Medialist 0.96: Medienpolitik im Nordosten Hgg. von Martin Recke Die ARD-Strukturreform bleibt auf der medienpolitischen Agenda. Bis 1999 wollen sich die Ministerpräsidenten über eine Neusortierung der ARD-Anstalten verständigen. Dabei geht es vor allem um die Zukunft der Nehmer im ARD-Finanzausgleich. Der SFB, neben dem Saarländischen Rundfunk und Radio Bremen bisher Nutznießer der ARD-internen Umschichtungen, hat von sich aus erklärt, zum Ende der kommenden Gebührenperiode aus dem Finanzsausgleich auszusteigen. Doch damit ist die Frage einer Neuordnung der ARD-Anstalten im Nordosten nicht vom Tisch. Kommt es zu einer Fusion des SFB mit dem kleineren Partner ORB, der in den fünf Jahren seines Bestehens ohne Finanzausgleich auskam? Oder ist eine größere Lösung möglich, wie sie SFB-Intendant Günther von Lojewski befürwortet? Lojewski kann sich dabei auf die Berliner CDU berufen, die einen "starken Hauptstadtsender" installieren will, ohne jedoch konkret angeben zu können, wie ein solcher aussehen soll. Die beiden Anstalten haben in den letzten Jahren eine Reihe von Kooperationsvorhaben realisiert, darunter das gemeinsame Inforadio. Sie veranstalten derzeit insgesamt acht Hörfunkprogramme: neben Inforadio die beiden Landeswellen Berlin 88 8 (SFB) und Antenne Brandenburg (ORB), das vom ORB produzierte gemeinsame Jugendradio Fritz, das vom SFB hergestellte Gemeinschaftsprogramm B Zwei, die beiden Kulturwellen SFB 3 und Radio Brandenburg (ORB) sowie SFB 4 Multikulti. Im Fernsehen haben SFB und ORB mit B 1 und dem Fernsehen Brandenburg je ein eigenes Drittes Programm. Ein Kommentar und zwei Interwiews mit den Intendanten über die medienpolitische Großwetterlage im Nordosten und die Zusammenarbeit ihrer Häuser. Semper Reformanda -- Sanft ruht die Politik im Nordosten, während die Anstalten arbeiten Die Drohung steht: Spätestens in drei Jahren wollen die Länderchefs über eine neue ARD-Struktur befinden. Dem föderalistischen Finanzausgleich soll es dabei an den Kragen gehen: Mit ihm werden Saarländischer Rundfunk und Radio Bremen massiv, der Sender Freies Berlin immerhin nicht unerheblich alimentiert. SFB-Chef Günther von Lojewski will seinen Sender daher aus der medienpolitischen Gefahrenzone rücken und hat von sich aus erklärt, er wolle vom 1. Januar 2001 an ohne die Gebührengelder aus anderen Bundesländern auskommen. Die löbliche Absicht hat der Intendant jedoch schon wieder relativiert: Kommt keine Fusion seiner Anstalt zu einer "größeren Einheit" zustande, dann werde sich die Frage nach einem Finanzausgleich wieder stellen. Auch für den ORB, merkte Lojewski süffisant im epd-Interview an. Der kleine Nachbarsender, nicht größer als der Saarländische Rundfunk, kam in den fünf Jahren seines Bestehens -- politisch gewollt -- ohne Finanzausgleich zurecht. Und nach dem Willen seines Intendanten soll das auch so bleiben: Wenn sie ihren Kurs fortsetze, dann könne die Brandenburgische Landesrundfunkanstalt auch in zehn Jahren noch existieren, meinte ORB-Chef Hansjürgen Rosenbauer. Mitte 1999 endet Lojewskis Amtszeit, gerade rechtzeitig also, um das Finanzproblem seiner Anstalt seinem Nachfolger auszuhändigen. Spätestens zu diesem Termin wird sich die quasi völlige Nicht-Existenz einer Berliner Medienpolitik entweder bitter rächen oder schleunigst ändern. Für die gar nicht so große Koalition aus der CDU Diepgens und einer SPD unterhalb der 25-Prozent-Hürde stellt sich dann die Frage, wie sie einen "starken Hauptstadtsender" (Diepgen) installieren oder auch nur die Fusion mit dem ORB zum Jahr 2001 ins Werk setzen wollen. Zu letzterer immerhin bekennt sich inzwischen die SPD. Außer der vagen Hauptstadtsender-Formel hat die regierungsamtliche Medienpolitik nicht viel zu bieten. Niemand kann erklären, wie er andere Ostprovinzen den Armen der Mehrländeranstalten im Nord- (NDR) und Süd-Osten (MDR) entreißen will. Und welcher medienpolitische Sinn sollte einer solchen Schwächung der Großen entspringen? Die Alternative wäre ein echter Treppenwitz der Mediengeschichte: eine Fusion von SFB und ORB mit dem MDR zur ostdeutschen Superanstalt. Warum eigentlich, müßte man fragen, haben Medien- und Vereinigungspolitiker vor fünf Jahren den Deutschen Fernsehfunk (DFF) und das Funkhaus Berlin abgewickelt? Eine Fusion nach dem Muster, das der Norddeutsche Rundfunk im vergangenen Jahr vorschlug, muß mittlerweile ebenfalls als eher unwahrscheinlich gelten. Zu groß wären die programmlichen Verluste für Berlin und Brandenburg, zu gering die dadurch erzielbaren Einsparungen. Und ein "starker Hauptstadtsender" würde so wohl auch nicht eben entstehen. Bleibt also die "kleine Lösung" einer Fusion von SFB und ORB. Die ist jedoch durch den Ballast eines ablehnenden Volksvotums zum Zusammenschluß der beiden Länder beschwert. Die Potsdamer Landesregierung legt sich seit dem 5. Mai deutliche Zurückhaltung auf; der Babelsberger Intendant hat sein Modell für einen "Ostdeutschen Rundfunk" (ODR) zur "Konföderation" von SFB und ORB reduziert, hält an der Fusionsperspektive zwar fest, aber vertritt sie nur noch gebremst. Stattdessen bauen die beiden Intendanten die Kooperation ihrer Häuser weiter aus. Während die nordöstliche Medienpolitik in Frieden ruht, setzen die Anstalten ein gemeinsames Projekt nach dem anderen auf die Schienen: Vor gut einem Jahr entstand -- unter dem Druck der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, die dem SFB keine Frequenz für ein Projekt mit dem MDR geben wollte -- das Inforadio; nach dessen Muster soll nun ein Großteil der Radioprogramme neu geordnet und gemeinsam produziert werden. Wenn dies so realisiert würde, wären die beiden Nordost-Häuser der ARD tatsächlich bald weiter als die ungleich größeren Schwestern im Südwesten, die schnell in Schwierigkeiten gerieten, als sie die wohlklingenden Worte im Voß-/Fünfgeld-Konzept ins Konkrete ausbuchstabieren sollten. Wenn auf Programme, und noch dazu populäre, verzichtet werden soll, dann erlahmt der Spareifer. Völlig zu Recht übrigens. Wer mit Verweis auf die Vielzahl öffentlich-rechtlicher Hörfunk-Programme -- von den beiden des Deutschlandradios bis zu den acht des Norddeutschen Rundfunks -- nach Einsparungen schielt, der besorgt, willentlich oder nicht, das Geschäft der kommerziellen Konkurrenz. Auf dem vor Überfüllung berstenden Radiomarkt, wie er nicht nur in Berlin existiert, kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur mit eigener Angebotsvielfalt reüssieren. Mit Berlin 88 8 und Antenne Brandenburg haben SFB und ORB jeweils eine einschaltkräftige Regionalwelle für die ältere Generation. Die gemeinsame Jugendwelle Fritz bedient die jungen Hörer; das Inforadio und SFB 4 Multikulti jeweils ein Spartenpublikum. Nun geht es um die Kultur: Die klassische Kulturwelle SFB 3 und das jüngere "Trendradio" Radio Brandenburg (Slogan: Was glauben Sie denn, ist Kultur?) sollen zu drei Programmen aufgefächert werden; der SFB opfert dafür seine quotenschwache, eigentlich für den mainstream konzipierte Welle B Zwei. Für Brandenburg sollen am Ende zwei zusätzliche öffentlich-rechtliche Programme herausspringen. Darin liegt der Grund für die plötzliche Zögerlichkeit des ORB: Als Flächenanstalt hat er deutlich höhere Ausstrahlungskosten als der Stadtsender in Berlin. Rosenbauer, der dies offenbar erst spät bemerkt hat, läßt seine Mitarbeiter nun nach Wegen suchen, mit denen verhindert werden kann, daß die explodierenden Senderkosten für zwei neue Frequenzketten die Programmgelder auffressen. Im Fernsehen liegen die Dinge komplizierter: Mit dem Vorschlag seines ORB-Kollegen, bei den Gemeinschaftsprogrammen der ARD künftig nun gemeinsame Sache zu machen und die eher bescheidenen Programmanteile zusammenzuwerfen, kann sich SFB-Chef Lojewski nicht recht anfreunden. Und die Dritten Fernsehprogramme, meinen unisono beide, müssen auch weitgehend bleiben, wie sie sind, getrennt nach Land und Metropole. Alles wäre schön und gut, wären da nicht die drückenden Finanzprobleme des SFB. Für das laufende letzte Jahr der alten Gebührenperiode kalkuliert das Haus ein Defizit von gut zehn Millionen Mark ein. Das Jahr 1995 schloß der SFB nur deshalb