Aus Forschung und Wissenschaft
Krebspreis an FU-Kliniker
Prof. Dr. Wolfgang Berdel, Oberarzt der Abteilung für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie am Universitätskrankenhaus Benjamin Franklin hat den Deutschen Kre
bspreis erhalten. Der Preis wurde anläßlich der Eröffnung des 22. Krebskongresses von der Deutschen Krebsgesellschaft am 20. Februar in Berlin verliehen. Der mit 30.000.- Mark dotierte Preis wird zu gleichen Teilen für hervorragende A
rbeiten in der experimentellen Krebsforschung (experimenteller Teil) und in der Tumordiagnose und -behandlung (klinischer Teil) vergeben. Während Prof. Berdel den experimentellen Teil des Preises zugesprochen bekam, ging der experimentelle Teil diese
s Jahr an den Leiter der Abteilung Immungenetik des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, Prof. Dr. Peter H. Krammer. Mit Prof. Berdel sprach Dr. Sylvia Zacharias.
? Mit dem Preis hat die Deutsche Krebsgesellsc
haft in diesem Jahr zwei Forscher geehrt. Sie, Herr Prof. Berdel, wurden für Ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Zytokine *) ausgezeichnet. Um was für Stoffe handelt es sich?
Prof. Dr. Wolfgang Berdel: Zytokine sind Eiweißstoffe
, die von Zellen abgesondert werden, um - ähnlich wie Hormone - bestimmte Steuer- und Kommunikationsfunktionen zwischen Zellen zu übernehmen.
? Drei der von Ihnen untersuchten Zytokine werden bereits seit mehreren Jahren erfolgreich bei Patienten mit Krebserkrankungen nach einer Chemotherapie eingesetzt?
Richtig. Sie dienen dem Ausgleich der toxischen Nebenwirkugen der
Zytostatika auf das blutbildende System. Die Gruppe der
'hämatopoetischen Zytokine' - z.B. IL- 3, GM-CSF, G-CSF - sorgt u.a. für Wachstum und Differenzierung der Knochenmark-Blutzellen.
? Was veranlaßte Sie dazu, sich mit diesen bereits bekannten Substanzen weiter zu befassen?
Nach feststehender medizinischer Überzeugung agieren diese Zytokine ausschließlich in der Blutbildung. Da aber Tumorpatienten behandelt wurden, wollte ich wissen, wie sich diese Eiweißstoffe gegenüber einem Tumor verhalten. Ich habe
sie also mit Tumorzellen bebrütet und die Feststellung gemacht, daß dabei Rezeptoren, also Empfängermoleküle auf der Oberfläche der Tumorzellen ausgebildet werden und die Zellen schneller wachsen können.
? War dies ein Grund zur Beunruhigung?
Diese Beobachtung konnte unsere klinische Anwendung in Frage stellen. Zum Glück belegten dann weitere Experimente meiner Arbeitsgruppe und klinische Studien, daß für unsere Patienten keine Gefahr besteht. Im Anschluß an die Chemother
apie ist der Tumor nicht mehr in der Lage, diese Wachstumsstoffe gut zu nutzen. Die bisherigen Grundlagen der Zytokintherapie bei Patienten, die Krebsmedikamente erhalten, fanden damit eine Bestätigung.
? Welche anderen Konsequenzen hatte die neuentdeckte Fähigkeit dieser Zytokine?
Wir machten uns daraufhin bei einer ganzen Reihe von Zytokinen, - alle sind entweder in der Blutbildung oder in der lymphatischen Zellentstehung aktiv - auf die Suche nach weiteren unbekannten Fähigkeiten. Wir fanden, daß IL-13 und IL-4 eine An
titumor-Wirksamkeit besitzen, die man eventuell klinisch ausnutzen kann.
? Laufen bereits klinische Studien über die Antitumor-Wirksamkeit?
Interleukin-4 wird jetzt weltweit an Krebskranken untersucht (Phase II-Studien). Indikationen sind z.B. das nicht-kleinzellige Bronchialkarzinom und kolorektale Tumoren.
? Könnte die Chemotherapie durch diese Entdeckungen eines Tages ergänzt werden?
Ich würde für die beiden Zytokine IL-4 und IL-13 im Augenblick noch nicht in Anspruch nehmen, daß sie überhaupt irgendeinen klinischen Stellenwert haben.
? Welche besondere Originalität kommt Ihren Experimenten zu?
Einerseits haben wir die Wirkungsdomänen von hämatopoetischen und lymphopoetischen Zytokinen - wie IL-3, G-CSF und GM-CSF - neu definiert. Andererseits haben wir für zwei Zytokine - IL-4 und IL-13 - eine Antitumor-Wirksamkeit gefunden.
*) mit den Kürzeln Interleukin=IL: IL- 3, GM-CSF, G-CFS, und IL- 4 und IL- 13.