Patienten auf der 002 haben Krebs, meistens Blutkrebs. Auf der Station Hämatologie und Onkologie kämpfen sie gegen die gefürchtete Krankheit. Und nicht jeder Patient gewinnt diesen Kampf.
Wenn jemand stirbt, ist auch Dorothea Maria Erika Helberg auf der Verliererseite. Der 37jährigen Krankenschwester gelingt es in einem solchen schweren Fall nicht immer, die seelische Last hinter den Türen des Klinikums zurückzulassen. ,Da hilft nur reden", sagt sie. Zum Beispiel mit Freunden in ihrem Lieblingscafˇ ,Savarin" in Schöneberg, wo die gebürtige Göttingerin wohnt. Und ihre Freunde wissen, daß für die engagierte junge Frau der Beruf nicht einfach irgendein Job ist.
Dorothea Helberg kam 1981 nach Berlin, um an der FU Anglistik und Geschichte zu studieren. Ein Jahr später wechselt sie zur Biologie, um zwei Jahre später diesen Teil ihrer Ausbildung abzuschließen. Sie hat bereits beträchtliche pflegerische Erfahrungen in unterschiedlichen sozialen Bereichen gesammelt - auch in Großbritannien, wo sie in Thombury und Bristol geistig behinderte Kinder betreut. Nach dem Studium, 1984, geht sie als Krankenpflegeschülerin an die Weston School of Nursing in Bristol. Nach der vierjährigen Ausbildung bleibt sie bis 1990 als ,Staff Nurse" in Bristol auf einer inneren und auf einer nephrologischen Station.
Die Rückkehr nach Deutschland ist auch eine an die Freie Universität. Dorothea Helberg beginnt am Universitätsklinikum Rudolf Virchow zu arbeiten, bewirbt sich von dort aus am Universitätsklinikum Benjamin Franklin und ist jetzt bereits das fünfte Jahr auf der 002. ,Ein gutes Team", charakterisiert sie ihre Arbeitsgrupppe, ,das ist das wichtigste in diesem Beruf". Vor allem Verläßlichkeit und Kommunikationsfähigkeit sind gefragt, um in der Alltagsroutine zwischen Bettenmachen, Medikamentenvergabe und Blutentnahme nichts zu vergessen und auch der psychischen Betreuung der Kranken genügend Raum zu geben. 13 Betten gehören zur Pflegegruppe von Dorothea Helberg und ihren KollegInnen - das heißt, 13 Krankengeschichten,13 Schicksale, 13 Behandlungsmuster und ein Vielfaches an Angehörigen. Schleicht sich da niemals ein Fehler ein? ,Wer sagt, daß er keine Fehler macht, lügt", kommt die prompte Antwort. Gerade Krebspatienten müssen sehr aufmerksam beobachtet werden, da sich ihr Befinden binnen Kürze verändern kann: ,Manchmal kann ich die Anzeichen gar nicht richtig beschreiben, ich merke nur, daß der Patient so komisch ist." Das genügt schon, um Dorothea Helberg zu alarmieren. Sie nimmt Messungen vor, informiert den Arzt, das Team wird unterrichtet, die Planung neu abgestimmt. Nur so funktioniert optimale Pflege.
Sie bedauert, daß es in Deutschland keine Fachzeitschrift für onkologische Krankenpflege gibt - selbst in Spanien wird das englische Fachmagazin übersetzt. Offensiv betreibt die Krankenschwester ihre eigene Fortbildung. Vor drei Jahren erhielt sie eine bezahlte Freistellung für eine einjährige Fortbildung an der Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe. Auch wenn es sie schmerzt, keine staatliche Anerkennung für dieses eine Jahr bekommen zu haben, bereut sie diese Zusatzqualifikation keinesfalls.
"Eine Krankenschwester muß all die Fragen beantworten, die der Patient dem Arzt nicht stellen mag", resümiert sie und denkt dabei auch an die Situationen, in denen sie mit Aggression, Wut und Verzweiflung konfrontiert wurde. Um sie zu meistern, genügen auch noch so umfassende pflegerische Erfahrungen manchmal nicht. Besonders auf psychologischem Gebiet vermißt Dorothea Helberg eine fundierte Ausbildung. ,Am schönsten ist es", sagt sie, ,wenn es gelingt, einen Patienten zum Mitmachen zu bewegen. Und wenn es nur bei der gründlichen Eigenbeobachtung ist... Wer aktiv ist, hat mehr Kraft, gegen die Krankheit vorzugehen."
Aktiv - das ist sie selbst immer. Ob nun als Mitglied der deutschen Krebsgesellschaft, als Honorardozentin der Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe oder in einer Kommission des Klinikums, die kürzlich den optimalen Einsatz bestimmter Behandlungsmittel untersuchte. Krankenschwester ist eben nicht einfach nur ein Job.
Silvia Ottow