mit knapp neun Millionen Mark Überschuß ab, weil "außerordentliche Erträge", darunter Mittel der Anschubfinanzierung für den Ost-Rundfunk, bilanzwirksam wurden. Der Betriebshaushalt war um mehr als neun Millionen Mark unterfinanziert. Daran läßt sich eine deutliche Schieflage ablesen. Gut 32 Prozent seiner Mittel gibt der SFB in diesem Jahr für Personal aus; mit den Pensionszahlungen sind es sogar 40 Prozent. Hier lauert ein Strukturproblem. Der "schlanke" ORB verbraucht insgesamt nur knapp 30 Prozent seiner Einnahmen für das Personal (25,5 Prozent ohne Pensionsrückstellungen). Die knappe Personalpolitik geht zwar zu Lasten der Mitarbeiter, sie läßt dem Sender aber einige Bewegungsfreiheit, an der es dem SFB mangelt: Höhere Gehaltstarife werden der Berliner Anstalt in den nächsten Jahren neben den üblichen Kostensteigerungen den letzten beschäftigungspolitischen Spielraum nehmen. Zu einem radikalen Schrumpf- und Sparkurs, wie ihn die Unternehmensberatung Quickborner Societät vor drei Jahren nahelegte, konnte sich Lojewski nicht entschließen. Er mag gute Gründe dafür gehabt haben. Doch letztlich gelangt das Problem so wieder in die Hände der Politik, die zum Ende der kommenden Gebührenperiode nach einer Lösung suchen muß. Im Nordosten bleibt erheblicher, anhaltender Reformbedarf, der 1990/91 nur verschlafen und vertagt wurde. Seit dem Sommer spricht Lojewski offen vom schlimmsten anzunehmenden Fall: Das Jahr 2001 beginnt, und nichts ist passiert. Keine Fusion, keine Gebührenerhöhung, womöglich eine zerfallende ARD. Für den SFB eine Katastrophe, auf die Lojewski sein Haus vorbereiten will. Für den ORB kein Existenzproblem, aber der Zwang, am Programm zu sparen, womöglich Programme zu streichen. Spannend wird dann, was die regionalen Medienpolitiker mit der Lage anzufangen wissen. Doch bis dahin werden SFB und ORB "zwischen Kooperation und Fusion" (so der Titel eines SFB-Papiers aus dem Jahr 1995) noch einige Reform-Fakten schaffen, die zu ignorieren der Medienpolitik nach dem Ende ihres Dornröschenschlafes schwerfallen dürfte. Im Grunde sind die beiden Intendanten sich nämlich einig. Öffentlich hingegen zelebrieren sie mit Lust den wechselseitigen Streit der Eitelkeiten. Dessen Unterhaltungswert geht langsam, aber sicher zu Ende. (mr) --------------------- Mit seinen Pfunden wuchern -- Ein Interview mit ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer Im Spätsommer haben die beiden Intendanten von SWF und SDR, Peter Voß und Hermann Fünfgeld, ein Konsenspapier auf den Tisch gelegt und damit die Neuordnungs-Diskussion im Südwesten befördert. Wann bekommen wir ein vergleichbares Papier von den beiden Intendanten im Nordosten zu sehen? Da es schon zwei relativ dicht beieinander liegende Strategiepapiere von ja nicht nur den Intendanten von SFB und ORB, sondern den Gremien beider Sender gibt, könnte ein wirklich gemeinsames Konzept dann entstehen, wenn sich die beiden Häuser in einer Arbeitsgruppe zusammenfänden, um einen gemeinsamen Entwurf zu erarbeiten. Sie kennen meinen Vorschlag, nach dem Scheitern der Länderfusion -- die ja ein Ausdruck ist, daß zumindest größere Teile der Bevölkerung in Brandenburg, aber auch in Ostberlin, eigenständig bleiben wollen -- für die Sender den Weg einer Konföderation zu gehen. Wenn Sie sich das Papier aus dem Südwesten anschauen, dann werden Sie in dieser Vorlage zu der Idee eines konföderierten Zusammengehens erstaunliche Parallelen entdecken. Auch im Südwesten geht es zwar um eine gemeinsame Verwaltung, eine gemeinsame Intendanz -- es fällt sogar der Begriff Holding --, aber dann geht es um zwei starke und programmlich unabhängige Landessender, einen für Baden-Württemberg und einen für Rheinland-Pfalz. Was man dort also noch vorhat, können wir hier schon lange bieten. Wir machen mehr gemeinsam an Programmen als es im Südwesten bisher der Fall ist, mit Ausnahme, daß es dort einen Dreierverbund für ein Fernsehprogramm gibt. Aber im Hörfunk sind wir viel weiter, in Teilen haben wir die gemeinsame Verwaltung schon. Das heißt, dieses so mit viel Applaus versehene Modell aus dem Südwesten löst bei uns keine Nachahmeffekte aus, weil der einzige wirklich gravierende Unterschied im Moment für mich ist, daß dort festgeschrieben ist, in der Spitze die beiden Sender zusammenzulegen. Aber alle daraus sich ergebenden Komplikationen -- Wo sitzt die Intendanz? Was passiert mit Stuttgart? Wie stark wird Mainz aufgebaut? -- das sind Fragen, die sich für uns in großen Teilen gar nicht stellen. Was wäre denn nach der gescheiterten Länderfusion jetzt eine realistische Zeitperspektive für ein Zusammengehen von SFB und ORB, für Ihr Modell einer Konföderation? Derzeit stehen drei Schritte an: Der erste Schritt ist -- das mag relativ bescheiden wirken, es ist aber ein wirklicher qualitativer Sprung -- der gemeinsame Videotext. Wir haben ihn bis jetzt mit dem Mitteldeutschen Rundfunk zusammen gemacht, das hat gut funktioniert. Aber: So wie das gemeinsame Inforadio von SFB und ORB "aus der Region für die Region" der richtige Weg war und ist, so ist auch ein gemeinsamer Videotext der richtige Weg für ein Angebot für Berlin und Brandenburg. In einem weiteren Schritt werden die Hörfunkdirektoren beider Häuser, bei uns schon Hannelore Steer, sich mit einer kleinen Arbeitsgruppe zusammensetzen, um ein Konzept über die Umsetzung weiterer gemeinsamer Hörfunkprogramme zu gestalten. Und der dritte Schritt -- auch das paßt in das Konzept der Konföderation -- wäre, daß wir, wie ich vorgeschlagen habe, in den Gemeinschaftsprogrammen der ARD -- also Erstes Programm, Arte, 3sat -- ein gemeinsames Angebot machen. Das ist kein so schwieriges Problem. ORB und SFB, um ein Beispiel zu nennen, sind beide ab nächstem Jahr am Kulturreport beteiligt, jeder Sender mit je vier Sendungen. Was hindert uns daran, diesen Kulturreport gemeinsam anzubieten? Wer hindert uns, den Vorschlag habe ich ja auch schon öfter gemacht, bei Kontraste gemeinsam aufzutreten? Wer hindert uns, unsere Featureangebote abzustimmen? All das kann auf der Ebene der Fernsehdirektoren erfolgen, da braucht man noch keinen gemeinsamen Rundfunkrat, keinen Superintendanten oder sonst etwas. Das sind also praktische und vernünftige Wege, die zeigen, wie das Konförderationsmodell funktionieren kann, und die natürlich schon weitergehen als das, was im Südwesten bisher stattfindet. Nochmal die Frage nach der Zeitperspektive. Der ORB hat keinen Zeitdruck. Die Frage eines Zusammengehens wird sich aber wieder zum Ende der nächsten Gebührenperiode stellen. Und die Leidensfähigkeit des ORB darf man auch nicht überstrapazieren. Wenn bei jedem Vorschlag zum Miteinander von SFB und ORB von der Berliner Politik die Antwort kommt: "Das ist kein Modell, das wir für tragfähig halten, sondern wenn, dann muß es eine größere Einheit sein", ob dies nun bedeutet, da kommt noch ein Land hinzu, das jetzt beim Mitteldeutschen oder beim Norddeutschen Rundfunk ist, oder der Zusammenschluß mit einer der Mehrländeranstalten -- das ermuntert mich nicht, immer wieder neue Vorschläge zu machen. Ich denke, daß wir als ORB und SFB der Politik erläutern können, wie wir uns eine gemeinsame Anstalt vorstellen, aber letztendlich muß sich die Politik dann ernsthaft dazu bekennen, daß sie überhaupt gewillt ist, über ein solches Papier zu diskutieren. Wenn aber Landowsky wie Diepgen erklären: "Das ist uns eine Nummer zu klein", und Landowsky noch ergänzt, daß der ORB auch qualitativ kein ebenbürtiger Partner für den SFB sei, dann werden Sie sicher verstehen, daß meine Motivation, immer wieder Vorstellungen zu äußern, sinkt. Zumal Landowsky ja auch im Rundfunkrat des SFB und dort ein wichtiges und prägendes Mitglied ist. Der ORB ist kein Bittsteller. Wir können, wenn wir bei unserem jetzigen Weg bleiben, auch in zehn Jahren noch selbständig sein. Wir sind auch in keinem Zwang, jetzt unbedingt weitere Kooperationen im Hörfunkbereich zu suchen. Wir tun es aber aus Überzeugung, weil ich es für richtig halte. Aber solange Radio Bremen, der Saarländische Rundfunk und der SFB als eigenständige Anstalten existieren, die noch dazu, bisher zumindest, Finanzausgleich