Arbeitstitel: MABB-Medienrat hält News-Talk-Radio für »grundsätzlich auswahlfähig« - Weitere Frist für Universitäts-Radio - Anhörung zur VOX- Frequenz


Der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) hält das Konzept des News-Talk-Radios für »grundsätzlich auswahlfähig«. Dies ist das Ergebnis einer Tagung, die am 28. Februar und 1. März stattfand. RTL Radio und I.S.T., die sich ursprünglich konkurrierend beworben hatten, legten dem Medienrat auf dessen Aufforderung hin (Kifu 72/94) ein gemeinsames Konzept vor. RTL Radio Deutschland hält dabei 40 Prozent, der Verlag Norman Rentrop ist mit 30 Pro zent beteiligt, jeweils 10 Prozent liegen bei Frank Otto (Viva) und Verleger Paul Dierichs (Hessisch-Niedersächsische Allgemeine/Kassel). Nach dem Ausstieg der Ufa (Kifu 15/95) ist der für sie vorgesehene Anteil von 10 Prozent noch frei.

Vor der für den 7./8. April vorgesehenen abschließenden Beratung will der Medienrat noch drei Fragen klären: So seien die »angekündigten publizistischen Grundsätze« speziell für das »News and Talk«-Format vorzulegen, um sie zur »Grundlage der Sendeerlaubnis« zu machen. Offen sei auch, welche Frequenz dem Sender zugeteilt werden wird. Klassik-Radio und Radio France Inter nationale (RFI) nutzen ihre derzeitigen Frequenzen nur aufgrund vorläufiger Zuweisung, ein Betriebsversuch mit der neuen Frequenz 106,0 MHz sei noch auszuwerten. Erst danach kann entschieden werden, welches Programm auf welcher Frequenz senden wird.

Die Beteiligungsverhältnisse bei »News-Talk« müßten den Mehrfachbe teiligungsbestimmungen des Berlin-Brandenburger Medienstaatsvertrages ent sprechen. Da der Medienrat ein »News and Talk«-Programm als Sparten programm mit Schwerpunkt Information bewerte, darf daran niemand beteiligt sein, der mehr als 50 Prozent eines Vollprogramms halte. Frank Otto hält jedoch zur Zeit 50,2 Prozent an Kiss FM, das seit Beginn dieser Woche auch terrestrisch in Berlin zu hören ist.

Der Hamburger Medienunternehmer erklärte gegenüber epd, daß er weiterhin die Absicht habe, einen Teil seiner Kiss FM-Beteiligung an Europa Plus zu ver äußern. Weil die Phase, in der Kiss FM nur im Kabelnetz zu hören war, länger als erwartet gedauert habe, seien die Anlaufverluste höher als geplant gewesen. Deshalb sei die Veräußerung nun »nicht so nahtlos« möglich wie geplant. Der Medienrat habe offenbar »nicht begriffen, welchen wirtschaftlichen Schaden er Kiss FM zugefügt« habe. Otto äußerte die Erwartung, daß vorübergehend einer der »News-Talk«-Partner treuhänderisch einen Teil der Kiss FM-Anteile über nehmen würde, um den Sendestart zu ermöglichen. Im Gegensatz zu Kiss FM sieht der Medienrat das Programm 104.6 RTL nicht als Vollprogramm an, so daß die Beteiligung von RTL Radio Deutschland den Konzentrationsvorschriften nicht widerspricht.

Den am geplanten Universitätsradio beteiligten Hochschulen setzte der Medien rat erneut eine »letzte Frist« bis zum 31. Mai 1995, um ein verbindliches Konzept mit einer »Konkretisierung von Trägerschaft, Finanzierung und Programm« vor zulegen. Diesem Sendeprojekt soll täglich eine Sendestunde auf der bereits an »Radio Charlie« vergebenen Frequenz 87,9 MHz zur Verfügung stehen (Kifu 93/94). Die Interessen des »bis dann schon sendenden« Radio Charlie hätten durch die Verzögerung ein stärkeres Gewicht, beschlossen die Medienräte. Nach den Worten von Michaela Volkmann aus der Pressestelle der Freien Universität Berlin (FU) ist das inhaltliche Konzept für das Programm bisher am weitesten fortgeschritten. Zu klären sei noch, ob die Trägerschaft bei einer GmbH - so der FU-Vorschlag - oder einem Verein liegen solle. Dies müßten die Rechtsabteilungen der sieben beteiligten Partner klären. Dazu gehören neben den drei Berliner Universitäten die Hochschule der Künste, zwei Berliner Fach hochschulen und die Potsdamer Universität. Die FU sei bereit, 100 000 Mark zur technischen Erstausstattung beizutragen. Benötigt würde jedoch die drei- bis vierfache Summe. Ein Förderantrag beim Land Brandenburg sei noch nicht entschieden.

Der Medienrat hörte am 1. März die drei verbliebenen Bewerber um die aus geschriebene terrestrische Frequenz des Senders VOX an. Der bisherige Bewerber arte begründete seinen Verzicht gegenüber der MABB, so Sprecherin Susanne Grams, mit der inzwischen erreichten Verbreitung über Satelliten- Transponder. Neben VOX bewerben sich noch n-tv und Pro Sieben um den reichweitenstarken Kanal. Pro Sieben-Chef Kofler erschien zur Anhörung. Die MABB ist als eine von zehn Medienanstalten im Widerspruchsverfahren gegen die von der Kieler Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen (ULR) ausgestelle Unbedenklichkeitsbescheinigung vertreten. Die ULR hatte Pro Sieben konzentrationsrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigt, obwohl die Mehr heit der Landesmedienanstalten Zweifel an der Unabhängigkeit des Senders von Leo Kirch nicht ausgeräumt sah (Kifu 63/94). (mr)


Martin Recke <mr94@zedat.fu-berlin.de>