Seitdem die Phänomene der Krise, in der sich
das globale Wirtschafts- und
Sozialsystem befindet, nicht mehr auf die Länder des Südens
beschränkt
bleiben, haben Konzepte von Selbsthilfe und Mischökonomie auch
in unseren
Breitengraden Konjunktur. Das "Gärtnern in der Stadt" ist ein
weltweit
bekanntes Begleitphänomen allgemeiner ökonomischer Unsicherheit,
Armut und
unzureichender Versorgung mit nahrhaften, gesunden Lebensmitteln.
Dabei vermischen sich in der aktuellen Diskussion
klassische Ansätze von
moralischer Ökonomie, die das Recht jedes einzelnen auf Selbstversorgung
als
Basis einer sozial- und umweltverträglichen Wirtschaftsweise fordern,
Wünsche nach wertvolleren Lebensmitteln als dem industriellen
"Einheitsbrei
sowie neuere Protestformen gegen die Machenschaften der Agro-Industrie,
wie
sie im Umfeld des Anti-WTO-Widerstands seit Seattle praktiziert werden.
Die Städte sollen - und können - nach diesen Theorien mit
den eigenen Händen
angeeignet ("with our own hands to use, not the hands of others to
command
"), als lebenswerte Umwelt erfahrbar und von den Menschen, die in ihnen
leben, in Besitz genommen werden.
Schon gibt es von anderer Seite Berechnungen, wonach
bei verstärktem Anbau
von Obst und Gemüse in den Metropolen die angespannte
Welternährungssitutation nicht unerheblich verbessert werden könnte.
Städtisches Gärtnern im Interessen-Gemenge neoliberaler
Umstrukturierungsprozesse?
Das Seminar möchte Hintergründe und gemeinsame
Anliegen von illegaler
Gemüsezucht auf New Yorker Brachen, wildem Reisanbau zwischen
Wolkenkratzern
in Tokio und organisierter Sprossenzucht auf den Dächern Londons
aufzeigen
und diesen faszinierenden Facetten produktiv und widerständig
gelebter
Prekarität auf den Grund gehen. Theoretisch wird hierbei Bezug
genommen auf
den ökofeministischen Ansatz der Bielefelder Subsistenztheoretikerinnen,
den New-Work-Ansatz Frithjof Bergmanns sowie das Konzept des "Guerilla
Gardening". Gleichzeitig werden jeweils mit diesen Ansätzen
verbundene
praktische Modellprojekte vorgestellt und analysiert.
Die Diskussion erfolgt vor dem Hintergrund aktueller Auseinandersetzungen
um
städtische Brachflächen in Berlin (insbesondere das RAW-Gelände
in
Berlin-Friedrichshain) und verfolgt die Frage, in welcher Form Urban
Gardening vor Ort im Rahmen einer Aneignungsbewegung von unten entwickelt
werden kann.
Referentinnen: Dr. Christa Müller, Anstiftung
München e.V.
Irmi Hochrein, Janun e.V. Hannover
Veranstalter: Baobab Infoladen Eine Welt e.V.; Ideenaufruf im RAW-Tempel
e.V. Weitere Informationen und Anmeldung:
Baobab Infoladen Eine Welt e.V., Christburger Str. 38, 10405 Berlin,
Tel. (030) 4426174, info@baobab-infoladen.de
Kristina Bayer, Baobab e.V.