bekommen, solange wird der ORB auf jeden Fall existieren können -- und auch darüber hinaus. Lassen Sie uns die Parteienlandschaft nochmal etwas differenzierter betrachten. Die Berliner CDU hat ja außer dem Gestänkere von Klaus Landowsky und der vagen Idee, einen starken Hauptstadtsender installieren zu wollen, nicht so besonders viel konkretes zu bieten. Es fehlt ja auch an einem Modell, wie denn überhaupt die Rundfunklandschaft geordnet werden könnte, wenn man den starken Hauptstadtsender installieren wollte. Ist es ein ernsthaftes Fusionshindernis, daß die Berliner Regierungspartei kein konsistentes Modell anzubieten hat? Ich erwarte ja nicht von der CDU, daß sie ein Modell anbietet. Ich erwarte nur, daß sie positiv auf Vorschläge reagiert, wie sie sowohl von uns kommen als auch vom SFB-Rundfunkrat und von uns gemeinsam. Aber wenn bei jedem dieser Vorschläge das Echo heißt: "Was soll das? Eine Sieben-Prozent-Anstalt spielt doch keine Rolle im Vergleich mit den großen ARD-Anstalten." Dann hat das nichts mit einem Mangel an Konzepten zu tun, sondern einfach etwas mit fehlender politischer Bereitschaft. Es ist meine tiefe Überzeugung, daß im Moment nicht nur in Berlin, sondern auch in Brandenburg die Idee einer Fusion beider Anstalten oder eines sehr engen Zusammengehens politisch nicht auf der Tagesordnung steht. Beide Länder, was ihre politischen Spitzen angeht, sind mit anderen Dingen beschäftigt. Die Berliner SPD immerhin hat ja ein ziemlich klares Bekenntnis zur Fusion von SFB und ORB abgelegt. Und wenn man die SPD betrachtet, so ist es eigentlich eher die Brandenburger SPD, die da auf die Bremse tritt und sagt: "Wir sind für enge Kooperation, aber Fusion muß jetzt so schnell erstmal nicht sein." Das kann ich gut verstehen. Denn die Brandenburger SPD hat mit dem Entscheid gegen die Länderfusion eine Stimmung der Bevölkerung des Landes Brandenburg zur Kenntnis nehmen müssen. Und daraus ergibt sich natürlich auch, daß man nicht an dem Willen einer Mehrheit der Brandenburger vorbei bestimmte Dinge aufgeben will, die als identitätsstiftend, wie es der ORB ist, betrachtet werden. Wir reden ja nicht darüber, daß eine Fusion morgen oder übermorgen passieren muß. Ich denke auch, daß der ORB auch in absehbarer Zukunft noch eine Aufgabe in Brandenburg, aber auch für Teile von Ostberlin hat. Es ist ja nicht so gekommen, wie viele prognostiziert haben, daß die Unterschiede zwischen Ost und West sich relativ schnell abbauen, sondern es ist ein neues Selbstbewußtsein zu bemerken, das eigene publizistische Sprachrohre sucht. Ich verstehe es auch, wenn hier in unserem Sender viele Mitarbeiter sagen: "Laßt uns doch noch, für eine Zeit auf jeden Fall, das eigene Profil wahren." Im übrigen kann es nicht darum gehen, durch Zusammenarbeit an Profil zu verlieren. Was die Berliner Politik angeht: Die SPD hatte ja durchaus Nachholbedarf, nachdem in den Koalitionsvereinbarungen SFB und ORB gar nicht vorkamen. Natürlich hat die Berliner Politik im Moment zu Recht größere und andere Probleme als die Fusion von zwei Landesrundfunkanstalten, zumal es keinen Zeitdruck dafür gibt. Ich glaube nur, und deswegen habe ich das Angebot eines konföderierten Modelles gemacht, daß wir vieles von dem, was am Ende eines Fusionsprozesses stehen könnte, jetzt schon praktizieren könnten. Übrigens: Ich höre immer "Fusion" im Zusammenhang mit "Geldsparen". Wir werden nur Geld sparen, wenn wir weniger Programm machen. Wenn man den Status quo an Hörfunk- und Fernsehprogrammen aufrechterhält, selbst bei einem Mantelprogramm für die Dritten, wo dann doch ein großes regionales Angebot für die Metropole eingefügt sein müßte, so sparen wir doch damit relativ wenig Geld. Die Einsparungen, die man auf der Verwaltungsebene erreichen kann, haben wir schon weitgehend ausgeschöpft. Die Einsparungen, die man durch die Reduzierung der Personalkosten bei den Intendanten und Direktoren erreichen würde, sind nicht dramatisch für ein Gesamtbudget. Ich warne davor, daß man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur noch unter Gesichtspunkten des Sparens betrachtet. Am billigsten ist natürlich überhaupt kein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, allerdings nicht für das kulturelle Leben eines Landes und als Korrektiv für das, was die Kommerziellen anbieten. Auch im Südwesten wird man nicht viel Geld dadurch sparen, daß der Südwestfunk und der Süddeutsche Rundfunk zusammengelegt werden. Es wird größere Einheiten geben, die größere Probleme der Koordination haben, aber es wird keine erheblichen Einspareffekte geben, es sei denn, es wird Personal abgebaut und es sei denn, es wird Programm zusammengelegt. Die größeren Einheiten sind ja so ein Stichwort in diesem Zusammenhang. Es war ja auch nach den Südwest-Vorschlägen ein Argument von SFB-Chef Lojewski: Er lerne daraus, daß ein Zusammenschluß von SFB und ORB offenbar noch zu klein sei. Denn der Süddeutsche Rundfunk ist ja größer als SFB und ORB es zusammen wären. Das Argument kenne ich jetzt schon seit einigen Jahren. Es überzeugt mich nicht. Warum sind die Hauptstädter, die doch sonst so selbstbewußt auftreten, so kleinmütig? Eine Region, selbst wenn sie in der ARD nur sieben Prozent am Gemeinschaftsprogramm leistet, in der die Bundeshauptstadt ist, in der das politische Leben seinen Kern hat, die kulturell eine wichtige Rolle spielt (und ich meine jetzt nicht nur Berlin, sondern auch Brandenburg, denn in Brandenburg passiert eine Menge), die kann mit einem ganz anderen Anspruch an publizistischer Kraft auftreten als das, bei aller Zuneigung, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz können. Da sollte man mit seinen Pfunden wuchern. Natürlich werden wir nicht als Sieben-Prozent-Anstalt die große Samstagabend-Unterhaltung prägen. Übrigens: Immer weniger Sender wollen sie prägen, weil es sehr schwierig ist, dort auch mit viel Geld erfolgreich zu sein und es auch manchmal schwierig ist, den öffentlich-rechtlichen Charakter dabei zu behalten. Es muß mir auch jemand erklären, wie diese größere Einheit aussehen soll. Weder Sachsen-Anhalt noch Mecklenburg-Vorpommern werden -- es sei denn, es passieren Dinge, die wir jetzt nicht voraussehen können -- den derzeitigen Verbund verlassen. Sie werden bei MDR und NDR bleiben. Das hieße doch als Alternative nur, daß man sich einer der Mehrländeranstalten anschließt. Was bringt das für die Region Berlin und Brandenburg? Nicht sehr viel. Wir kriegen dann regionale Fenster. Es wird auch nicht die Intendanz aus Leipzig oder Hamburg nach Berlin umziehen. Ich habe aufmerksam registriert, daß mein Kollege Reiter gesagt hat, daß es keine Ambitionen des Mitteldeutschen Rundfunks gibt, den SFB und den ORB zu übernehmen. Daß wir mit beiden Mehrländeranstalten kooperieren, ist erklärtes Prinzip. Wir machen relativ viel mit dem Norddeutschen Rundfunk und wir werden unsere Zusammenarbeit mit dem MDR im Fernsehen verstärken, da es ähnliche Zuschauerinteressen gibt. Aber unser naheliegendster Partner bleibt der SFB. Es war von Anfang an mein Ziel in diesen fast fünf Jahren beim ORB, in der Region eine möglichst große Vielfalt an öffentlich-rechtlichen Programmen anzubieten. Das ist natürlich besser gewährleistet, wenn SFB, ORB, MDR und NDR zu empfangen sind. Nicht zufällig haben wir hier für die akkumulierten dritten Programme der ARD die höchsten Marktanteile in ganz Deutschland. Das Neuordnungsthema wird ja in zwei Jahren spätestens wieder auf den Tisch kommen, wenn man die Drohungen der Ministerpräsidenten im neuen Rundfunkstaatsvertrag ernst nimmt, sich wieder spätestens Mitte 1999 mit dem Thema "Strukturreform der ARD" befassen zu wollen. Was erwarten Sie da, was droht Ihnen 1999? Das Thema ist nicht erst in zwei Jahren auf der Tagesordnung, es ist es heute bereits. Die Enquetekommission des Bundestages hat es auf die Tagesordnung gebracht, die Reden von Stoiber und Herzog haben das Thema noch etwas mehr angeheizt, im positiven wie im negativen Sinne. Es wird uns also nicht verlassen. Die Ministerpräsidenten, glaube ich, werden ihre eigenen Interessen nicht aus dem Auge verlieren. Und die eigenen Interessen jenseits