Thema Impfungen
Schluckimpfung ist süß,
Kinderlähmung ist grausam
Die sogenannte Durchimpfungsrate liegt in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen recht hoch, das heißt rund 80 % dieser Bevölkerungsgruppe verfügt über einen ausreichenden Impfschutz. Dennoch bleibt es erklärtes Ziel der Kinderärzte, alle Eltern von der Notwendigkeit des Impfens zu überzeugen, denn oft sinkt zum Beispiel mit steigender Kinderzahl die Bereitschaft, auch die jüngsten Sprößlinge impfen zu lassen.
Prof. Dr. Hans Versmold, Leiter der Kinderklinik im Universitätsklinikum Benjamin Franklin rät, frühzeitig mit Schutzimpfungen zu beginnen. "Das ist ab der 8. Lebenswoche und 1 Tag möglich", gibt der Kinderarzt die medizinische Faustregel wieder. Eine Ausnahme dieser Regel bildet die Hepatitis-B-Schutzimpfung, denn gerade für Neugeborene besteht die Gefahr einer chronischen Hepatitis-B. Verläuft der Screening-Test der Schwangeren in der 32. Schwangerschaftswoche positiv - werden also Hepatitis-B-Antikörper nachgewiesen, sollte das Kind bereits in den ersten 12 Stunden seines Lebens immunisiert werden.
Der Angst mancher Eltern vor möglichen Impfschäden stehen die drastischen Komplikationen der ausgebrochenen Kinderkrankheiten gegenüber. Während Impfschäden relativ selten auftreten - auch nach sorgfältiger Diagnostik kann die Impfung oftmals nicht als Ursache benannt werden-, verlaufen Kinderkrankheiten nicht selten dramatisch, zum Beispiel die spastische Kinderlähmung (Poliomyelitis).
Am Keuchhusten (Pertussis) sterben heute noch 5-10 von 100 000 erkrankten Kindern. Ohne Impfung werden die Kinder dem Risiko von Hirnblutungen und schweren Lungenentzündungen ausgesetzt. Der Impfstoff zur Bekämpfung des Keuchhustens war lange Zeit umstritten. Seit 1995 steht jedoch ein neuer Impfstoff zur Verfügung, durch den "die Nebenwirkungen deutlich reduziert worden sind", wie Dr. Cornelia Feiterna-Sperling, ebenfalls Ärztin an der FU-Kinderklinik, betont. Antigene als azellulärer Impfstoff ersetzen nun den Ganzkeimimpfstoff, der mitunter Fieberkrämpfe als Nebenwirkung auslöste.
Dringend empfohlen ist auch die Tuberkuloseimpfung: Gerade in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion treten vermehrt Tbc-Fälle in Erscheinung. Es bleibt deshalb besonders wichtig, daß vor allem die Kinder geimpft werden, deren Eltern sich in Risikoländern aufhalten oder bei denen Tbc-Verdacht besteht.
Ein besonderes Problem stellt nach Meinung Professor Versmolds die Verweigerung der Impfkombination gegen Masern, Mumps und Röteln dar. Er plädiert für eine allgemeine Durchimpfung bei Mädchen und Jungen, auch gegen Röteln. Bei Mädchen sollte eine Auffrischung noch vor der Geschlechtsreife erfolgen. Die Immunität deckt dann das gebärfähige Alter ab. Sind die Jungen ebenfalls geimpft, reduziert sich dadurch die Kontakthäufigkeit schwangerer Frauen mit dem Röteln-Virus.
Prof. Versmold und Dr. Feiterna-Sperling empfehlen bei Fragen zur Impfung grundsätzlich fachärztliche Betreuung. Denn hier erhalten die Eltern Informationen dazu, welche Impfungen möglich und nötig sind. Außerdem wird der Impfstatus älterer Kinder überprüft.
,Schutzimpfungen bleiben wichtig", resümieren die beiden FU- Kinderärzte und appellieren an die Eltern, frühzeitig die vielfältigen Informationsangebote zu nutzen. Schutzimpfungen für Säuglinge, Kinder und Jugendliche sollen sich dabei nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut in Berlin richten und im Impfbuch dokumentiert werden. Die Kosten für die Impfungen werden von den Krankenkassen getragen.
Carsten Frege