Spardruck auf FU-Medizin

Aus für die Zahnklinik-Süd - Franklin-Klinikum noch einmal von der Schippe gesprungen


Anfang März überstürzten sich die Ereignisse um das Bestehen des Universitätsklinikums Benjamin Franklin und der Zahnklinik Süd. Sein oder Nicht-Sein lautete die Frage, hervorgerufen durch die Vorgabe der Finanzsena torin, der Hochschulmedizin erhebliche Zuschußkürzungen aufzuerlegen. Das Aus für die Zahnklinik in der Aßmannshauser Straße kam am 28. März vom Abgeordnetenhaus. Die Pläne, das Klinikum Benjamin Franklin in ein st&a uml;dtisches Haus umzuwandeln, konnten in den Koalitionsverhandlungen von SPD und CDU abgewendet werden. Doch wie lange? Eine Frage, die sich auch der Dekan des Fachbereichs Humanmedizin, Professor Dr. Peter Gaehtgens, stellt.
Die Aufregungen der letzten Tage um die Berliner Hochschulmedizin machen besonders deutlich, wie schwierig derzeit die Dinge der Universitäten in den Auseinandersetzungen um Sparen, Sparen, Sparen ... stehen. Bei Koalitions- und Senatsbil dung, in Sparklausuren und im Haushaltsstrukturgesetz hat die Frage nach der Zukunft eine neue Schärfe erhalten.

Die Probleme der Gegenwart liegen auch hier in den Fehlern der Vergangenheit, vor allem in der Grundentscheidung des früheren Senators für Wissenschaft und Forschung, die Professuren der HU-Medizin in den vergangenen Jahren fast vollständig, aber ohne koordinierende Planung mit der FU-Medizin zu besetzen. Die damit ausg esprochene - im übrigen fachlich falsche - Disqualifizierung der FU-Medizin war das Gegenteil eines Signals zur Zusammenarbeit. Aus der Einäugigkeit dieser Grundentscheidung erwuchs wachsende Polarisierung.

Rund 2.500 Mitarbeiter, Stud enten und Patienten des Universitätsklinikums Benjamin Franklin zogen am 6. März vom Hindenburgdamm 30 zum Hermann-Ehlers-Platz, um gegen die drastischen Sparmaßnahmen des Senats zu protestieren.

Im Zusammenhang mit den Versuche n, das Haushaltsloch zu stopfen, ist selbst die erst im Dezember 1994 mit dem Gesetz zur Neuordnung der Universitätsmedizin getroffene Strukturentscheidung des Abgeordnetenhauses für zwei eigenständige, wenngleich verschieden große Me dizinbereiche an Freier Universität (FU) und Humboldt-Universität (HU) wieder ins Gerede geraten. Dies im Zusammenhang mit Überlegungen, die beiden Vorklinikbereiche an HU und FU zu einem zu vereinen, und die FU-Zahnmedizin - erst 1993 durc h das Neuordnungsgesetz Zahnmedizin neu strukturiert und seit 1994 in die FU-Humanmedizin integriert - ganz zu schließen.

Die Halbwertszeit politischer Strukturentscheidungen ist damit bedenklich gesunken. Ein neuer Tiefpunkt nicht nur in der politischen Entscheidungsfindung, sondern auch im Umgang zwischen den Institutionen wurde erreicht, als die Leitungen von Virchow-Klinikum - noch vor einem Jahr ein Teil der FU - und Charité die Schließung der FU-Medizin forderte.

Im Universitätsklinikum Benjamin Franklin war dies das Startsignal zu einer erstaunlichen und erfreulichen Mobilisierung: Zwei öffentliche Demonstrationen mit bis zu 2.500 Teilnehmern, engagierte Diskussionen mit Vertretern von Politik und Presse, intensive Information von Patienten und der breiten Öffentlichkeit war Ausdruck der großen Sorge um das eigene Weiterbestehen, aber auch um die ,dritte und vierte Scheibe der Salami", um die die FU verkürzt zu werden drohte: Nach dem Verlu st von Zahnklinik Nord (1994) und Universitätsklinikum Rudolf Virchow (1995), die beide im Sinne von ,Abbau West für Aufbau Ost" der HU zugeordnet worden waren, bedeutet die jetzt beschlossene Schließung der Zahnklinik Süd einen weite ren substanzgefährdenden Einschnitt in die Freie Universität.

Die Politik besteht auf der Schließung der FU-Zahnmedizin - ein besonders absurder Vorschlag angesichts der mehr als 30 Mio. Mark, die in den letzten zwei Jahren in die A ßmannshauser Straße investiert wurden, des daher vorzüglichen baulichen und apparativ-technischen Zustands der Zahnklinik, und der verfassungswidrigen (weil gänzlich unabgewogenen) nochmaligen Halbierung eines harten Numerus Clausus- Fachs. Auch ein alternativer Sparvorschlag der FU wurde nicht als Beitrag zum strukturellen Sparen anerkannt und konnte die Zahnklinik nicht retten.