von Parteiinteressen sind, daß man die Landesrundfunkanstalten auch als Standortfaktor sieht. Man wird sich sehr gut überlegen, unter welchen Bedingungen ein Land auf seine Landesrundfunkanstalt verzichtet. In Brandenburg, das seinen eigenen Weg geht und gezwungenermaßen auch alleine gehen wird, sehe ich keine Bestrebungen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf einen Sender zu verzichten, der nicht bedürftig ist. Wir brauchen kein Geld von draußen, wir machen ein ziemlich erfolgreiches Programm -- auch in Berlin. Für Manfred Stolpe besteht keine Notwendigkeit, eine Neuordnung zu Lasten des ORB zu forcieren. Vielleicht ist das ganze ein Ablenkungsmanöver. Die Ministerpräsidenten drücken sich davor, über eine Neuordnung der Länder zu reden. Und da der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Form der ARD nun einmal ein Spiegelbild unserer föderalen Struktur ist, frage ich mich: Sind wir in der Bundesrepublik soweit, tatsächlich eine Abkehr vom Prinzip der großen, der mittleren und der kleinen Länder zu vollziehen? Wenn es Teil unseres Systems ist, daß es unterschiedlich große Bundesländer gibt, dann sollte es auch Teil unseres ARD-Systems und -Prinzips sein, daß es unterschiedlich große Sender gibt. Das hat durchaus Vorteile: Die Eigeninteressen einer großen Anstalt wie des Westdeutschen, des Bayerischen oder des Norddeutschen Rundfunks sind andere als die einer kleinen oder mittleren Anstalt. Oft sind die Kleinen bei Entscheidungen Zünglein an der Waage, die in dem durchaus nachvollziehbaren Bemühen großer Anstalten um Einfluß auf das ARD-Programm mäßigend wirken. Aus kleinen Anstalten sind viele innovative Ansätze hervorgegangen. Die Theorie "je größer, desto besser, desto kreativer, desto effizienter" ist schon lange ad absurdum geführt, so daß man sich wundert, daß immer noch darüber diskutiert wird. Dieselben Politiker, die sich zum Beispiel im Bildungssystem gegen die Riesengesamtschulen aussprechen, weil sie anonym und bürokratisch sind und es keine Identifikation gibt, wollen plötzlich große ARD-Anstalten. Es kann nicht darum gehen, nur um eines Prinzips willen alles über einen Kamm zu scheren. Von Ihnen stammt ja die These, daß eigentlich auch jedes Bundesland mit gutem Recht eine eigene Landesrundfunkanstalt haben könnte. Gilt diese These heute noch? Das war eine provokative Gegenposition zur These, wir bräuchten nur noch vier große Anstalten. Natürlich kann man sich vorstellen, wenn die Anstalten so strukturiert sind, daß sie aus eigenen Kräften leben können, daß die Länder einen Anspruch darauf erheben. Auf der anderen Seite gibt es historisch gewachsene Gebilde wie etwa den Norddeutschen Rundfunk als Mehrländeranstalt, die funktionieren und wo man nun auch nicht ohne Not sagen würde, die lösen wir auf. Rein theoretisch könnte jedes Bundesland sagen: So wie wir einen eigenen Ministerpräsidenten, eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament haben, wollen wir auch einen eigenen Landessender. Indirekt läuft es in vielen der Mehrländeranstalten auf eine Zwischenlösung hinaus: Man weitet die subregionalisierten Strecken immer mehr aus. Für die Verbreitung über digitale Satelliten wollen die Mehrländeranstalten doch alle nicht nur einen Kanal, sondern mehrere, um auch die regionalen Fenster verbreiten zu können. Alle Mehrländeranstalten haben das Problem, daß sie in den jeweiligen Regionen auch als "Landessender" wahrgenommen werden. Natürlich haben größere Zusammenschlüsse auch Vorteile, vorausgesetzt, die Länder und die Interessen der Bevölkerung kommen entsprechend vor. Warum zum Beispiel ist der Kinderkanal in Thüringen? Weil das Land Thüringen erklärt hat: "Bei uns muß mehr stattfinden." Die Brandenburger mit ihrem Gebührengeld haben drei eigene Hörfunkprogramme und ein eigenes Fernsehprogramm. Das ist eine Menge mehr für dieselbe Gebühr als es in vergleichbaren Bundesländern bei Mehrländeranstalten der Fall ist. Es gibt ja eine grundsätzliche Einigung der beiden Häuser SFB und ORB, die Radiowellen neu zu sortieren und bei fast allen Programmen zu kooperieren oder sie direkt als Gemeinschaftsprogramme aufzulegen. Im Spätsommer dachten wir alle schon, die Einigung steht unmittelbar bevor, und dann ist es doch erst einmal wieder vertagt worden. Woran hängt es denn zur Zeit? Es hängt nicht, wir arbeiten: Die beiden Hörfunkdirektoren haben sich geeinigt, daß grundsätzliche Bereitschaft besteht, weiter zu kooperieren. Das war ein wichtiger Schritt. Sie haben auch gemeinsam eine Vorstellung formuliert, wie sie sich denn diese Wellen vorstellen können. Sie konnten bisher noch nicht die Details regeln. Wie sind die Programmprofile dieser Wellen? Wo finden sie statt? Wie werden sie finanziert? Und auf welchen Frequenzen? Die Grundvoraussetzung für den ORB, diesen sehr schönen Plan tatsächlich umzusetzen, ist, daß all dies auch in Brandenburg empfangbar ist. Es nutzt mir nichts als Intendant des Senders in Brandenburg, wenn Programme nur in Berlin empfangbar wären. Es wird ein klassisches Kulturprogramm diskutiert, also "SFB 3 neu" oder ergänzt; es wird ein Trendradio diskutiert, also das Angebot für die 30- bis 45jährigen, die Schwierigkeiten haben, ein Programm zu finden, daß ihnen all das bietet, was sie wollen: eine Mischung von Musik, die nicht die Charts hoch und runter spielt, und von Informationen, die in Berlin etwa abgedeckt werden durch Magazine wie "Tip" oder "Zitty". Daß ich mir außerdem eine Klassikwelle wünsche, von der ich ein etwas breiteres Spektrum bekomme als das, was das kommerzielle Klassik-Radio anbietet, ist ganz klar. Es geht um dieses Trio. Es gibt eine Arbeitsgruppe, die sich noch im Oktober zusammensetzen wird, um die ausstehenden Detailfragen zu lösen. Es ist der Eindruck entstanden, daß jetzt beide Häuser im Bereich Radio auf der Suche nach dem Stein der Weisen sind. Jedes Haus hat seine Problemkinder, und diese Probleme müssen jetzt auf einen Schlag gelöst werden. Wäre es nicht sinnvoller, kleiner anzufangen und ähnlich wie beim Projekt Inforadio zuerst die Programmidee zu haben und dann an die Verwirklichung zu gehen? Das ist das, was ich gerade gesagt habe. Ich warte darauf, daß die genannte Arbeitsgruppe die Programmprofile beschreibt und sagt, unter welchen Voraussetzungen sie realisierbar sind. Der ORB ist da nicht unter Druck. Wir haben relativ erfolgreiche Programme, auch Radio Brandenburg hat nach wie vor für ein solches Programme einen erstaunlich großen Hörerkreis. Fritz ist Kult, Antenne Brandenburg ist der Marktführer in der Region und Inforadio ist ein erfolgreiches Spartenprogramm von beiden Sendern. Wenn wir also nun neue gemeinsame Programme planen, dann löst es kein Problem, sondern bereichert die Palette für die Brandenburger, die bis jetzt mit klassischer Musik unterversorgt sind und die auch in der sogenannten "Hochkultur" zwar Angebote bekommen, wo aber für denjenigen, der nur dieses Zielgruppenprogramm will, wie es SFB 3 ist, das Angebot in Brandenburg nicht so reichhaltig ist. Unser Interesse als ORB ist es, bei diesem sehr anspruchsvollem Kulturradio zusammenzugehen. Dafür brauchen wir allerdings die Frequenzen in Brandenburg. Ist denn eine fünfte Frequenzkette in Brandenburg möglich? Das ist auch Aufgabe der Arbeitsgruppe, einen Vorschlag dafür zu machen: Wie können wir aus dem Frequenzbestand, den SFB und ORB haben, durch einige Zusatzfrequenzen, die es gibt, wo die Medienanstalt auch signalisiert hat, daß sie sie uns zur Verfügung stellen könnte, dieses Bouquet auch wirklich landesweit verbreiten? Allerdings geht es nicht, daß durch die relativ hohen Ausstrahlungskosten, die im Lande Brandenburg entstehen (essind ja keine eigenen Sender, sondern die der Telekom), die Gesamtkosten so steigen, daß diese Kooperation nicht zu mehr Effizienz führt und auch nicht in erkennbarem Umfang Finanzmittel zur Stärkung des Programmprofils freisetzt, sondern es allein durch die Ausstrahlung mehr kostet. Wenn das so realisiert würde, was kann dann überhaupt noch bei einer eventuellen Fusion von SFB und ORB sich programmlich bewegen, im Radio wie im Fernsehen? Was würde sich dann überhaupt