Informationsveranstaltung
"Wir sind das Haus!"
In der Berliner Inszenierung "Abbau der Krankenhauslandschaft" scheint für das Universitätsklinikum Benjamin Franklin immer mehr die Rolle eines Hauptdarstellers vorgesehen. Immer länger wird die Liste der Sparmaßnahme n, denn auch die Geldgeber Staat und Krankenkassen stecken in tiefen Krisen. Budgetkürzungen aufgrund der Gesundheitsstrukturreform, Bettenabbau und permanente Zuschußkürzungen des Senats verursachen große Finanzierungslücken. U nklar ist zudem, wie die Zahnklinik finanziert werden soll, denn sie konnte zwar erhalten bleiben, die Staatsfinanzierung in Höhe von 15,9 Mio. Mark wurde aber gestrichen.
Auf große Resonanz bei den Mitarbeitern stieß die Informationsveranstaltung, zu der der Klinikumsvorstand eingeladen hatte.Besonders betroffen ist das Klinikum darüber hinaus von der mangelnden Investitionsbereitschaft des Staates in seine marode Bausubstanz: 22 Mio. Mark wurden dem Haus jetzt bis zum Jahr 2000 für die Grundsanierung zugebilligt. Der Bedarf liegt aber - wie auch der Wissenschaftsrat bestätigte - bei mindestens 300 Mio. Mark. Für Verunsicherung sorgt schließlich die vom Senat geäußerte Idee, weitere 150 Betten im Steglitzer Universitätsklinikum abzubauen, um diesem dafür 115 Betten im 1914 erbauten Oskar-Helene-Heim (teilweise 5-Bett-Zimmer!) zur Verfügung zu stellen. Eine Lösung, die der Klinikumsvorstand vehement ablehnt, vor allem weil dem Klinikum dafür das "mühsam erkämpfte US -Hospitals" wieder entzogen werden soll. Bevor der Senat im April darüber und über weitere Einzelheiten des neuen Krankenhausplans entscheidet, lud der Klinikumsvorstand am 13. März alle Beschäftigten des Fachbereichs Humanmedizin in den Hörsaal West ein, um über die wirtschaftliche Situation der FU-Medizin in Forschung und Krankenversorgung zu informieren.
Zunächst beschrieb Verwaltungsdirektor Helmut Schüttig das Jahr 1996 als bislang "heftigstes Jahr" in der Wirtschaftsgeschichte des Klinikums. In diesem Jahr wurde die umfassende Integrationsphase abgeschlossen, die zum "wahrsc heinlich ausdifferenziertesten Medizinblock in ganz Deutschland" geführt hat. Vor dem Hintergrund dieser Integrations- und Anpassungsbewegungen galt es, auch noch eine Gesamtkürzung von 26,3 Mio. Mark zu verkraften. Das sind 10 Prozent des laufenden Staatszuschusses. Schüttig pointierte: "Mit diesen 26, 3 Mio. haben wir die höchste absolute Kürzung von allen Hochschuleinrichtungen Berlins hinnehmen müssen". Dabei werde die Jahresbilanz für 1996 "nur&q uot; einen Verlust von maximal 9,6 Mio. Mark ausweisen. Schüttig: "Das soll uns erst einmal jemand nachmachen."
Für 1997 prognostizierte der Finanzexperte den etwa 450 Zuhörern eine Unterdeckung von etwa 19,4 Mio. Mark, die sich durch die Fortschreibung des Verlustes von 1996 zusammen mit den Einbußen durch die Bettenreduzierung, die vom Klinikum zu tragende Steigerung der Sozialversicherungsbeiträge und Mehrfachkürzungen im konsumtiven Bereich ergäbe.
Schüttig erläuterte das Sparkonzept, das der Klinikumsvorstand der immer weiter auseinander klaffenden Finanzierungslücke entgegensetzen will. Es setzt an drei Stellen an: bei den zusätzlichen Erlösen (z.B. Erhöhung der Zu schläge für Ein- und Zweibettzimmer, Park- und Telefongebühren), bei Sachaufwandskürzungen (z.B. bei Instandsetzung und Reparaturen) und bei Personalkürzungen - im Klartext heißt das, daß "1997 noch 200 Vollkr&aum l;fte abgebaut werden müssen".
Aber auch dem Senat hat der Klinikumsvorstand eine klare Konzeption zur Fragestellung Oskar-Helene-Heim (OHH) und US-Hospital vorgelegt. Da im US-Hospital genügend Betten für UKBF und OHH vorhanden wären, könnten die 130 orthopä ;dischen Betten, auf die das OHH reduziert werden soll, ins US-Hospital umgesetzt werden. Das spart den geplanten teuren Neubau für das OHH. Schüttig erweiterte das Angebot noch. "Wir würden auch die Steuerung des Überhangs im Per sonalmanagement übernehmen. Da müssen die doch mitmachen", sagte er an die Adresse der Politiker.