Wenngleich die Koalitionsparteien sich inzwischen gegen die Schließung des Universitätsk linikums Benjamin Franklin entschieden haben, ist das Damoklesschwert auch hier nicht beseitigt. Mindestens eine weitere Bedrohung bleibt bestehen: Dabei geht es um die Vorklinik (die drei Institute für Anatomie, Molekularbiologie/Biochemie und Physi ologie), die nach einem überraschenden Beschluß der Koalitionssparklausur nur noch an der Freien Universität in Dahlem weiterbestehen, an der Charité aber geschlossen werden sollte. Dieser Beschluß, der wegen der Notwendigkeit größerer Investitionen in der Charité-Vorklinik gefallen sein soll, wurde ,über Nacht" gekippt: Dem Senat wurden von SPD-Abgeordneten und Mitarbeitern der Charité falsch-niedrige Zahlen über den Finanzbedarf der Charit& eacute;-Vorklinik und falsch-hohe über den der FU-Vorklinik - 35 Mio. Mark konsumtiv (schön wär•s!), 70 Mio. Mark investiv (ein Traum!) - zugespielt; daraufhin wurde die Entscheidung des vorangegangenen Tages wieder aufgehoben.

Dazu sollte man wissen: Die Charité hat noch vor wenigen Wochen in ihren Anmeldungen zum 26. Rahmenplan im Hochschulbauförderungsgesetz-Verfahren einen Investitionsbedarf von etwa 76 Mio. Mark für die drei vorklinischen Institute angemeldet un d dem Wissenschaftsrat vorgelegt. Für die Vorklinik der Freien Universität wurden keine Investitionen beantragt.

Was sind die Optionen und wie geht es weiter? Fachlich ist es zweifellos sinnvoll - sowohl im Sinne eines vernünftigen L ehrkonzepts als auch im Sinne der Forschung - beiden medizinischen Fakultäten in Berlin eine eigene Vorklinik zu lassen, wie im Gesetz zur Neuordnung der Universitätsmedizin (UniMedG) vorgesehen. Die im UniMedG festgelegte Größe (200 humanmedizinische Studienanfänger an der FU, 400 an der HU) muß jedoch wegen der notwendigen Angleichung vorklinischer und klinischer Kapazitäten an beiden Universitäten, vor allem aber wegen der erheblichen kapazitätsrechtlichen Problematik neu überdacht werden. Erst kürzlich erklärte das Oberverwaltungsgericht erneut das UniMedG in diesem Punkte für verfassungswidrig und ließ weitere Studierwillige zu. Die Ausbildungskapazität in Dahlem liegt derz eit etwa bei 600 Studierenden im Jahr, und es ist kaum zu erkennen, wie ein kapazitätsrechtlich unanfechtbarer Abbau erreicht werden soll.

Die Bildung einer einzigen Vorklinik wäre ein fachlich schlechter Kompromiß, der nur diskutie rt werden sollte, wenn finanzielle Zwänge anderes wirklich nicht zulassen. Beläßt man zwei Vorkliniken, muß natürlich nach anderen Einsparmöglichkeiten gesucht werden, die sich auf der Grundlage des UniMedG nur aus der kons equenten Umsetzung der Fusion von Virchow-Klinikum und Kliniken der Charité ergeben können. Es ist natürlich nicht einsehbar, daß diese Zusammenführung Fachdisziplinen in einer Größe beläßt, die weder im S inne von Forschung und Lehre notwendig noch für ein ,schlankes Management" sinnvoll sind. Der universitäre Charakter eines Klinikums beruht nicht in erster Linie auf der großen Zahl von Betten, sondern auf der engen Verzahnung von theoreti schen und klinischen Einrichtungen. Der Abbau von Forschungsinstituten - wie etwa der Vorklinik - unter Belassung klinischer Übergröße ist strukturell nicht sinnvoll, finanziell belastend und auch hinsichtlich der Ausbildung unangemessen. Das gilt erst recht dann, wenn, wie von manchen vermutet, die Krankenversorgung teilweise aus der Quelle des Staatszuschusses für Forschung und Lehre mitfinanziert wird - ein Zustand, der mit abnehmenden Kasseneinnahmen noch wahrscheinlicher wird. Da s Haushaltsstrukturgesetz sieht Beschlußkompetenz für die universitätsübergreifende Gemeinsame Kommission und eine ebenfalls übergreifende Finanz- und Wirtschaftskommission vor, in der die Zuschußverteilung für die Med izin an beiden Universitäten, aber auch ,damit verbundene Strukturentscheidungen" behandelt werden sollen. Dort wird auch die Vorklinik-Frage entschieden. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn hier auch das Problem der Zahnmedizin geklärt worden w äre.

In der jetzigen Lage, in der es nicht nur um die Entscheidung selbst geht, sondern auch um das Verfahren und erneut um die Glaubwürdigkeit von Politik, ist nicht nur ein Mangel an Konsens ,in der Sache" zu bedauern, sondern auch verl orenes Vertrauen in Personen. Die Grundentscheidung des früheren Senators für Wissenschaft und Forschung war Ausgangspunkt für die wachsende Polarisierung zwischen Klinika und Universitäten. Inzwischen stellt sich angesichts der Hausha ltslage die Frage nach dem Überleben der Institutionen, nicht nur nach ihrer noch möglichen Ausstattung.

Damit erhält die Auseinandersetzung eine neue Schärfe, und ein zweiter Grundkonflikt überlagert die weitere Entwicklun g. Niemand sollte es bestreiten: Nirgendwo in Deutschland ist ,Abbau West für Aufbau Ost" so nötig und so richtig wie in Berlin; das gilt auch für die Ausstattungsentscheidungen von Universitäten.

Aber auch dies ist wahr: Keine Einrichtung hat so viel durch eigenen Abbau zum Aufbau anderer beigetragen wie die FU-Medizin. Sollte jetzt auch die ,vierte Scheibe der Salami", das noch verbliebene Universitätsklinikum Benjamin Franklin, seinen universitären Charakter verlier en: das wäre wahrhaftig eine unerträgliche Entwicklung.

Peter Gaethgens

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