noch verändern? Ich denke, wenn wir diesen Schritt schaffen (Ich bin gemäßigt optimistisch und würde es auch ertragen können, wenn die Arbeitsgruppe sagt, es ist jetzt noch zu früh dafür, wir kriegen es nicht hin oder es wird zu teuer), können wir danach nur noch wenig machen. Das ist, wie ich finde, ein gutes Zeichen. Acht Programme von SFB und ORB in Berlin und sieben in Brandenburg (da Multikulti ein rein Berliner Programm ist), das ist mehr, als jede andere Landesrundfunkanstalt bietet. SFB und ORB sollten darüber hinaus abgestimmt vorgehen bei den Versuch, möglichst viele Zuhörer in Berlin und Brandenburg zu erreichen, in Ost und West. Alles, was der kommerziellen Konkurrenz schadet, uns nutzt und was die Zuhörer als Bereicherung empfinden, sollten wir tun. Damit könnten wir auch ein Problem überwinden, daß der SFB leider hat. Ich bin ja nicht etwa froh über die unterschiedliche Rezeption in Ost und West. Wenn wir durch ein abgestimmtes Vorgehen erreichen, daß möglichst viele Menschen in beiden Stadtteilen und im Lande Brandenburg öffentlich-rechtliche Sender hören, dann ist das unser Erfolg. Und das ist mein Ziel. Man muß auf die Bedürfnisse der Menschen achten. Wir machen ja nicht Programm für uns und unsere Redakteure, wir machen es für unsere Zuhörer, die dafür bezahlen. Und die haben einen Anspruch darauf, auch von Journalistinnen und Journalisten ein Programm gemacht zu bekommen, die für sie glaubwürdig sind, die die jeweilige regionale Geschichte kennen und die sich auch kontrovers damit auseinandersetzen. Und im Bereich Fernsehen? Eine analoge Satellitenausstrahlung werden wir wohl nicht mehr erleben. Das bedauere ich sehr. Es liegt nicht an uns, sondern an Astra, daß wir keinen Kanal bekommen, um den wir uns seit fast drei Jahren bemühen. Wir werden, ich vermute ab Sommer, digital ausstrahlen. Das hat zumindest den Vorteil, daß man in alle Kabelnetze eingespeist werden könnte -- rein theoretisch -- und daß unser Programm mittelfristig auch in den einzelnen Haushalten empfangbar sein wird. Ich kenne die Position des SFB zum dritten Fernsehprogramm, die dort ganz klar auf Teilung setzt, also das Metropolenprogramm für ein relativ homogenes Publikum, und das erfolgreich. Wir tun uns schwerer in einem Flächenstaat mit so unterschiedlichen Regionen. Trotzdem sind ORB und B 1 zusammen ein gutes Angebot. Das Verblüffende ist, daß unser Fernsehprogramm ins Ost- und Westberlin gleich angenommen wird. Allerdings sind es zum Teil unterschiedliche Sendungen, die im Westteil und die im Ostteil gesehen werden. Ich könnte mir vorstellen, daß wir für bestimmte Sendezeiten, die am Rande liegen, ein gemeinsames Angebot machen. Aber dadurch sparen wir kaum Geld und reduzieren die Vielfalt. Deswegen ist es unser Bemühen, das werden Sie am neuen Programmschema des ORB-Fernsehens ablesen können, sowohl durch Kooperation mit dem NDR als auch mit dem MDR als auch mit dem SFB eine möglichst große Vielfalt anzubieten. Ich finde die sogenannte Skatblatt-Theorie des SFB-Fernsehdirektors Horst Schättle einleuchtend, zu sagen, ORB und SFB stimmen sich ab, wo sie nicht gegeneinander, sondern miteinander produzieren, wenn es sich um Themen handelt, die beiden nahestehen. Es ist Quatsch, daß zwei Teams gleichzeitig im Lande auftauchen, um ein Feature über dasselbe Thema zu drehen. Ich sehe durchaus die Möglichkeit -- immer vorausgesetzt, man kann die Rechnung bezahlen --, daß hier auf längere Zeit zwei Fernsehprogramme existieren. Ich hätte gern ein gemeinsames analoges Satellitenprogramm angeboten. Da wäre es, wenn wir gemeinsam für die ganze Bundesrepublik etwas ausstrahlen, besser gewesen, möglichst viel originäres Programm zu zeigen. Was nutzt es den Leuten, wenn sie in Köln oder Münster nochmal "Alfredissimo" sehen können, das sie schon im WDR sahen? Für ein Satellitenprogramm kann der Sinn für den Rest der Republik ja nur sein, möglichst viel aus einer anderen Region zu erfahren. Woran die Satellitenpläne gescheitert sind, ist ja nicht so recht eindeutig. Der SFB hat ja im Sommer die Pläne mit dem Kostenargument begraben und gesagt, es lohne sich für ihn nicht. Da war keine Rede davon, daß es an Astra gescheitert ist. Ich kann nur sagen, für uns ist es an Astra gescheitert. Wir wären zur Not auch alleine auf Astra gegangen. Was wäre für Sie langfristig der worst case, der realistischerweise zu befürchten wäre? Der worst case ist, daß es im Jahre 2001 keine Gebührenerhöhung gibt. Wenn es dazu käme, dann müßten wir -- ich rede nur für den ORB -- mit Sicherheit Programm reduzieren, müßten viel weitergehende Kooperationen suchen. Wir müßten nicht schließen, um es deutlich zu sagen, aber unser jetziges Angebot wäre gefährdet, auf das meiner Meinung nach die Menschen einen Anspruch haben, nicht nur als Korrektiv zu den Kommerziellen, sondern einfach als ein Stück Kultur. Ich glaube nicht, daß es dazu kommt, aber es wird sicher nicht einfacher werden, wenn ich die Signale ernstnehme, die ich in den letzten Tagen gerade aus CDU/CSU/FDP empfangen habe. -------------------- Schritt für Schritt -- Interview mit SFB-Intendant Günther von Lojewski Mit dem Papier der beiden Intendanten im Südwesten ist ja die Debatte über die Neuordnung wieder in Gang gekommen. Kann der Nordosten aus dem Südwest-Papier etwas lernen? Natürlich können wir was lernen. Das erste ist, daß wir lernen können, die Intendanten sind in der Lage, einen Auftrag auszuführen, wenn sie ihn bekommen. Im deutschen Südwesten haben viele Ministerpräsidenten sich zur Neuordnung des Rundfunks geäußert, und zum Schluß haben dann Herr Beck und Herr Teufel ziemlich ernst gemacht und haben einen Auftrag an die Intendanten erteilt, wie man sich das vorstellen könnte. Und die haben ihre Vorstellung vorgelegt, und die ist offenbar so gut vorbereitet, daß sie auch in der Politik wiederum Zustimmung findet. Die Politik muß sozusagen die Entscheidung treffen oder den Auftrag geben. Das ist hier nicht der Fall, bei uns im Nordosten. Wann bekommen wir ein Papier von Ihnen und Herrn Rosenbauer zu lesen, das mit dem Papier der beiden Südwest-Intendanten vergleichbar wäre? Sie werden von mir ein vergleichbares Papier nicht zu lesen bekommen, weil der Auftrag der Politik nicht vorliegt. Oder andersherum: Sie können von mir solche Papiere schon nachlesen, aber die Politik hat sie entweder verworfen, oder sie hat sie nicht realisiert. Das erste Papier haben wir unter maßgeblicher Beteiligung des Senders Freies Berlin mit vielen, vielen Leuten schon in der Zeit vor der deutschen Wiedervereinigung mit Blick auf die Vereinigung vorgelegt. Das war im Regionalausschuß, damals vom Regierenden Bürgermeister eingesetzt, vom Oberbürgermeister in Ostberlin und vom Regierungsbeauftragten für Brandenburg. Dort haben wir mindestens eine Dreiländeranstalt mit Anhalt oder Vorpommern und Berlin und Brandenburg vorgeschlagen. Das hat die Politik nicht zustande gebracht. Dann gab es nach der Wiedervereinigung einen neuen Ansatz, und da hat der SFB dem Regierenden Bürgermeister und dann auch den benachbarten Regierungschefs zwei Vorschläge gemacht. Der erste hieß "Drei plus Eins", ein qualifiziertes Modell, das die Vorschläge des Regionalausschusses aufgenommen hat. Und danach, als sich relativ rasch Sachsen-Anhalt zugunsten der mitteldeutschen Lösung gebunden hatte, ein Modell, das hieß NORA: Für den deutschen Nordosten, parallel zum Südwesten, eine Dreiländeranstalt für Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg. Das hat die Politik wieder nicht zustande gebracht. Und was soll ich nun noch vorschlagen? Die Politik hat damals gesagt, man solle die Politik doch diejenigen machen lassen, die davon etwas verstehen. Na, dann sollen sie es jetzt bitte besser machen, und dann werden Herr Rosenbauer und ich sehr schnell -- viel, viel schneller, als die Kollegen im Südwestfunk und Süddeutschen Rundfunk das konnten -- ihnen vorschlagen, wie das zu realisieren ist. Ich sage deswegen "viel schneller", weil wir ja mittlerweile schon viel, viel mehr an Vorleistungen gebracht haben. Aber, noch einmal, die Modelle, die vom SFB-Intendanten erwartet werden konnten, liegen