Das Januar-Portrait

Verzahnung von Seele und Politik


Zunächst studierte Anette Simonis Politologie, Geschichte und Psychologie. Fächer also, die damals angesagt waren, 1973, als "die Frauenbewegung gerade im Kommen" war. Doch als sie ihren Magister in der Tasche hatte, immatrikulierte sie sich "kurzentschlossen" für Zahnmedizin, auch, um sich "als Frau selbst ernähren zu können".

Eine Rechnung, die aufgehen sollte: Nach der Promotion arbeitete Simonis an der Zahnklinik der Universität Tübingen, wurde 1992 Oberärztin und ging dann 1993 an den ehemaligen zahnmedizinischen Fachbereich der Freien Universität, der inzwischen dem 1995 neugebildeten Fachbereich Humanmedizin angehört.

Zugleich geriet sie in die existentiell bedrohlichste Phase in der 40jährigen Geschichte der FU-Zahnmedizin. Ungeachtet ihrer zahlreichen Aufgaben in Krankenversorgung und Lehre war für Simonis klar, was sie zu tun hatte: Wie es ihr seit Beginn ihrer Studienzeit vertraut war, reagierte sie mit (hochschul)politischem Engagement: Seit 1995 setzte sie sich als Mitglied des Akademischen Senats und des Konzils der FU für ihre Klinik ein. Damit war die passionierte Krimileserin gleichzeitig in der Rolle des Opfers und der Verteidigerin. Im Oktober letzten Jahres konnte sie zunächst gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen aufatmen, als der Verfassungsgerichtshof dem Studiengang Zahnmedizin seine Existenzberechtigung zurückgab, die die Politik der Einrichtung bis zum Jahre 2003 entziehen wollte.

Doch Dr. Anette Simonis hat ihre beiden Studiengänge nicht nur politisch verzahnt. "Ich habe die Psychologie aus dem ersten Studium mit in die Zahnmedizin gebracht", erklärt die Zahnärztin mit dem warmen Timbre in der Stimme. Innerhalb ihrer Domänen Funktionsdiagnostik und -therapie sowie Schmerztherapie hat sie sich auf Zahnprobleme spezialisiert, deren Hintergrund psychische Störungen sind. "Viele Spannungen wie Aggressivität und Streß können sich im Bereich der Zähne ausdrücken", sagt Anette Simonis. Damit folgt sie dem "Trend, mehr zu sehen", der auch in ihrer Disziplin seit 15-20 Jahren immer mehr Zusammenhänge im menschlichen Organismus erkennt, wie etwa den zwischen Körperhaltung ünd Zahnhalteapparat. Bereits seit 1984 beschäftigt sie sich mit der zahnärztlichen Hypnose und kann hierfür eine eigene Qualifikation vorweisen. Mit Fortbildungen hält sie sich - etwa auch in der systemischen Familientherapie - wissenschaftlich auf dem Laufenden.

Denn wie sie ihre Karriere weiter anlegen wird, macht Anette Simonis nicht zuletzt davon abhängig, "wie die Zukunft der Zahnklinik aussieht". Gäbe es doch ein Aus für ihre universitäre Einbindung, würde sie "die Unipolitik ruhen lassen", um ihre "wissenschaftliche Ausgangsposition weiter zu verbessern".

Felicitas Wlodyga


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