(epd) Der Medienrat der MABB hat erneut gefordert, beim in Berlin geplanten technischen DVB-Versuch verschiedene Schnittstellen zu erproben. Eine am 20. Juni verbreitete Zusammenfassung ("Offene Fragen bei der breiten Einführung von Digital Video Broadcasting") läßt eine Präferenz für das Simulcrypt-Verfahren erkennen. Dieses Verfahren schaffe die Möglichkeit, die Daten für mehrere Verfahren der Zugangskontrolle mit den Programmdaten kombiniert zu übertragen, heißt es in dem Text. Wenn Veranstalter und Distributeure einen entsprechenden Datenaustausch vereinbarten, sei so mit jeder Box das gesamte Angebot zu empfangen. An dieser Forderung hält der Medienrat in seinem jüngsten Papier fest. Wenn entsprechende Schnittstellen entwickelt würden, sei dies sowohl auf Basis der d-Box der Kirch-Gruppe als auch auf Basis der Mediabox der MMBG möglich.
Das jüngst in Brüssel (Kifu 45??/96) vereinbarte Common-Interface-Verfahren hat nach Einschätzung des Medienrates den Nachteil, daß ein täglicher Wechsel zwischen Programmen verschiedener Veranstalter erschwert würde, während es eine Möglichkeit biete, die Decoder von einem auf ein anderes System umzustellen. Gegen einen bundesweiten Einsatz des von der Telekom präferierten Transcontrol-Systems sprechen nach MABB-Angaben "wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkte". Die EU-Richtlinie zur Übertragung von Fernsehsignalen sieht Transcontrol für den Zweck vor, lokalen und regionalen Kabelnetzbetreibern ihre Kundenbeziehungen zu erhalten.
Für eine von der Telekom vorgesehene "transaktionsbezogene Abrechnung" kommen nach Ansicht der Medienräte auch andere Verfahren in Betracht. Transcontrol sei ein Verfahren, mit dem ein eigenes Zugangskontrollsystem für Kabelanlagen betrieben werden könne. Auf diese Weise könnten in einer Kabelanlage jeweils nur entsprechend ausgerüstete Decoderboxen verwendet werden. Die EU-Richtlinie zur Übertragung von Fernsehsignalen sieht Transcontrol für den Zweck vor, lokalen und regionalen Kabelnetzbetreibern ihre Kundenbeziehungen zu erhalten.
Der Medienrat kritisierte die Blockade des Berliner Versuchs durch die Telekom. Mit dem Pilotprojekt sollten die praktischen Voraussetzungen und Probleme der verschiedenen Schnittstellenverfahren in der Praxis überprüft werden. Die Medienanstalt hoffe, so der Beschluß, daß das von der Vebacom angestrengte kartellrechtliche Überprüfungsverfahren (Kifu 43/96) zu einer Änderung der Telekom-Haltung führe. Bis zur nächsten Medienrats-Sitzung Mitte Juli sollen die beteiligten Unternehmen "Lösungsvorschläge mit Zeitangaben" vorlegen.
Eine "geteilte Decoderwelt" behindere zwar nicht die Großunternehmen, die auf die Durchsetzung eines Standards hoffen können, hieß es in der MABB-Erklärung, wohl aber unabhängige und regionale Veranstalter, die sich keine "Doppelverbreitung" leisten könnten: "Die Konzentration von Meinungsmacht würde gefördert. Der Verbraucher liefe die Gefahr von Fehlinvestitionen." Möglicherweise können nach dem Willen des Medienrates diejenigen Veranstalter bei Kanalengpässen Vorrang erhalten, die entsprechende Schnittstellenverfahren bereithalten, mit denen alle Haushalte unabhängig vom verwendete Decodertyp erreicht werden können.
Weder von Vebacom/Metro noch von der MMBG und der geplanten Vermarktungsgesellschaft von Bertelsmann, Debis und Telekom liegen der MABB bislang konkrete Angaben vor, die über den Vertrieb eigener Programme hinausgehen. Lediglich die Kirch-Gruppe hat bislang Angaben über ihre Pläne für technische Dienstleistungen und die Vermarktung anderer Veranstalter gemacht. Eine neutrale Plattform für die Vermarktung ist daher nach Ansicht der MABB "noch nicht gewährleistet". Bei Dienstleistungen, von denen der chancengleiche Zugang zum Rundfunk abhängen könne, erwartet der Medienrat transparente Bedingungen und "wirksame Verfahren" auch für den Konfliktfall. Bundesweite Lösungen werden angestrebt.
Bei allen Dienstleistungen jenseits des Netzbetriebs stehe die Telekom im Wettbewerb, so die Position der Medienanstalt im kartellrechtlichen Überprüfungsverfahren. Sie dürfe sich keine Vorteile durch eine Bündelung des Netzbetriebs mit anderen Dienstleistungen verschaffen. Die Telekom habe vom Medienrat die gleichen Chancen für zusätzliche Dienstleistungen bekommen wie die Vebacom, ohne daß die Telekom dies genutzt habe. Nach Angaben von Vebacom/EMG ist die Infrastruktur eines regionalen Sendezentrums inzwischen aufgebaut.
Nach dem Willen des Medienrates sollen auf digitalem Wege vorrangig die Programme verbreitet werden, die durch den analogen Engpaß derzeit keinen Platz im Berliner Kabelnetz haben. Gleiches gelte für den Zugang regionaler Veranstalter. Solange vorrangige Programme nicht verbreitet würden, so der Beschluß, seien die Voraussetzungen für die breite Einführung von DVB nicht gegeben. (mr)