der Politik vor. Nur in Berlin und Brandenburg und den benachbarten Ländern hat die Politik diese sinnvollen Modelle bisher nicht aufgegriffen. Nun muß sie sagen, was sie will. Schauen wir uns mal die Parteienlandschaft an. Die Berliner SPD hat sich ja nun inzwischen relativ klar zur Fusion von SFB und ORB bekannt, die Brandenburger SPD ist da etwas zögerlicher und sagt, sie findet den Kooperationsweg gut, möchte da erstmal weiterfahren, und Fusion ist für sie eher etwas langfristiges. Immerhin ist das eine Partei, die in beiden Ländern an der Regierung beteiligt ist. Ist diese Aussage etwas, worauf die beiden Intendanten bauen können? In beiden Ländern gibt es auch noch eine CDU. Und auch in der CDU sind die Meinungen geteilt. Soll ich auf die brandenburgische SPD bauen oder auf die CDU in Berlin? Auf die Parteien kann man nicht bauen. Hier muß man auf das bauen, was die Regierungschefs sagen. Die Regierungschefs haben sich zu diesem Thema bisher nicht geäußert; die Regierungschefs werden sich nach meiner Einschätzung zu diesem Thema im Augenblick auch nicht äußern. Sie können doch nicht erwarten, daß Herr Stolpe am 5. Mai sich von seinen Bürgern einen Bescheid abholt, "wir wollen mit Berlin nicht gemeinsam", und dann sagt, da wollen wir mal mit Berlin gemeinsam nicht anfangen, indem wir eine gemeinsame Landesrundfunkanstalt gründen. Das wird Herr Stolpe doch nicht tun. Und deshalb ist alles, was Herr Rosenbauer oder ich jetzt vorlegen würden, politisch völlig irrelevant. Diepgens Formel lautet ja "starker Hauptstadtsender". Das wiederholt er ja bei jeder Gelegenheit. Und Klaus Landowsky spricht sich auch bei jeder passenden wie unpassenden Gelegenheit dagegen aus, mit dem ORB zusammenzuarbeiten und erst recht mit ihm zu fusionieren. Wie beurteilen Sie diese CDU-Positionen? Ich glaube nicht, daß der Gegensatz, den Sie zwischen Landowsky und Diepgen da konstruieren, tatsächlich besteht. Denn Landowsky sagt nur, er sehe nicht, daß eine Fusion von ORB und SFB eine Zukunftslösung sei. Er denkt in einer größeren Ordnung, also drei, vier oder was-weiß-ich-wie-viele Länder. Und das ist ja auch das, was Diepgen als "starken Hauptstadtsender" sich vorstellt. Wie dies zu realisieren ist, das ist dann die Sache von Herrn Diepgen und Herrn Landowsky oder Herrn Stolpe und Herrn Birthler. Der Regierungschef von Berlin und der Regierungschef von Brandenburg haben sich immerhin mit ihrer Unterschrift festgelegt, jetzt anläßlich der Gebührenerhöhung für den Staatsvertragsentwurf, daß es im Jahr 2001 keinen Finanzausgleich mehr geben soll und deswegen bis dahin für die ARD neue Strukturen gefunden sein sollen. Das heißt, die Ministerpräsidenten haben sich selbst einen Termin gesetzt. Schauen Sie nun nach Baden-Württemberg in den Landtag, schauen Sie zur Rede des bayerischen Ministerpräsidenten auf den Münchner Medientagen: Wenn es in der Tat ab dem 1.1.2001 in der ARD einen Finanzausgleich nicht mehr gibt und damit auch das föderale Prinzip für den Rundfunk in Frage gestellt wird (für die Bundesländer tut man das ja bemerkenswerterweise nicht), wenn dieses also gilt, mit den Unterschriften von Diepgen und Stolpe, mit einem Protokollvorbehalt der Regierungschefs von Bremen und Saarland, dann muß bis zu diesem Termin eine neue Struktur für die ARD auch im deutschen Nordosten gefunden sein. Und dann wird Herr Diepgen mit Herrn Stolpe die Antwort zu geben haben: Heißt das, wir kriegen eine große Lösung hin, eine Mehrländerlösung, die einen "starken Hauptstadtsender" ermöglicht? Oder kriegen wir "nur" eine Lösung hin, die Berlin und Brandenburg zusammenfaßt? Oder kriegen wir nichts von alldem hin? Wir hat bislang noch niemand erklären können, wie jetzt in dieser Situation -- die Vorschläge von 1990/91 sind ja alle gescheitert -- die große Lösung noch möglich sein soll. Es scheint mir wenig realistisch, daß eines der Ostländer eine der vorhandenen Mehrländeranstalten verläßt oder daß SFB und ORB sich einer der angrenzenden Mehrländeranstalten anschließen. Ich habe dieses Spekulieren allmählich aufgegeben, zumal über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren hinweg. Da kann sich relativ viel ändern. Wenn ich mir vorstelle, daß möglicherweise die Mehrheiten in den Landtagen heute andere wären oder andere gewesen wären, dann hätten wir vielleicht heute auch andere Modelle auf dem Tisch. Aber die Frage brauchen sie doch gar nicht zwingend von Berlin und Brandenburg her zu beantworten. Sie müssen auch beantworten, was mit dem Saarländischen Rundfunk und Radio Bremen passiert. Deren Probleme sind jedenfalls, wie wir auch in der öffentlichen Debatte lernen, vordringlicher. Es stellt sich auch die Frage, was in Hessen passiert. Denn der Hessische Rundfunk wird allein auch nicht größer oder nicht kleiner sein als ein Sender Berlin-Brandenburg. Kriegen die Ministerpräsidenten alle miteinander und möglicherweise sogar parteiübergreifend eine sinnvolle Regelung der ARD hin -- Modelle hat die ARD ja auch schon einmal vorgelegt, zu Zeiten von Herrn Professor Kelm --, oder kriegen die Ministerpräsidenten es nicht hin? Und wenn die Ministerpräsidenten es nicht hinkriegen, dann wird sich mit Sicherheit für diese Region die Frage stellen: Versuchen wir es mit dieser Zwei-Länder-Lösung Berlin-Brandenburg? Stichwort Finanzausgleich: Reicht die kleine Lösung aus SFB und ORB aus, den SFB vom Finanzausgleich unabhängig zu machen, oder braucht der SFB eine größere Lösung? Brauchen SFB und ORB eine größere Lösung? Tatsache ist, der Regionalausschuß, in dem auch Wirtschaftsexperten gesessen haben, war der Ansicht, eine Drei-Länder-Anstalt ist wirtschaftlich die bessere. Ich denke, das Programmangebot, das wir im Augenblick machen (unter anderem auch mit einem Rest von Finanzausgleich), werden wir mit einer kleinen Lösung allein nicht aufrechterhalten können. Kommt aber selbst die kleine Lösung nicht zustande, dann wird sich die Frage nach einem Finanzausgleich nicht nur für den SFB, sondern wohl auch für den ORB stellen. Wo müßten Sie also konkret Abstriche machen und in welchen Größenordnungen? Dazu will ich mich im Augenblick nicht äußern. Der Unterschied zu Hessen ist natürlich, daß Hessen zur Zeit Geber im Finanzausgleich ist und kein Nehmer, insofern ist da kein Problem. Aber Hessen hat, wie Sie wissen, in dramatischer Weise seine Zulieferungen zum Finanzausgleich reduziert, und zwar aufgrund größerer Probleme im Betriebshaushalt, die der Kollege Berg ja auch immer deutlich gemacht hat und die ja dem Kollegen Kelm schon zum Verhängnis geworden sind. Das Entscheidende ist ja nicht -- das sage ich jetzt auch im Blick auf die sogenannte Konsolidierung des Haushaltes des Landes Berlin, daß sie noch einmmal ein Jahr überwintern mit dem Verkauf von Tafelsilber, sondern das Entscheidende ist, daß sie Maßnahmen einleiten, die so in die Zukunft wirken, daß sie eben den laufenden Betriebshaushalt auch auf eine lange Periode ausgeglichen halten. Das ist das Problem, mit dem der SFB seit langem konfrontiert ist. Bevor wir das Finanzthema abschließen: Der SFB-Jahreshaushalt 1995 hatte ja im Betriebshaushalt neun Millionen Mark Defizit, mehr als ursprünglich geplant. Nur durch außerordentliche Erträge war es möglich, das Jahr positiv abzuschließen. Wir hatten ja in den vergangenen Jahren immer irgendwo außerordentliche Erträge und außerordentliche Aufwendungen. Wir haben beispielsweise auch diese verhängnisvolle, aber nicht abwendbare Aufwendung der Sanierung eines asbestverseuchten Gebäudes. Das hat uns sechzig Millionen Mark Liquidität gekostet. Wenn ich sehe, daß die Absestsanierung der Deutschen Welle über 300 Millionen Mark kosten soll und daß dabei nicht -- wie bei uns -- der Betrieb weiterlaufen soll, dann können Sie sehen, daß wir sogar kostenbewußt gearbeitet haben. Sechzig Millionen Mark in drei Jahren sind für den SFB aber zugleich ungefähr fünf Prozent seines laufenden Haushalts. Es gibt ja eine Einigung mit dem ORB aus dem späten Sommer, im Radiobereich sehr viel stärker zu kooperieren und eine ganze Reihe von Programmen auf eine gemeinsame Basis zu stellen. Die Einigung schien schon unmittelbar