Nachruf

Ein unermüdlicher Schaffer


Viel zu früh, im Alter von nur 55 Jahren, ist Professor Dr. Götz Siebert, Lehrstuhlinhaber der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik II und Propädeutik (Klinik und Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten) des Universitätsklinikums Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin, von uns gegangen.

Professor Siebert absolvierte in Berlin und Mainz das Studium der Zahnheilkunde und erhielt 1969 die Approbation. Seine Promotion erfolgte im gleichen Jahr. Nach kurzer Tätigkeit in einer allgemeinzahnärztlichen Praxis in Küsnacht bei Zürich, wurde Siebert wissenschaftlicher Assistent bei Fuhr an der Universität des Saarlandes. An der Universitätszahnklinik Mainz war er zunächst als wissenschaftlicher Assistent, später als Oberarzt bei Prof. Dr. Fuhr tätig. In Mainz erfolgte im Jahr 1977 auch seine Habilitation. Zum Professor wurde er 1978 ernannt. 1980 übernahm Prof. Siebert eine Zahnarztpraxis in Stuttgart, die er bis 1984 führte. 1984 nahm er einen Ruf an die Phillipps-Universität Marburg für das Fach Zahnärztliche Prothetik an. 1987 wurde er an die Freie Universität Berlin für den Lehrstuhl (C4) Zahnärztliche Prothetik II (Propädeutik) berufen, wo er seit Januar 1988 tätig war.

Sein besonderes Interesse galt der Schmerz- und Funktionsdiagnostik. Folgerichtig sind seine umfangreichen Arbeiten auf dem Gebiet der Funktionslehre und der Kinetik von Einzelzähnen entstanden, die sich in mehreren Monographien und wissenschaftlichen Arbeiten niederschlugen.

Während seiner achtjährigen Tätigkeit in Berlin wurden durch ihn und sein Team neue Schwerpunkte gesetzt. In der Werkstoffkunde standen die Titantechnologie, das Titanlaserschweißen und die Galvanotechnik im Vordergrund. Auf dem Gebiet der keramischen Restauration wurden regelmäßig Cerec-Kurse abgehalten, da ihn dieses Gebiet nicht nur als Wissenschafter, sondern auch als ausgeprägten Ästheten besonders interessierte.

Um eine Brücke zwischen Schulmedizin und alternativer Medizin zu bauen hat sich Prof. Siebert in den letzten Jahren immer mehr mit der Komplementärmedizin, wie der Elektroakupunktur nach Voll, der Ohrakupunktur und der angewandten Kinesiologie beschäftigt. So wurde er Ehrenvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Elektroakupunktur nach Voll und Ehrenvorsitzender der Turkish Society of Restaurative Dentistry.

Der unermüdliche Wissenschaftler und Lehrer Siebert hat schnell internationale Anerkennung erworben. Eine enge Freundschaft verband ihn mit Professor Lauritzen aus Seattle, den er mehrfach zu Fortbildungsveranstaltungen nach Berlin eingeladen hat.

Sein reichhaltiges wissenschaftliches Oeuvre umfaßt mehr als 105 wissenschaftlichen Arbeiten, sechs Monographien und zwei Buchbeiträge. Sein bekanntestes Buch ist der "Atlas der zahnärztlichen Funktionstherapie", der kürzlich in dritter, völlig neu bearbeiteter Auflage erschien. Unter seiner Anleitung sind mehr als 157 Doktorarbeiten entstanden.

Prof. Siebert war nie ein bequemer Chef. Er hat von seinen Assistenten, Mitarbeitern und Studenten immer mehr als das Mittelmaß verlangt, wobei er stets von sich selbst als unermüdlicher "Schaffer" ausgegangen ist, eine Eigenschaft, die ein Markenzeichen des aus Stuttgart stammenden Schwaben war. Sein Beruf war sein Hobby, wie er einmal sagte. Mit seiner Dynamik und seiner geradlinigen Art hat sich Siebert nicht nur Freunde geschaffen. Den Mitarbeitern aber, die seine Art akzeptiert hatten, war er ein guter, väterlicher und großzügiger Chef.

Leider war es Professor Siebert nicht vergönnt, sein Werk zu vollenden. Die Freie Universität Berlin, insbesondere die Zahnmedizin des Universitätsklinikum Benjamin Franklin, verliert mit ihm einen äußerst dynamischen, interdisziplinär weit vorausschauenden, ideenreichen und warmherzigen Kollegen. Prof. Siebert hinterläßt eine schmerzliche Lücke innerhalb der Kollegenschaft.

Eva Andrea Holtgrave

Prof. Dr. Eva Andrea Holtgrave leitet die Abteilung für Kieferorthopädie und Kinderzahnheilkunde des Fachbereichs Humanmedizin.


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