Aus Krankenversorgung und Forschung

Die Arbeitsgruppe Rheumatologie


Im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern war in Deutschland die Rheumatologie nach dem Krieg an den Universitäten so gut wie nicht vertreten. Es galt daher, diese Disziplin entsprechend ihrer Bedeutung für die Krankenversorgung und ihrer wissens chaftlichen Verknüpfung mit so wesentlichen Gebieten wie der Immunologie und der Molekularbiologie am Berliner Universitätsklinikum Benjamin Franklin zu etablieren.



Drei-Männer-Forschungsteam: Dr. Ulrich Eggens, Priv.-Doz.Dr. Joachim Sieper und Priv.-Doz.Dr. Jürgen Braun (von links nach rechts).

Die Arbeitsgruppe Rheumatologie der Medizinischen Klinik wurde in ihrer jetzigen Form seit Ende der 80er Jahre von Privatdozent Dr. Joachim Sieper unter wesentlicher Mitarbeit von Privatdozent Dr. Jürgen Braun und Dr. Ulrich Eggens in der Abteilung für Allgemeine Innere Meizin und Nephrologie (Leiter: Prof. Dr. A. Distler) aufgebaut.

Einen Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeiten der Rheumatologie bilden die sogenannten Spondylarthropathien. Zu ihren bekanntesten Krankheitsbildern gehören Morbus Bechterew und die reaktive Arthritis. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine Gelenkentzündung nach einer Infektion des Urogenitalsystems oder des Darms. Auslösende Ursache bei der reaktiven Arthritis sind Bakterien wie Chlamy-dien und Yersinien.

Beide Erkrankungen lassen wichtige Schlüsse auf die Entstehung und Chronifizierung nicht nur von entzündlich-rheumatischen Krankheiten, sondern auch von entzündlichen Erkrankungen im allgemeinen zu. Bei der Mehrzahl der Patienten liegt eine bestimmte g enetische Veranlagung vor. Mit moderen immunologischen, molekularbiologischen und radiologischen Methoden gelang es der Gruppe zum Teil erstmalig, diese Erkrankungen frühzeitig zu diagnostizieren, innovative Therapien einzuführen und in Studien zu testen . Dazu gehören die Antibiotika-Langzeittherapie bei reaktiver Arthritis und die CT-gesteuerte Cortisoninjektion in das Iliosakral(Kreuzbein)gelenk bei Morbus Bechterew.

Ein weiteres Forschungsgebiet der Arbeitsgruppe ist die chronische Polyarthritis (rheumatoide Arthritis), eine Entzündung der Gelenke, die Gelenkschmerzen, -steifigkeit und -schwellungen zur Folge hat. Sie ist eine der häufigsten Immunerkrankungen und geht auf eine Störung des Immunsystems zurück. Die genaue Ursache dafür ist unbekannt. Mit der Analyse von Zytokinmustern der Innenhaut der Gelenkkapseln wurde für die zukünftige Erforschung und Entwicklung neuer selektiver Immuntherapien Pionierarbeit ge leistet. Denn genau dort spielt sich der rheumatische Entzündungsprozeß ab.

Aufgrund eines Fehlalarms im Gelenk stürzen sich die Zellen der körpereigenen Immunabwehr auf die Innenhaut, und im Verlauf der Entzündung werden schließlich Knochen und Knorpel zerrieben. Bei der Zerstörung der Gelenkknorpel, aber auch bei der Störun g wie Aufrechterhaltung des Immungleichgewichts haben Zytokine, das sind lösliche Eiweißstoffe, eine wichtige Bedeutung. Sie wirken als Mittler zwischen den verschiedenen Immunzellen. Diese Zytokine lassen sich zum Beispiel durch Antikörper gezielt regu lieren, so daß die entzündliche Reaktion am Gelenk unterdrückt wird. Die Forschungen hierzu bilden die Grundlage für Zytokin-gerichtete Immuntherapien in der nahen Zukunft und bieten eventuell erfolgversprechende Ansätze für die Gentherapie in der Rheuma tologie.

Ein ähnlicher Therapieansatz bei der Behandlung der chronischen Polyarthritis setzt ebenfalls bei der Zykotinregulation an. Schon seit langem ist bekannt, daß das Immunsystem des Darms in der Lage ist, gegen Eiweiße in der Nahrung eineToleranz zu ent wickeln; das heißt es kommt zu keiner schädlichen allgemeinen Immunreaktion auf diese Eiweiße. Diese Toleranz machte sich das Forschungsteam zunutze und verabreichte Patienten als Medikament (Rinder-)Kollagen Typ II, das wichtigste Protein des Gelenkknor pels. Zellen des Immunsystems, die Lymphozyten, werden im Darm gegen das eingenommene Kollagen tolerant gemacht und wandern in das von der Polyarthritis geschädigte Gelenk. Durch die fortschreitende Gelenkzerstörung kommen die Lymphozyten leicht in Kontak t mit dem Kollagen des Gelenkknorpels. Da die Lymphozyten das Kollagen bereits 'kennen', werden sie im Gelenk aktiviert. So wird die schädliche Immunantwort auf den Fehlalarm im Gelenk und damit die Entzündung im Gelenk unterdrückt. Hier führte die Gruppe mit dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum (DRZF) und anderen Kliniken in Berlin eine große Studie zur Wirksamkeit durch, deren Ergebnisse die Effektivität bei einer Minderheit von Patienten zeigt.

Der Aufbau eines regionalen Rheumazentrums in Berlin mit einer Koordinationsstelle am Franklin-Klinikum - gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit - gehörte zu den weiteren Aufgaben der Arbeitsgruppe Rheumatologie in den vergangenen fünf Ja hren. Dieser Verbund erweitert die Möglichkeiten aller Berliner Rheumatologen für die gemeinsame Durchführung neuer Forschungsvorhaben. Bei der Untersuchung neuer Versorgungskonzepte konnte auch der Aufbau der ersten Tagesklinik für Rheumakranke in Berlin -Friedrichshain mit geplant werden.

Seit 1992 findet ein Dokumentationssystem mit rheumatologischen Behandlungsfällen Anwendung, das vom DRFZ entwickelt und inzwischen von 20 weiteren Rheumazentren übernommen wurde. So ließen sich 1993 die Daten von über 25.000 Patienten auswerten: Ausga ngspunkt für zuverlässigere Aussagen über entzündlich-rheumatische Erkrankungen im Rahmen multizentrischer Studien. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Arbeitsgruppe Rheumatologie erfolgreich versucht, Basisforschung mit klinischen Aspekten zu verbin den.

Joachim Sieper, Jürgen Braun, Ulrich Eggens


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