Danach hatten Helmut Schiffer und Mechthild Siering von der Krankenpflegedirektion das Wort. Sie zeigten Gründe auf, die die Sicherstellung der Patientenversorgung erschwerten. Schiffer wies auf den Abbau von mittlerweile 19 Planstellen seit 1996 im Pflegebereich hin - das entspricht dem Personal von eineinhalb Stationen. Das führe teilweise dazu, daß eine Schicht zur Hälfte mit Aushilfen arbeiten müsse. Schiffer machte auch auf die wachsende Zahl von Überstunden im stati onären Bereich aufmerksam, die derzeit bei 7250 Stunden liegt. Er schilderte die wachsende Abwanderung von leitendem Pflegepersonal in die neue Marzahner Klinik und warnte davor, den circulus vitiosus zwischen der Hinnahme von Einsparungen und weiter er Leistungssteigerung ohne Konzept weiter zu betreiben. Dabei sicherte Schiffer dem Klinikumsvorstand zu, Arbeitsabläufe im Pflegebereich zu optimieren und kritisch auf die Fehlzeitenentwicklung zu sehen.
Als sich im Anschluß daran die Diskussion auf die Problematik Stellenabbau bei Leistungssteigerung verdichtete, wies die stellvertretende Krankenpflegedirektorin Marianne Bah darauf hin, daß der Klinikumsvorstand durchaus in seinen Zielvorg aben auch von einer klaren Leistungsminderung ausgehe. Personalrat Dietmar Polok unterstrich die allgemeine Verunsicherung, die unter den Beschäftigten herrsche, weil über den täglichen Balanceakt zwischen "powern, guten Ergebnissen un d menschlichen Anstrengungen" zu wenig konzeptionelle Anhaltspunkte vorhanden wären. Marianne Bah forderte unter dem Motto "Wir sind das Haus!", auch leitendes Personal, Pflegende und Mediziner der Stationen auf, an einer konstruktiven Auseinandersetzung mitzuarbeiten.
Da auch an eine Reduzierung der Ausbildungsplätze in der Krankenpflegeschule gedacht wird, appellierte Marianne Rabe als Leiterin der Einrichtung an die soziale Verantwortung des Klinikumsvorstands und forderte ihn auf, zum 1. Oktober wieder alle 25 Ausbildungsplätze der Schule freizugeben. Sie erhielt von Marianne Bah die Antwort, daß so viele Plätze wie möglich belegt werden sollten.
Verwaltungsdirektor Schüttig ergriff nochmals das Wort, um die seiner Meinung nach "weinerliche Diskussion" zu beenden. Auch er appellierte an die Bereitschaft der Mitarbeiter, den Umstrukturierungsprozeß offensiv mitzumachen, in d em "alle Abteilungen alles in Frage stellen" müßten. Denn, so resümierte er: "Wir müssen kleiner werden, wir müssen uns gesundschrumpfen."
"Ein Universitätsklinikum bleibt ein Universitätsklinikum in einer Konkurrenzsituation, wenn es besser ist als andere Universitätskliniken", mit dieser lapidaren Formel eröffnete Prof. Michael Fromm als Vorsitzender der Fo rschungskommission seine Rede. Er bezeichnete die Forschung als "empfindliches Pflänzchen", das lebensnotwendig für den Erhalt eines Universitätsklinikums sei und deshalb gute Pflege brauche. Für 1995 wies er nach, daß das Benjamin-Franklin-Klinikum in der Drittmittelbilanz im Vergleich zu den anderen Berliner Universitätskliniken am besten abschneide. Da das Universitätsklinikum Benjamin Franklin bis heute als führend in der Forschung gelten könne, forderte Fromm Presse und Politik auf, auf der Basis der realen Forschungsleistung zu argumentieren - zumal diese einen starken Vervielfältigungseffekt habe. Der Forschungserfolg sei nicht zuletzt auf die hohe Zahl von Drittmittelmitarbeitern zurückzuf&u uml;hren. Deshalb forderte Fromm, "die befristeten Wissenschaftlerstellen nicht auch noch überproportional abzubauen".
Auch wenn das Burning-out-Syndrom an vielen Stellen der Veranstaltung durchschimmerte: Das Universitätsklinikum Benjamin Franklin hat es offenbar nicht nötig, die ihm wieder einmal zugemutete Rolle des Opfers zu übernehmen. Was ihm im Sc hauspiel der Berliner Universitätsklinika und ihrer staatlichen Behandlung wohl besser ansteht, ist die Rolle eines selbstbewußten Juniorpartners, der in den Auseinandersetzungen der letzten Jahren Selbstbewußtsein und wachsende Leistungs fähigkeit gezeigt hat. Für diese Leistung, an der alle Mitarbeiter Anteil haben, hat sich das Haus die Anerkennung der Politik verdient.
Felicitas Wlodyga
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