Focus Heliobacter pylori


Unruhige Gäste belagern den Pförtner



"Es schlägt mir auf den Magen", sagt der Volksmund von diesem Organ, das nicht nur für die Nahrung, sondern auch für den Ansturm emotionaler Impulse eine Art Erstanlaufstelle ist. Doch daß 180.000 Menschen alljährlich an einem Magen- bzw. einem Zwölffi ngerdarmgeschwür erkranken, geht auf das Konto des spiralförmigen Bakteriums des Pförtners. Helicobakter pylori gilt nunmehr als entscheidender Risikofaktor für eine Reihe von als 'rein psychogen' und unheilbar angesehener Magenleiden. 1928 in Deutschland bereits vermutet, wurde es erst vierzig Jahre später in Australien als Protagonist einer Infektionskrankheit identifiziert.

Erschreckend hoch ist die Verbreitung des Keimes: Jeder zweite der 50jährigen, so schätzt man, trägt es im normalerweise keimfreien Mageninneren mit sich herum. Privatdozent Dr. Jörg-Dieter Schulzke, Gastroenterologe am Universitätsklinikum Benjamin Fr anklin: "Das Lebensalter zeigt den prozentualen Anteil an". Mit zunehmendem Alter wächst die Durchseuchung. Warum, das ist noch unklar. Derzeit geht die Wissenschaft von einer exotischen Form der Ansteckung aus, nämlich von Magen zu Magen, also über Erbro chenes, oder von Darm zu Mund über die Fäkalien. Angesichts der hohen Zahl an Keimträgern etwas verwunderlich. US-Studien wollen wissen, daß der Helicobakter die ärmere Bevölkerung favorisiert. Deren primitivere Küchenhygiene biete ihm größere Überlebensc hancen.

Andererseits infiziert man sich nicht auf so alltägliche Weise wie beim Trinken aus einem fremden Glas. "Auch beim Küssen wird der Keim", so Dr. Schulzkes beruhigende Mitteilung, "nicht weitergegeben". Vor allem handelt es sich dabei in den meisten Fäl len um eine friedfertige Spezies des Helicobakter pylori: nur "höchstens 5-10% der Menschen sind mit einem bösartigen Stamm infiziert bzw. sind dafür empfänglich". Ansteckung per se ist demnach nicht ausreichend, um ein Magengeschwür zu erzeugen. Viel hän gt von besonderen Eigenschaften oder auch Umständen ab, die den Stamm erst zum Angreifer, also pathogen machen. Hier sind die Forscher weiter auf der Suche. Vererbung, Rauchen oder Streß gelten als lediglich "modulierende", abwandelnde Risikofaktoren.

Weitaus besser erforscht sind inzwischen die Etappen, nach denen es einer aggressiven Spezies des Helicobakter pylori gelingt, die menschliche Magenschleimhaut in Besitz zu nehmen und zur eigenen Arterhaltung zu besiedeln. Dr. Schulzke: "Die Bakterien nisten sich zunächst ins Antrum, dem Magenabschnitt vor dem Pförtner, ein. Sie produzieren dort ein Enzym, das durch Freisetzung von Kohlendioxid und Ammoniak für einen Anstieg des pH-Wertes, also Säuregehalts sorgt, und die Einnistung ermöglicht. Am Ende einer komplizierten Kette von Ereignissen kommt es schließlich zu erhöhter Salzsäureproduktion und damit zu einer Schleimhautmetaplasie (Gewebsumwandlung) im Duodenum, dem Zwölffingerdarm. Das erst befähigt die Bakterien, auch diese Region zu kolonisiere n." Diese Dynamik greift auf den Magen über (Ulcus ventriculi) und kann Jahrzehnte später zum Magenkrebs führen.

Durch eine spezielle, hochdosierte Antibiotikatherapie wird der Helikobakter "eradikiert", das heißt radikal aus der Magenregion eliminiert. Eine Wortschöpfung, die dem Helicobakter reserviert ist, wie Schulzke betont, "denn üblicherweise erzielt man d urch Antibiotika keine gänzliche Abtötung der Keime." Die Gefahr eines Rückfalls, vorher sehr hoch, für immer zu bannen, ist das Ziel der Magenspezialisten am Klinikum. Sie untersuchen auch, ob die Eradikation bei Patienten mit chronischer Gastritis rats am ist. Zur Nachdiagnostik setzen sie den Massenspektrometer ein. Der Patient braucht keinen Schlauch mehr zu schlucken, sondern pustet in ein Röhrchen. Im '13-C-Harnstoff Atemtest' stellt dieser Apparat mühelos fest, ob das Bakterium die markierte Substa nz spaltet, die der Patient vorher zu trinken bekam.

Sylvia Zacharias


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