künftig eine wesentliche Rolle der Landesmedienanstalten im Bereich der Sendezeitfenster für unabhängige Dritte. Ob das vorgesehene Verfahren sich bewähren werde, sei kaum vorhersehbar. Der frühere Verfassungsrichter erwartet insgesamt "eher noch einen Zuwachs" an Aufgaben für die Landesmedienanstalten. Dafür würde allein schon die rasche technische Entwicklung sorgen. Problematisch sei die Regelung, nach der Mediendienste nur dann dem Rundfunk zuzuordnen sind, wenn alle Medienanstalten diese Auffassung einstimmig vertreten. Das Einstimmigkeitsprinzip begünstige die Neigung, solche Fragen nach standortpolitischen Gesichtspunkten zu beantworten. "Rundfunk" sei ein Rechtsbegriff des Grundgesetzes. Daraus ergeben sich für Benda Zweifel daran, ob diese Frage "lediglich verfahrensrechtlich und mit der Tendenz, sie zu verneinen", beantwortet werden könne. Die Regelung, nach der die Ministerpräsidenten die Mitglieder der Konzentrations-Ermittlungskommission (KEK) ernennen, hält Benda für verfassungskonform. Auch in Bezug auf die Staatsferne habe er keine Bedenken, da Konzentrationskontrolle eine typische Staatsaufgabe sei. Der Begriff der Staatsferne bedeute einen Verzicht auf unangemessene staatliche Einflußnahme auf Programminhalte ("Staatsnähe"), so Benda, der selbst an einigen Rundfunkurteilen des Bundesverfassungsgerichts mitgewirkt hat. Die in der Novelle als vielfaltssichernde Maßnahme vorgesehene Einrichtung von Programmbeiräten beurteilte Benda skeptisch. Sie seien wie auch die Fensterregelung "Notlösungen". Die Wirksamkeit von Programmfenstern sei im Zweifel besser, meinte Benda. Programmbeiräte hätten bisher nicht viel geschadet, aber auch nicht genutzt. MABB-Direktor Hans Hege sieht es als offen an, ob die einzurichtende KEK alle bisherigen Zulassungen noch einmal im Licht des neuen Rechts überprüfen werde oder pauschal entscheiden werde, daß alle neuen Sender unter Konzentrationsaspekten zugelassen werden müssen, weil keine Senderfamilie auch nur annähernd die Marke von 30 Prozent Marktanteil erreiche. Es sei ein Vorteil der neuen Regelung, daß die KEK eine einheitliche verbindliche Entscheidung zu treffen habe. Dadurch würden Standortinteressen weniger Einfluß auf Zulassungen haben, meinte Hege. Die Diskussion um Marktanteile bezeichnete Hege als "Diskussion von gestern". Die eigentliche Frage sei heute der chancengleiche Zugang zu den technischen Plattformen. SFB-Intendant Günther von Lojewski forderte bei gleicher Gelegenheit neue, anstaltsindividuelle Elemente bei der Gebührenbemessung. Dies sei notwendig, wenn der Finanzausgleich, wie politisch gewollt, nach der kommenden Gebührenperiode abgeschafft werden solle. Wenn das bisherige Verfahren beibehalten würde, hätten die großen ARD-Anstalten den größten Vorteil von den Einsparungen der kleinen. Dies berühre das Binnenverhältnis der ARD, so Lojewski. Lojewski kritisierte, daß der neue Rundfunkstaatsvertrag die neuen Spartenkanäle von ARD und ZDF nicht als Teil der Grundversorgung definiere, sondern als Zusatzangebot. Dies sollte mit der vierten Novellierung korrigiert werden, forderte der SFB-Chef. (mr) --------------------- ORB eröffnet neues Fernsehzentrum - Stolpe: Brandenburger wollen eigenen Sender Der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) hat am 6. November ein neues Fernsehzentrum eröffnet. Der Neubau löst die bisherigen Provisorien auf dem Mediengelände in Potsdam-Babelsberg ab. In einer Bauzeit von 22 Monaten wurden insgesamt 104,3 Millionen Mark in den Neubau investiert. Am 25. November soll der Sendebetrieb aus den neuen Studios aufgenommen werden. Der brandenburgische Ministerpräsident Stolpe betonte während des Festaktes, die Menschen in Brandenburg wollten ein "eigenes Land und eine eigene Rundfunkanstalt". Dies habe sich am 5. Mai gezeigt, als eine Mehrheit im Land den geplante Zusammenschluß des Landes mit Berlin ablehnte. Stolpe bezeichnete es als Verdienst des ORB, die "Heimat Brandenburg, die sozial-psychologische Basis" mitgeschaffen zu haben. Er sprach sich dafür aus, neue Wege der Zusammenarbeit mit den Nachbarn zu gehen. Die Kooperation mit dem SFB beim gemeinsamen Inforadio nannte er ein "gelungenes Modell". Ein Sender wie der ORB habe nur eine Überlebenschance, wenn er "aus der Region für die Region" sende und dabei nicht provinziell sei, sagte ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer aus Anlaß der Eröffnung. Der ORB sei nur ein kleiner Sender, aber er sei erhaltenswert. Die Grundfrage für alle diskutierten Formen der Zusammenarbeit sei: "Was nutzt dem Hörer, Zuschauer und Gebührenzahler in Brandenburg und den Menschen in der ganzen Region?" An die Intendanten der Nachbaranstalten richtete Rosenbauer den Vorschlag, über Modell nachzudenken, die es erlaubten, "eigenständig zu bleiben und doch über das übliche Maß hinaus zu kooperieren." Der Neubau wurde auf dem Wege eines Leasingmodells finanziert. Der ORB übernahm das Gebäude zum Festpreis von einem Generalübernehmer. Nach Angaben des Senders werden dadurch neun Prozent der Gesamtinvestitionskosten eingespart. Das Grundstück ist im Besitz der Landesrundfunkanstalt. Im Fernsehzentrum sollen 220 Mitarbeiter auf 11.000 Quadratmetern arbeiten. Der Bau weite nicht die Kapazitäten aus, sondern bilde nur den Status Quo ab, hieß es in einer Presseerklärung (mr) -- The Medialist distributes various news about media topics. It's in German. Die Medienliste verbreitet diverse Medienmeldungen mit dem Schwerpunkt Berlin. Sie erscheint in den Newsgroups de.soc.medien, bln.medien und prenzlnet.medien sowie auf http://userpage.fu-berlin.de/~mr94/medialist/. Um die Medienliste per Mail zu beziehen, genuegt eine Mail an <medialist-request@prenzlnet.in-berlin.de> mit dem folgenden Text im Body: SUBSCRIBE medialist HELP im Body schickt einen Hilfstext. Kommerzielle Weiterverwertung der Medienmeldungen ist generell nicht gestattet. 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