"Dieser ganze Ärger mit meinen Leisten" ob Sie es glauben oder nicht " ich habe mich richtig auf die Operation gefreut." Herbert Schmiedersheimer* weiß" wovon er spricht. Im Laufe seines mittlerweile 59 jährigen Lebens hat er fünf Leistenbrüche mitgemacht: einen beidseitigen vor 30 Jahren" einen einseitigen 1993 und erneut einen beidseitigen im letzten Jahr. Ein Leistenbruch ist zwar nicht lebensgefährlich und muß auch nicht zu großen Schmerzen führen" aber unangenehm ist es mit Sicherheit" wenn der Bauchinhalt als mit Bauchfell überzogene Ausstülpung durch die Bauchwand tritt. Auch Frauen und Kinder können Leistenbrüche bekommen" doch Männer sind anfälliger" weil ihr Bauchgewebe wegen des Leistenkanals eine bessere Angriffsfläche bietet. "Die Ärzte haben mir auf den Kopf zugesagt" ich sei gewebeschwach"" berichtet der Patient leicht indigniert.
Mittlerweile geht es Herbert Schmiedersheimer wieder gut. Ihm wurde im Universitätsklinikum Benjamin Franklin eine Hernioplastik eingesetzt. Bei diesem Verfahren wird dem Patienten mittels einer Bauchspiegelung ein circa 10 mal 10 Zentimeter großes Kunststoffnetz zwischen Bauchfell und Muskelschichten eingesetzt. Die verstärkte Narbenbildung" mit der der Körper auf das fremde Gewebe reagiert" verschließt dann den Bruch. Dr. Antje Schwartz" die Hermann Schmiedersheimer auf der chirurgischen Abteilung betreute: "Wie ein Leistenbruch von innen aussieht" und wie und wo genau wir dann das Netz einsetzen" das können sich selbst unsere Medizinstudenten nicht vorstellen. Das muß man sehen." Als Tip zur besseren Visualisierung empfiehlt die Ärztin" sich vorzustellen" wie bei einem Autoreifen ein Ventil durch den Mantel austritt und der Schlauch dann nachquillt.
Dr. Antje Schwartz: "Wie ein Leistenbruch von innen aussieht, und wie und wo genau wir dann das Netz einsetzen, das können sich selbst unsere Medizinstudenten nicht vorstellen."
Sicher hatte Herbert Schmiedersheimer andere Assoziationen" als kaum ein Jahr nach seiner letzten Leistenbruchoperation die alten Symptome wieder auftraten: aus einem etwa wachteleigroßen Loch in der Leistengegend traten" insbesondere nach längeren Spaziergängen oder anderen körperlichen Anstrengungen" sein Dünndarm und anderes Gewebe hervor. "Letztes Jahr im Sommerurlaub lief ich schon immer mit der Hand in der Hose herum" damit alles drin blieb. Doch es passierte immer wieder" daß ich mir eine stille Ecke suchen mußte" um meine Eingeweide wieder reinzuschieben."
Natürlich kannte der Referatsleiter in einem Brandenburger Ministerium die Diagnose. Leicht verärgerte es ihn" daß die Operation offenbar gar nichts genutzt hatte. Der Eingriff wurde in einem kleinen Belegkrankenhaus durchgeführt" und zwar nach der konventionellen Methode" bei der das Gewebe gerafft und dann unter Spannung wieder zugenäht wird. "Wie eine gestopfte Wurst sah ich aus; meine Nähte erinnerten mich daran" wie meine Mutter immer die Socken geflickt hatte"" erinnert sich Herbert Schmiedersheimer widerwillig.
"Es gibt mehrere Operationsverfahren"" erläutert Dr. Schwartz. "Im Falle von Herrn Schmiedersheimer hätten sich die Ärzte vielleicht fragen müssen" ob das körpereigene Material nicht schon zu erschlafft war" um nach dem Zusammennähen zu halten." Außerdem besteht bei der konventionellen Methode immer die Gefahr" den Samenleiter zu verletzen. Ferner müssen sich Patienten" die auf konventionelle Weise operiert werden" drei Monate lang sehr schonen" d.h. sie dürfen zum Beispiel nichts Schweres tragen" während man sich bei dem hier verwendeten Verfahren schon nach zwei Wochen wieder relativ normal bewegen kann.
Die bei Herbert Schmiedersheimer verwendete Methode" ein Kunststoffnetz einzusetzen" gibt es erst seit ungefähr sechs Jahren. Aufgrund dieser relativ kurzen Zeitspanne liegen abschließende Erkenntnisse über ihre Vor- und Nachteile noch nicht vor. "Es läßt sich nicht ausschließen" daß der Patient nochmals einen Leistenbruch erleidet"" gibt Dr. Antje Schwartz zu.
Sechs Tage nach der Operation durfte Herbert Schmiedersheimer nach Hause gehen. Ihm hat es im Klinikum gut gefallen. Endlich habe er einmal Zeit und Muße gehabt" in aller Ruhe Zeitung zu lesen. "Natürlich läßt sich in diesen großen Häusern die Neigung zum Unpersönlichen nicht verhindern"" bekennt er freimütig. "Doch letztendlich"" so fügt er hinzu" "überzeugt doch die fachliche Kompetenz und das technische Know-How."
Monica Brandis
*Name von der Redaktion geändert