bevorzustehen und jetzt gibt es doch noch mal eine Verzögerung. Woran hängt es im Augenblick? Es liegt ganz sicherlich nicht am SFB. Wo sind die Probleme? Probleme stecken immer in den Details. Ich weiß zwar nicht, warum wir die Details als Probleme erst so spät entdeckt haben. Mir wäre es lieber gewesen, daß man sagt, wir wollen es vom Prinzip her, also müssen Wege gefunden werden, das zu realisieren. Soweit waren wir. Und jetzt sind wir auf dem Wege, daß gesagt wird, es müssen wohl doch erst die Details geklärt werden, bevor man sieht, ob es sinnvoll ist. Um welche Programme geht es denn jetzt konkret, um welche neuen Programmprojekte? Ich habe vor einem halben Jahr sehr konkret gesagt, wir müssen im SFB über unser SFB-3-Programm nachdenken. Das ist das Kulturprogramm, das, bezogen auf das Zielpublikum, eine sehr ordentliche Akzeptanz hat, aber bezogen auf die gesamte Gebührenzahlerschaft zu teuer ist. Und in dem Zusammenhang haben wir mit dem ORB darüber zu sprechen begonnen, ob wir nicht eine gemeinsame Kulturwelle für Berlin und Brandenburg machen. Ich denke, das ist und bleibt auch sinnvoll. Nur: Wenn man ein Programm wieder gemeinsam macht, strahlt das ja auf andere Programme ab. Man kann nicht einfach sagen, man fusioniert SFB 3 beispielsweise mit Radio Brandenburg, denn Radio Brandenburg ist eben doch ein anders konzipiertes Programm. Also muß man die Zuhörerschaft, die Radio Brandenburg heute hat, in irgendeiner anderen Weise wieder einbinden. Es gibt immer Ausstrahlungen. Wir müssen vielleicht B Zwei, mit dem wir leider in den letzten Jahren nicht reüssiert haben, in diesem Zusammenhang einbinden. B Zwei muß eine neue, mehrheitsfähige Welle werden. Wir stellen uns vor, daß sie das Zielpublikum in Berlin und Brandenburg sucht in der Altersgruppe zwischen 25 und 45 Jahren, so daß sie nach oben im Alter in Berlin an 88 8 anschließt und in Brandenburg an Antenne Brandenburg. Dieses heißt aber wiederum, daß sie nach unten im Alter das Profil von Fritz etwas justieren müssen, also Verjüngung. Damit haben sie bereits drei Programme, auf die es Auswirkungen hat. Dann könnten wir uns vorstellen, daß eine gemeinsame Kulturwelle sehr stark wortgeprägt sein soll. Da folgt wiederum die Frage, was passiert mit der gerade in Berlin sehr wichtigen E-Musik, inklusive der Musik der Gegenwart. Und da muß nun gesehen und gerechnet werden, ob das Geld reicht, neben einer wortbetonten Kulturwelle eine "Klassik-plus"-Welle zu machen. Reicht dieses Geld nicht, wird die Frage zu stellen sein: Welche Musik macht man auf der Kulturwelle? Und da reicht das Spektrum wieder von einem klassischen Jazz bis hin zur Musik der Gegenwart. Das ist aber ein sehr gefährliches, weil sehr, sehr breites Angebot. Auch dieses muß von den Programmachern, die davon viel mehr verstehen als ich, abgetastet werden. Wir haben schließlich ein wirklich hervorragendes, erfolgreiches Informationsprogramm "Inforadio" gemeinsam von SFB und ORB. Dieses Programm muß nach meiner Vorstellung, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk wirklich alle Synergien ausnutzen will, die er hat, zu einer Art Newsdesk werden für alle anderen Programme. Es macht keinen Sinn, daß wir für viele Programme -- das gilt für den ORB wie für uns -- eine eigene Nachrichtenredaktion unterhalten, die im Grunde dieselben Nachrichten verarbeitet wie Inforadio. Es macht auch keinen Sinn, daß wir zu ein und derselben Veranstaltung von jedem Sender einen Reporter mit einem Mikrofon entsenden. Konsequenz: Man muß darüber nachdenken, ob Inforadio nicht sozusagen alle Wellen mit Nachrichten bedient und ob wir nicht -- und das ist technisch bald möglich -- in einen Nachrichtenspeicher alle Korrespondentenberichte eingeben, so daß jede Redaktion sich einen Beitrag herauszieht und ihn konfektioniert auf ihre eigene Farbe hin. Das sind zweifelsohne ehrgeizige Pläne. Gibt es dafür jetzt eine Zeitperspektive? Mir wäre es lieb gewesen, wir hätten es bei dem Grundsatzbeschluß vom August belassen können und dann in Einzelaufträgen gesagt, nun sollen uns die Kollegen sagen, jetzt passen wir das so und so an. Da haben wir nun Zeit verloren, was auch schade ist für die Wirtschaftsplanberatungen. Nachdem wir aber den Zeitpunkt der Vorlage des Wirtschaftsplans nicht haben einhalten können, gibt es jetzt einen Zeitdruck nicht mehr. Das ist auch gut so. Ich denke, daß eine solche Reform, wenn sie denn kommt, ohnehin erst im nächsten Frühsommer, Sommer realisiert werden kann und soll. Dann alles auf einen Schlag oder in Etappen? Ob man alles am selben Tag macht, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß wir jedenfalls bei B Zwei schon jetzt etwas tun müssen. B Zwei hat sein Publikum nicht gefunden, und da können wir nun nicht warten, bis eine große Lösung erreicht ist. Da muß nun relativ rasch etwas passieren. Wenn diese Pläne so Realität werden sollten, dann ist im Radiobereich eigentlich nicht mehr sehr Reformspielraum drin, wenn man nicht anfangen will, Programm zu streichen. Nehmen wir an, SFB und ORB würden fusionieren, dann ist in dem Bereich wahrscheinlich alles schon getan, was getan werden könnte. Unser Weg, pragmatisch Schritt für Schritt voranzugehen, war immer und ist auch heute der richtige. Im Hörfunk sind wir eigentlich schon fast am Ziel angekommen. Ich behaupte sogar, daß wir auch im Fernsehen im wesentlichen bei einer Lösung sind, die dem Zustand auch des Jahres 2001 entsprechen kann. Wenn andere große ARD-Anstalten heute zu subregionalisieren beginnen, so haben wir die Subregionalisierung insoweit vorweggenommen, als wir einmal die Metropole bedienen mit einem Dritten Programm und einmal das Land Brandenburg. Ich glaube, dabei muß es im Prinzip auch bleiben. Bleiben die Servicebereiche (Technik und Verwaltung). Da gibt es in der Tat Unterschiede, denen man Rechnung tragen muß, von denen ich aber auch sage, sie werden hier nie mehr so groß sein wie sie jetzt beispielsweise noch zwischen Stuttgart und Baden-Baden sind. Insoweit haben Herr Rosenbauer und ich -- ohne großes Ballyhoo -- hier schon ein Modell geschaffen. Nehmen wir jetzt die Alternative, die Bildung einer größeren Einheit, was wäre denn da zu befürchten? Sie kennen das Papier des NDR aus dem letzten Jahr, der vorschlug, große Teile des Radios einzudampfen zugunsten von Spareffekten. Sind solche Einsparungen nicht dann zu befürchten, wenn man eine größere Einheit bildet? Nein. Sowohl mit den Modellen, die damals der Regionalausschuß gemacht hat (da waren ja Medienökonomen drin wie Axel Zerdick), wie auch mit unseren Überlegungen damals in dem Staatsvertragsentwurf, der ja schon von zwei Ministerpräsidenten paraphiert war, liegen qualifizierte Rechenmodelle vor. Was wäre denn das positive programmliche Modell, was wäre möglich durch die Bildung einer größeren Einheit? Im Programmbereich ließen sich die Synergieeffekte schlichtweg fortsetzen. Sie könnten zum Beispiel den Aktualitätenspeicher auf ein weiteres Programm übertragen, beispielsweise für ein drittes Landesprogramm, das dann nur noch zu ergänzen wäre. Steht denn ein Modell mit Landesfunkhäusern, wie es jetzt auch im Südwesten diskutiert wird, auch hier zur Debatte, also mit starken, autonomen Einheiten, die ein gemeinsames Dach bekommen? Das halte ich für richtig. Wobei man sehen muß, daß sich dann -- ähnlich wie im Südwesten -- die Frage des juristischen Sitzes noch stellen wird. Bei NORA war ja vorgesehen, den Sitz der Anstalt nach Potsdam zu legen. Eine solche Entscheidung muß politisch getroffen werden. In jedem Falle, weil die Bundeshauptstadt nun einmal Berlin heißt, wird Berlin insbesondere im Feld der Information und der Kultur in jeder Anstalt eine etwas herausgehobene Stellung haben müssen. (Weswegen wir ja in Berlin demnächst den Grundstein legen für ein Hauptstadtstudio.) Es gehört zu meinem Modell aber auch dazu seit jeher zu sagen: Weil das in Berlin so wird, deshalb muß beispielsweise die gesamte große Produktion im Bereich Fernsehen -- Fernsehspiele, Unterhaltungsshows, Krimis und ähnliches -- natürlich nicht in Berlin sein. Die muß nach Babelsberg. Bevor über die Struktur neu entschieden