Patientengeschichte

Wenn einem das Hören vergeht


"Als ich an diesem Morgen aufstand, war mir schwindelig und schlecht, und ich hatte so ein taubes Gefühl am Ohr". Trotzdem machte sich Hannelore Berg*, die öfter unter Migräne leidet, auf den Weg zu ihrer Arbeit in einem Berliner Kaufhaus. Dort ging es ihr jedoch immer schlechter: "Mir wurde heiß, und ich konnte ganz plötzlich auf dem linken Ohr nichts mehr hören. Da war ein Geräusch wie Meeresrauschen, das alles andere überdeckte."

Bereits wenige Stunden nach dem Auftreten dieser Symptome wurde Hannelore Berg von ihrem Hausarzt mit der Diagnose akuter Hörsturz an das Klinikum Benjamin Franklin zur stationären Aufnahme und Behandlung überw iesen.
Was bei einem Hörsturz genau passiert, hat die Medizin bis heute noch nicht hundertprozentig herausbekommen. Man geht davon aus, daß es sich dabei um eine immer einseitige Durchblutungsstörung im Ohr handelt, das ja nur durch eine kleine Art erie versorgt wird. Eine Folge schlechterer Versorgung ist dann, daß die Patienten bestimmte Frequenzen auf diesem Ohr nicht mehr hören", erläutert Dr. Thomas Flöttmann, Assistenzarzt an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik unter Professor Dr. Hans Scher er. Er betreute Hannelore Berg während ihres Aufenthaltes im Klinikum.


Diagnose: Akuter Hörsturz

Eine Woche hing die Mutter zweier erwachsener Töchter, die vor Spritzen und Nadeln "panische Angst" hat, am Tropf und erhielt über Infusionen durchblutungsfördernde Medikamente. Diese Therapie hat bei ihr optimal angeschlagen. Schon nach drei Ta gen verschwand das Rauschgeräusch, und die Patientin konnte wieder normal hören.

Verschiedene Faktoren können für eine Durchblutungsstörung im Ohr verantwortlich sein. In vielen Fällen scheint seelischer und körperlicher Streß eine Rolle zu spielen. So hatte Hannelore Berg, als sie am 15. Februar ihren Hörsturz bekam, vierzehn Tage nervenaufreibenden Winterschlußverkauf hinter sich und sehnte sich "nur nach Ruhe". Aber auch andere Ursachen sind für den plötzlichen Hörverlust möglich. So wird routinemäßig bei allen Hörsturzpatienten die Halswi rbelsäule untersucht, denn Blockierungen in diesem Bereich können im Zusammenhang mit einem Hörverlust stehen.


"Ich hatte Angst, taub zu werden."

Das im Ohr gelegene Gleichgewichtsorgan wird ebenfalls ausgetestet. Dazu wurde Hannelore Berg 44l heißes Wasser in die Ohren gespült. Anhand der Augen, die sich immer schnell in Richtung des gespülten Ohres bewegen, kann auf diese Weise die Reaktionsfähig keit des Gleichgewichtssinns überprüft werden. Das war ziemlich unangenehm", erinnert sie sich, aber lacht schon wieder dabei. Damals war ihr allerdings weniger zum Lachen zumute: "Ich hatte große Angst davor, taub zu werden."

Diese Angst ist zum Glück unbegründet. "In den meisten Fällen schlägt die Therapie gut an, das heißt, daß die Hörfähigkeit wieder das alte Niveau erreicht. Nur bei ungefähr 15 Prozent aller Patienten bleibt auf Dauer ein Ohrgeräusch zurück," erklä rt Dr. Flöttmann. Er weist darauf hin, daß es für den Erfolg der Behandlung besonders wichtig ist, nach dem Auftreten eines Hörsturzes möglichst schnell mit den Infusionen zu beginnen.

Hannelore Berg jedenfalls hat das Gefühl, heute sogar besser zu hören als vorher. Ihr Lebensgefährte muß abends öfter den Fernseher leiser stellen als früher. Und sie mag keine laute Musik und liebt überhaupt die Ruhe. Zu ihrem ersten Konzert besuch im Schauspielhaus nach dem Hörsturz hatte sie sich vorsichtshalber noch Watte mit genommen, aber sie konnte das Konzert "ganz ungedämpft" genießen.

Betina Meißner

* Der Name wurde von der Redaktion geändert.


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