Arbeitstitel: SFB-Intendant schlägt »Parlamentskanal« vor - Rundfunkrat mißbilligt »Moskito«-Ende - Debatte über Wahlwerbung im SFB vertagt


SFB-Intendant Günther von Lojewski hat einen öffentlich-rechtlichen »Parlamentskanal« aus Berlin vorgeschlagen, der aus dem Reichstag alle Debatten des Bundestages, »des Plenums wie der wichtigsten Ausschüsse«, in Hörfunk und Fernsehen übertragen soll. Auf der Münchner Sitzung der ARD- Intendanten in der vergangenen Woche (Kifu 37/95) habe er angeregt, diesen Vorschlag zu prüfen, erklärte Lojewski am 15. Mai vor dem SFB-Rundfunkrat. Für die Einführung von DAB im August und DVB Anfang kommenden Jahres habe der SFB seine »Ansprüche und Angebote« bei der Medienanstalt Berlin- Brandenburg (MABB) angemeldet, so Lojewski. Er warnte vor einer Entwicklung, in der die Neuerungen sich dynamisierten, »während wir uns auf die Formel ´das hat´s ja noch nie gegeben´ oder ´das war doch schon immer so´ zurückziehen.« Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe vor zehn Jahren das Aufkommen der kommerziellen Veranstalter völlig unterschätzt. Dies dürfe nicht wieder passieren. Lojewski sieht die Gefahr, daß der Gesetzgeber die öffentlich- rechtlichen Anstalten mit einer neuen Definition des Begriffes »Grundversorgung« von den neuen Technologien ausschließen könnte. Würden der ARD heute die Mittel dazu vorenthalten, dann wären ihre Programmangebote »morgen nicht konkurrenzfähig«, so der Intendant mit Blick auf den bei der KEF angemeldeten Gebührenmehrbedarf. Die Entwicklungsgarantie des Bundesverfassungsgerichts würde dadurch unterlaufen.

Den Beschluß der ARD, die unter anderem mit einem Grimme-Preis und einem »Prix Jeunesse« ausgezeichnete SFB-Jugendsendung »Moskito« aus dem Programm zu nehmen, kritisierte Lojewski. Sie habe beim Zielpublikum einen Marktanteil von rund 15 Prozent gehalten. Das Projekt eines ARD/ZDF- Kinderkanals würde unglaubwürdig, wenn gleichzeitig die letzte Jugendsendung aus dem Programm genommen werde. Der SFB kündigte einen Versuch an, für die ARD ein neues Jugendprogramm zu entwickeln. Der Rundfunkrat mißbilligte die Absetzung von »Moskito«. Fernsehdirektor Horst Schättle erläuterte auch nach mehrfachem Nachfragen nicht, auf wessen Initiative hin die Sendung abgesetzt worden war. Die Konferenz der Fernsehdirektoren habe mit neun zu zwei Stimmen die Absetzung beschlossen.

Der Rundfunkrat verständigte sich darauf, das vom ORB vorgeschlagene Gespräch der Gremien beider Häuser nach der Sommerpause abzuhalten. Zum Termin der Juni-Sitzung soll eine dreistündige Klausurtagung das Treffen vorbereiten. Der Rundfunkrat des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB) hatte am 28. März vorgeschlagen, unmittelbar nach der Parlamentsentscheidung über die Länderfusion im Juni zu einer gemeinsame Sitzung über Zukunftsfragen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Region zusammenzukommen (Kifu 25/95).

Die SFB-Rundfunkrätin Alice Ströver forderte die Geschäftsleitung auf, vor den Berliner Abgeordnetenhauswahlen im Oktober keine Sendezeit für die Wahlwerbung der Parteien zur Verfügung zu stellen. Intendant Lojewski nahm dazu keine Stellung. Eine Debatte wurde unter Hinweis auf Beschlußlage und Geschäftsordnung auf die nächste öffentliche Sitzung im August vertagt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rundfunkgesetzen enthält das SFB-Gesetz keine Verpflichtung zu kostenloser Wahlwerbung. Der Rundfunkrat hatte bereits in der Vergangenheit einen Verzicht auf die Ausstrahlung von Wahlwerbung beschlossen. Lojewski hatte vor der Bundestagswahl 1994 erklärt, er sehe sich dazu nicht in der Lage, weil das erste Programm auf einer gemeinsamen Frequenz mit dem ORB ausgestrahlt werde. Der ORB ist zur Ausstrahlung von Wahlwerbung verpflichtet. (mr)


Martin Recke <mr94@zedat.fu-berlin.de>