Symposium Wissenschaftswoche: Vom Gen zur Therapie

Antisense-Technik - Hoffnung auf Behandlung von Virus- und Tumorkrankheiten


G-Proteine sind wichtige Verbindungsmoleküle in der Membran von Zellen. Sie leiten die Signale, die eine Zelle von außen erreichen, zum Beispiel durch Hormone, in das Innere der Zelle weiter. Im Universitätsklinikum Benjamin Franklin untersucht die Arbeitsgruppe von Dr. Frank Kalkbrenner in der Abteilung von Prof. Günter Schultz am Institut für Pharmakologie die Frage, ob die zelluläre Signalübertragung von außen nach innen über spezifische G-Proteine vermittelt wird und welche diese sind.

Denn G-Proteine bestehen aus drei Untereinheiten, und von denen bisher 23 verschiedene -, 5 verschiedene - und 11 verschiedene -Untereinheiten bekannt sind. Wären alle theorethisch möglichen Kombinationen vertreten, so sollte es mehr als 1000 unterschiedlichen G-Proteine geben. Diese Zahl wird aber schon wieder dadurch eingeschränkt, daß nicht in allen Zellen und Geweben gleichzeitig alle möglichen Untereinheiten vorkommen, dennoch bleiben für einige Gewebe mehre hundert Kombinationen übrig.


Nachweis der G-Proteine in wenigen Tagen

Um herauszufinden, welche Kombination der drei Untereinheiten zusammen ein funktionelles G-Protein ergeben, wenden die Wissenschaftler am Pharmakologischen Institut sogenannte Antisense-Moleküle an. Sie mikroinjizieren in die Kerne von einzelnen Zellen, die in der Regel nicht mehr als einige Tausendstel mm Durchmesser haben, Antisense-Oligonukleotide. Diese sind kurze DNA-Fragmente, die in der Lage sind, an die zelluläre RNA zu binden und damit die Expression von G-Proteinen zu verhindern.

Da die Zellen nun nicht mehr in der Lage sind, neue G-Proteine zu bilden, kann man nach wenigen Tagen den Verlust der Funktion des fehlenden Proteins nachweisen. Aus der geschickten Kombination verschiedener Antisense-Oligonukleotide, die jeweils ganz spezifisch nur die Expression einer einzelnen G-Protein-Untereinheit verhindern, kann man schließen, aus welchen Untereinheiten sich ein bestimmtes G-Protein zusammensetzt.

An und für sich handelt es sich bei diesem Projekt um Grundlagenforschung, deren Ergebnisse die Diskussion um Spezifität und Selektivität der Signalübertragung zwar erheblich stimuliert haben, aber noch in weiter Ferne von einer möglichen praktischen Anwendung sind.

Die Antisense-Techniken hingegen, die die Pharmakologen dabei einsetzen, werden schon in naher Zukunft die Entwicklung von spezifischen Pharmaka revolutionieren. In den USA haben sich schon mehrere Biotechnologieunternehmen auf die Entwicklung von Antisense-Molekülen als Pharmaka spezialisiert, für zwei dieser Substanzen wird der Antrag auf Zulassung für den amerikanischen Markt schon bald erwartet.

Das größte Problem, das bislang die Anwendung der Antisense-Moleküle am Patienten limitierte, ist die Tatsache, daß die Antisense-Moleküle nur sehr langsam und unvollständig aufgenommen werden. Auch hier gehen die Wissenschaftler des Pharmakologischen Institutes neue Wege.


Schon bald ein Medikament?

Am Institut für Molekularbiologie und Biochemie des Benjamin-Franklin Klinikums entwickelt die Arbeitsgruppe von Prof. Burghardt Wittig die Methode des ballistischen Transfers. Dabei werden Antisense-Moleküle zusammen mit kleinen Goldpartikeln in die Zelle hineingeschossen. Diese Methode wird in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Dr. Kalkbrenner mit der Mikroinjektion von Antisense-Molekülen verglichen und anhand dieser Daten weiterentwickelt, um sie schnell am Patienten anwenden zu können.

Antisense-Moleküle eignen sich nämlich vor allem zur Behandlung von Erkrankungen, für die bisher keine spezifische Pharmaka zur Verfügung standen. Die beiden Antisense-Moleküle, deren Entwicklung am weitesten fortgeschritten ist, sind zum Beispiel zur Behandlung von Virusinfektionen vorgesehen. Viruserkrankungen sind bislang schlecht spezifisch zu behandeln, da sich die Viren innerhalb der Zellen des Patienten vermehren und viele Enzyme der Wirtszelle verwenden. Durch Antisense-Moleküle wird man in der Lage sein, ganz spezifisch die Expression von viralen Proteinen zu verhindern und damit die Virusinfektion zumindesten zu verlangsamen oder ganz unterbinden zu können.

Auch bei der Behandlung von Tumorerkrankungen erhofft man sich durch den Einsatz von Antisense-Molekülen Fortschritte, da diese Substanzen sehr spezifisch in das zelluläre Geschehen eingreifen können und deshalb mit Sicherheit nicht so viele Nebenwirkungen haben werden, wie die heute verwendeten Tumormittel. Bis dahin wird es allerdings noch ein langer Weg sein, vor allem ergeben sich Probleme daraus, daß das Entstehen von Tumoren in der Regel mit der falschen Regulation von mehreren Genen verbunden ist und nicht nur von einem.

KUS


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