wird, ist ja der Regierungsumzug mit Glück über die Bühne und Berlin als Regierungssitz in Funktion gesetzt. Können sich die Hauptstädter dann nicht ein viel größeres Selbstbewußtsein leisten, sind sie dann nicht auch mit einer Anstalt, die sieben bis acht Prozent ARD-Anteil auf die Beine bekommen würde, in der Lage, ein gewisses Gewicht innerhalb der ARD aufzubringen? An Selbstbewußtsein mangelt es mir nicht. Wenn das Selbstbewußtsein einer Landesrundfunkanstalt Berlin-Brandenburg zum Beispiel ausreichen würde zu sagen, wir sind so selbstbewußt, daß wir sogar auf Gehalt verzichten würden, dann wird sich das Ganze auch rechnen. Wenn wir allerdings meinen, es müssen alle Besitzstände fortgeschrieben werden, wird sich eine Zweiländeranstalt immer an der Grenze des finanziell Machbaren bewegen. Das ist vielleicht nicht die beste Ausgangsposition. Und deshalb habe ich eben eine andere Meinung als Herr Rosenbauer, vielleicht auch eine leidvollere Erfahrung als Herr Rosenbauer: Wer sieben Jahre lang in einem Sender zu arbeiten hat, der permanent mit seinen Finanzen beschäftigt ist und insoweit an die Gestaltung von Programmen nur sehr beschränkt denken kann, der sagt sich halt: Es ist wohl sinnvoller, einmal in einer anderen Größenordnung zu denken. Dabei haben wir ja nichtsdestotrotz erhebliche Innovationen auf den Weg gebracht. Wo finden Sie ein solch spannendes Programm wie SFB 4 Multikulti? Und B 1 als Fernsehprogramm ist auch recht erfolgreich, weil wir sehr frühzeitig darauf abgestellt haben, es zu einer Fernseh-Tageszeitung aus dieser und für diese Hauptstadt zu machen. Wenn Sie jetzt mittelfristig in die Zukunft schauen, was wäre der realistisch anzunehmende schlimmste aller Fälle? Das ist die Sorge, die berechtigterweise auch unseren Rundfunkrat beschäftigt: Was passiert mit dem SFB, wenn politisch bis zum Jahr 2001 nichts passiert? Wir müssen uns aber in den nächsten Jahren auch für den Fall vorbereiten, daß eine größere Lösung nicht zustandegebracht wird. Denn auch dann wird der Sender Freies Berlin am 1.1.2001 überleben müssen und Programm machen müssen. Und deshalb ist eben hier in Berlin manches auch den Mitarbeitern zuzumuten, was sonst nirgendwo ein Intendant seinen Mitarbeitern bisher zugemutet hat. An was denken Sie da konkret? Wer hat bisher schon zwanzig Prozent des Personals abgebaut? Und dieses in einer Zeit, wo der Programmauftrag für Berlin ja größer geworden ist. Das ist etwas, was eigentlich beispielhaft wäre. Nach den bisher üblichen Methoden der Gebührenberechnung allerdings wird das nicht anstaltsindividuell dem SFB zugute kommen, sondern es kommt der gesamten ARD zugute. Weshalb man mit Recht die Frage stellen darf, ob jemand, der spart, gut beraten ist. Dennoch dürfen wir in unseren Sparbemühungen nicht nachlassen. ------------------ ORB/SFB-Intendanten: Fusion wird erst zur übernächsten Gebührenperiode Thema -- Lojewski: Kooperation der beiden Sender ist ein Modell -- Rosenbauer sieht Parallelen zur Südwest-Reform im Nordosten Die Intendanten von SFB und ORB erwarten, daß die Fusion der beiden ARD-Anstalten in Berlin und Brandenburg erst wieder zum Ende der nächsten Gebührenperiode thematisiert werden wird. Bis dahin wollen sie die Kooperation der Sender weiter ausbauen, erklärten Hansjürgen Rosenbauer (ORB) und Günther von Lojewski in zwei epd-Interviews. Lojewski bezeichnete die Zusammenarbeit als ein "Modell". Mit der geplanten weitreichenden Zusammenarbeit im Hörfunk seien SFB und ORB "schon fast am Ziel" möglicher Reformen. Rosenbauer forderte von den Landespolitikern in Berlin und Brandenburg ein Bekenntnis ihres Willens, über Reformpapiere der beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten zu diskutieren. Insbesondere die ablehnende Haltung der Berliner CDU-Landespolitiker Diepgen und Landowsky gegenüber einer Fusion des SFB mit dem ORB lasse seine Motivation zu neuen Vorschlägen sinken. Der ORB könne "auch in zehn Jahren" noch selbständig sein, betonte Rosenbauer, wenn er bei seinem jetzigen Kurs bleibe. Lojewski wies auf die Vorschläge hin, die er 1990/91 für die Neuordnung des Rundfunks im Nordosten gemacht hatte. Diese Modelle seien damals von der Politik verworfen worden. Daher sei die Politik am Zuge: "Nun muß sie sagen, was sie will." Er halte nach wie vor eine Dreiländeranstalt für die bessere Lösung. Das derzeitige Programmangebot von SFB und ORB sei andernfalls nicht aufrechtzuerhalten, wenn der ARD-Finanzausgleich zum Ende der kommenden Gebührenperiode wie geplant und erwartet auslaufe. Der SFB-Chef verwies darauf, daß auch die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg, Eberhard Diepgen (CDU) und Manfred Stolpe (SPD) die Festlegung der Ministerpräsidentenmehrheit im Protokoll der Rundfunkstaatsvertragsnovelle unterzeichnet hätten, den ARD-Staatsvertrag bis Mitte 1999 novellieren zu wollen. Wenn dies gelte, dann müsse bis zu diesem Termin auch eine neue Struktur für die ARD im Nordosten gefunden sein. Diepgen und Stolpe hätten dann die Antwort zu geben, ob eine "Mehrländerlösung" erreicht werden könne, die einen "starken Hauptstadtsender" ermögliche, oder ob es bei einer Lösung allein für die beiden Länder bleibe. Nach Ansicht von ORB-Intendant Rosenbauer gehen die zur Zeit im Südwesten diskutierten Pläne, zwei Landessender für jeweils Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu bilden, kaum über das hinaus, was SFB und ORB derzeit schon machten. Der einzige "gravierende" Unterschied sei, daß dort eine gemeinsame Senderspitze geschaffen werden solle. Rosenbauer schlug vor, daß die beiden Landesrundfunkanstalten künftig auch bei den Gemeinschaftsprogrammen (Erstes, Arte, 3sat) gemeinsam auftreten sollten. Der ORB-Chef warnte davor, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk "nur noch unter Gesichtspunkten des Sparens" zu betrachten. Auch mit einer Fusion von ORB und SFB sei nur dann Geld zu sparen, wenn weniger Programm gemacht würde. Mögliche Einsparungen auf der Verwaltungsebene seien schon weitgehend ausgeschöpft. Vieles, was am Ende eines Fusionsprozesses stehen könnte, sei hingegen jetzt schon möglich, so Rosenbauer. Die beiden Häuser planen derzeit weitgehende Kooperationen im Radiobereich. In dieser Woche soll eine Arbeitsgruppe über "Details" dieser Zusammenarbeit reden. Nach Angaben Rosenbauers sind Programmprofile, Standorte, Finanzierungs- und Frequenzfragen noch zu klären. Im Ergebnis sollen eine "wortorientierte Kulturwelle", ein "Trendradio" und ein "Klassik-Radio" aus dem derzeitigen SFB-Kulturprogramm SFB 3, der ORB-Kulturwelle Radio Brandenburg und dem vom SFB hergestellten Gemeinschaftsprogramm B Zwei hervorgehen. In Brandenburg benötigt der ORB dazu weitere Frequenzen. Die Arbeitsgruppe soll nach Angaben Rosenbauers prüfen, wie ein übermäßiger Anstieg der Ausstrahlungskosten verhindert werden kann. Die Gesamtkosten dürften nicht so steigen, daß "diese Kooperation nicht zu mehr Effizienz führt" und keine Mittel zur Stärkung des Programmprofils freiwürden. Mit der Realisierung dieser Pläne sähen sich beide Intendanten nahe am Ziel der Kooperation im Radiobereich. "Wenn wir diesen Schritt schaffen, können wir danach nur noch wenig machen", sagte Hansjürgen Rosenbauer im epd-Interview. Das sei ein gutes Zeichen. Sein SFB-Kollege sieht mit der Existenz zweier Dritter Programme im Fernsehen "im wesentlichen" den Zustand auch des Jahres 2001 erreicht. Die Subregionalisierung, die andere ARD-Anstalten derzeit begännen, hätten ORB und SFB mit den beiden Fernsehprogrammen für die Metropole Berlin und das Land Brandenburg vorweggenommen. (mr) -- The Medialist distributes various news about media topics. It's in German. Die Medienliste verbreitet diverse Medienmeldungen mit dem Schwerpunkt Berlin. Sie erscheint in den Newsgroups de.soc.medien, bln.medien und prenzlnet.medien sowie auf http://userpage.fu-berlin.de/~mr94/medialist/. Um die Medienliste per Mail zu beziehen, genuegt eine Mail an <medialist-request@prenzlnet.in-berlin.de> mit dem folgenden Text im Body: SUBSCRIBE medialist HELP im Body schickt einen Hilfstext. 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